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Wer den deutschen Rap retten wird

Deutscher Rap ist nicht am Ende, Mann! Die Party wird noch weiter gehen. Und ich erkläre euch, wer dafür verantwortlich ist.

Es gibt Menschen in unseren Redaktionskreisen, die den baldigen Tod des deutschen Raps für unvermeidlich halten. ABER es gibt da auch noch andere Meinungen.

Letzte Woche hat mein geschätzter Kollege Daniel Weihwasser einen Artikel über den aus seiner Sicht unvermeidlichen baldigen Niedergang des Deutschraps verfasst und darin die Todesengel aufgezählt, die den HipHop zu Grabe tragen werden. Nachdem ich dafür frei nach Alexander von Eich Schimpfwort-Salven auf ihn abfeuerte, entschloss ich mich, diese Meinungsverschiedenheit sportlich auszutragen und einen Gegenartikel zu schreiben. Ich glaube nämlich, dass Deutschrap weiterhin eine rosige Zukunft bevorsteht.

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Daniel schreibt, dass Deutschrap sich derzeit auf dem „Peak“ befindet (schön zu sehen, wie sich deutsche Musikjournalisten immer auf die Suche nach unnötigen Anglizismen machen) und dass die Rezession in der Rapkonjunktur zwangsläufig einsetzen wird. Sicherlich befinden wir uns auf einem nie dagewesenen HÖHEPUNKT (!), in dem jeder halbwegs ernstzunehmende Rapper (Prinz Pi, Raf 3.0, Alligatoah) an die Chartspitze stürmt, neue, talentierte Leute in den Vordergrund rücken (Sierra Kidd, Teesy) und alte Helden nochmal ihren Hut in den Ring werfen (Fünf Sterne Deluxe, Toni L., Tone).

Dass jetzt allerdings der Zapfenstreich ausgerufen wird, ist nur die Befürchtung unter miesepeterigen Feiergästen, weil alle gerade einfach so einen Spaß haben. Doch die Party wird noch weiter gehen. Und ich erkläre euch, wer dafür verantwortlich ist.

Marteria/Casper

HipHop im Jahr 2010 war ausgebrannt und trat auf der Stelle. Aggro hatte sich gerade aufgelöst und kaum jemand traute sich wirklich, das Genre mit Frische und Kreativität aus seiner Lethargie zu befreien. Erst Marteria zeigte uns mit Zum Glück in die Zukunft wieder, welches Potenzial in dieser Musik steckt. Egal ob Radiohörer oder Realkeeper, jeder konnte diesen Sound feiern. Dazu hatte Marteria das Aussehen, die Empathie und das musikalische Gespür eines Popstars, um unseren geliebten HipHop wieder in die Öffentlichkeit zu rücken. Etwas anders gestaltete sich die Sache bei Casper. Als ewig talentierter Emo-Rapper abgestempelt nutzte er 2011 den Spalt, den sein Kumpel Marteria offen ließ und riss mit XOXO die HipHop-Tür für den Mainstream komplett auf. Kollege Weihwasser schreibt, dass Casper zwar ein verdammt guter Rapper sei, von dem Genre aber gelangweilt sei und deswegen keinen Rap mache. (Für diese Aussage hätte ich ihn wie von Eich am liebsten als „Borkenkäferausdüngungsarschloch“ betitelt, doch ich konnte noch an mich halten.) Aber was genau ist denn Rap? 16 Bars-Hook-16 Bars-Hook? Wenn Rap nur das sein darf, dann werde ich höchstpersönlich den Abzug betätigen und dafür sorgen, dass die Leiche nie gefunden wird. Nein, HipHop sollte keine Dogmen kennen, weil er selbst aus Einflüssen wie Funk, Soul oder Jazz entstand. Wenn jemand über Musik rappt, dann ist es nun Mal Rap.

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Und genau darum wird es in der Zukunft gehen: Musikalische Einflüsse zu kombinieren und im HipHop-Gewand erstrahlen zu lassen. Wer könnte das besser als die beiden, die das salonfähig gemacht haben.

Werden Marteria und Casper Rap am Leben erhalten? Ja, die beiden werden von der breiten Masse als die Platzhirsche des Raps angesehen, als deutsches JayZ/Kanye West-Äquivalent, das es braucht, um als Genre relevant zu sein. Dazu haben sie das musikalische Talent und den HipHop-Unterbau, um Rap in die Zukunft zu führen.

Klickt hier, um auf die nächste Seite zu kommen: Azzlackz und MoTrip

Azzlackz

Ich möchte an dieser Stelle dem Juice-Redakteur Jan Wehn Props für seine Kolumne in der aktuellen Juice geben. Darin moniert er, dass Künstlern wie Haftbefehl, Celo & Abdi oder Schwesta Ewa keine Ernsthaftigkeit entgegengebracht werde, sie stattdessen vor allem von Szenemenschen als Profilierungsobjekte missbraucht und eher als Zoo-Tiere denn als ernsthafte Künstler angesehen würden. Dabei hätten die Azzlackz HipHop mit Einfallsreichtum und Kreativität durchaus bereichert und hätten eine Persiflage à la Erkan und Stefan nicht verdient. Ich muss dem Kollegen Wehn absolut zustimmen. Die Azzlackz, insbesondere Haftbefehl und Celo & Abdi haben es geschafft, dem verkrusteten Straßenrap eine neue Dimension zu geben, mit Humor, Authentizität—und vor allem mit musikalischem Gespür. Egal, ob man Haftbefehl verabscheut oder nicht, niemand wird abstreiten können, dass „Chabos wissen wer der Babo ist“ ein absoluter Banger ist.

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Werden die Azzlackz Rap am Leben erhalten? Wenn die Youtube-Stänkerer nicht noch kurzfristig die Partei YSPD, die Youtube-Stänkerer Partei Deutschlands, gründen, bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit mit Julien von JuliensBlog als Spitzenkandidaten holen und als erste Amtshandlung Haftbefehl verbieten, dann kann das durchaus passieren.

Motrip

Wenn es einen Rapper in Deutschland gibt, den man mit Kendrick Lamar vergleichen könnte, dann ist das wohl Motrip. Die Parallelen sind unübersehbar: Beide sind in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, haben aber versucht, sich aus Problemen rauszuhalten. Beide können unfassbar gut rappen und texten, und sind dazu noch sehr intelligent und sympathisch. Die Frage stellt sich nun, warum Motrip den Durchbruch außerhalb des Rap-Kosmos‘ noch nicht geschafft hat. Zum einen fehlen ihm wahrscheinlich die Hits wie bei Kendrick und zum anderen hat Musik aus sozialen Brennpunkten in Amerika eine größere Stellung als hier. HipHop war dort recht schnell ein Mainstream-Thema, hier ist das noch nicht der Fall.

Wird Motrip Rap am Leben erhalten? Er ist auf dem besten Wege dahin—wenn er es wie Kendrick schafft, dieses Leben in zwei Welten einem noch größeren Publikum näher zu bringen.

Klickt hier, um auf die nächste Seite zu kommen: Tua, Indie und Naya Isso

Tua

Tua gilt schon seit Jahren als einer der kreativsten Musikgenies, die wir im Deutschrap haben. Im Zuge des aktuellen Höhenflugs von HipHop scheinen das die Leute endlich begriffen zu haben. Tua gibt herzlich wenig auf Genregrenzen und mixt Rap mit elektronischer Musik, süßen Melodien und viel Sing Sang—und mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem sich auch die größten HipHop-Heads nicht mehr daran stören.

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Wird Tua Rap am Leben erhalten? Tua ist ein sehr verkopfter Charakter, der sich vielleicht manchmal selbst im Weg steht. Aber wenn er selbst noch aufgeräumter wird, gibt es keinen Grund, warum er den Sound von Deutschrap in den nächsten Jahren nicht entscheiden prägen sollte.

Indie

Wahrscheinlich werde ich jetzt von Tocotronic-Jüngern gelyncht, aber irgendwie wissen wir alle, dass Indie sich im Koma befindet. Ich bin nicht so weit zu sagen, dass Indie tot ist, das haben auch viele über HipHop gesagt. Doch jene, die vor zehn Jahren eine Gitarre in die Hand genommen hätten, sitzen jetzt vor dem Rechner und toben sich mit Elektro aus. Dieses Vakuum, was die fehlenden Texte angeht, füllt derzeit Deutschrap aus. Denn in der deutschen Poplandschaft wird traditionell viel Wert auf die Texte gegeben.

Wird der komatöse Zustand von Indie Rap am Leben erhalten? Solange die verdrogten Elektro-Junkies nicht ihre tränenden Augen von ihren Laptops Richtung Notenblätter wenden, hat HipHop auch in Zukunft gute Karten.

Naya Isso

Wenn das alles HipHop nicht am Leben halten wird, dann übernimmt das doch wenigstens die zukünftige Mädchen-Cro Naya Isso (hier im Bild flankiert von ihren Beanie-Soldatinnen).

Wird Naya Isso Rap am Leben halten? Natürlich nicht. Aber bestimmt kommt es gut bei ihr an, wenn ich sie auch in diesem Artikel erwähne. Also Naya, ruf doch mal an, wir können gerne ne‘ Runde Federball spielen gehen.

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