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You Need to Hear This

Weekend hatte doch nur bei einem Battleturnier mitgemacht

Das Phänomen Weekend zu deuten, ist schwieriger als man glaubt. Morgen bringt der neueste Chimperator-Zugang sein Debüt-Album raus.

Das Phänomen Weekend zu deuten, ist schwieriger als man glaubt. Der 26-Jährige Christoph Wiegand ist Sozialarbeiter, lebt in Gelsenkirchen und rappt ein kleines bisschen (bis auf eine EP mit Max Miles und ein Gratis-Album 2009 gab es keine Releases). Ach ja, und er hat 160.000 Facebook-Fans und wurde gerade von Chimperator, dem derzeit wohl erfolgreichsten Indie-Label Deutschlands, unter Vertrag genommen.

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Natürlich führt alles zum Videobattleturnier (kurz VBT), dass der lange Schlacks 2011 überlegen gewann. Dank Humor, sauberem Flow und aufgeklebter Ray Ban generierte er regelmäßig siebenstellige Videoklickzahlen. Weekend als „Rap-Rapper“ mit einer so beachtlichen Fanbase ist der beste Beweis dafür, dass es HipHop im Moment mehr als gut geht.

Morgen kommt das Debütalbum Am Wochenende Rapper, das nicht nur unter VBT-Rapnerds mit Spannung erwartet wird. Auch der klassische Raphörer wird sich fragen, ob der Junge aus dem Pott auch auf Albumlänge was draufhat. Wir haben uns mit ihm getroffen und uns selbst vergewissert.

YNTHT: Soll ich die VBT-Fragen zum Anfang, zum Schluss oder lieber erst gar nicht stellen?
Weekend: (lacht) Wie du möchtest. Ich finde es zum Album ganz cool, es kurz zu halten, wobei es schwierig ist, das rauszuhalten. Mach mal, wie du es für richtig hältst.

Das VBT scheint bei den Ex-VBTlern immer ein schwieriges Thema zu sein, wenn sie darauf angesprochen werden.
Ich würde die Frage nur kurz halten, weil gerade mein Album im Mittelpunkt steht. Das VBT ist nun mal seit über ein Jahr vorbei für mich. Aber ich will mich da gar nicht raushalten, da ist schon viel Herzblut dabei, weil es mir viel gebracht hat. Deswegen will ich mich da auch nicht so distanzieren. Ich habe ja auch in der letzten Jury mitgemacht. Ich finde das nach wie vor geil und bereue auch nicht, da mitgemacht zu haben, aber es ist jetzt einfach eine andere Phase.

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Das kann man ein bisschen mit Künstlern vergleichen, die mal einen großen Hit hatten und heute keine Lust haben, darüber zu sprechen.
Der Vergleich passt schon. Ich glaube aber auch, dass es sich nach dem VBT ein bisschen ausdünnt, weil die meisten Leute das Turnier an sich feiern und weniger Fan von dir als Rapper sind.

Hast du dir im Hinblick auf die Albumproduktion Leute wie Fard als Vorbild genommen, der ja den Sprung vom Freestyle-Rapper zum gestandenen Musiker geschafft hat?
Bei Fard hat sich die Musik verändert, da wurde es eher Straße, bei den Freestyle-Battles war es noch etwas witziger. Bei mir war es so, dass ich schon im VBT dazugelernt habe, wie ich mit meinem Humor umgehen will und ich inhaltlich wusste, was auf dem Album passieren soll.

Wie lief dann konkret der Prozess der Albumproduktion ab?
Ich habe mir zwischendurch immer Druck gemacht und gedacht, dass das Album früher rauskommen müsste, aber es ging im Prinzip nicht schneller. Ich habe auch nicht getrödelt, aber letztes Jahr waren wir fast jedes Wochenende unterwegs. Ich habe mir dann aber die Zeit genommen und habe auch Dinge wieder verworfen, wenn mir etwas nicht gefallen hat. Man hätte sicher ein halbes Jahr früher auch ein Album machen können, aber so groß war der Druck auch nicht, als dass ich etwas Halbherziges abgeben hätte können.

Du hast 160.000 Facebook-Fans ohne ein echtes Release rausgebracht zu haben. Da entsteht ja automatisch eine viel größere Erwartungshaltung.
Natürlich, von außen wird viel erwartet. Wenn du als frischer Künstler kommst, hast du nichts zu verlieren, weil dich keiner kennt. Wenn du aber VBT-Videos mit zwei Millionen Klicks hast, dann gucken die Leute schon ganz genau, was mit dem Album geht. Ich glaube, die Sache kann man nicht umgehen.

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Hat dich diese Erwartungshaltung bei der Albumproduktion beeinflusst?
Ich habe damit inhaltlich teilweise gespielt, mit diesem „Ich habe doch nur bei einem Internet-Battleturnier mitgemacht und plötzlich warten alle auf ein Album“. Aber das kommt eher von mir, solche Themen witzig zu verpacken, statt mich gezwungen zu fühlen, so etwas aufgreifen zu müssen.

Du hast ja nur noch eine halbe Stelle bei deinem Beruf als Sozialarbeiter. Wie schafft man denn den Spagat zwischen Interviewmarathon mit den Medien an einem und dem 9-to-5-Job am nächsten Tag?
Das ist wirklich strange. Das sind ja auch zwei komplett unterschiedliche Welten. Als Sozialarbeiter musst du mit Leuten zusammenarbeiten, die das vielleicht gar nicht wollen, aber als Musiker hast du so bisschen eine Sonderstellung, bei der die Leute zu dir kommen wollen. Da kann man sich dann was fürs Selbstbewusstsein abholen. Es ist schon witzig, wenn dich Mittwoch morgens einer anruft und sagt „Kommen Sie mich nicht besuchen, ich habe keinen Bock“ und am Tag davor warst du auf einem Festival und hast vor Tausend Leuten gespielt. Aber es ist cool beides zu haben. Immer nur im Büro zu sitzen würde mich wahrscheinlich langweilen, wenn ich nur die Musik hätte, würde mir ein normaler Job auch fehlen, weil es einfach eine Struktur reinbringt.

Ich frage mich bei Künstlern, die ein Musikerleben führen, ob ihnen nicht manchmal der Bezug zum normalen Leben fehlt. Als Sozialarbeiter hast du den ja im Besonderen. Du willst diese beiden Bereiche aber immer trennen. Warum eigentlich? Könntest du nicht daraus viele Themen schöpfen?
Ich weiß nicht. Wenn ich das mache, dann unterbewusst, dass ich etwa kleine Ideen aufgreife. Aber ich finde sozialkritische Musik zeigt immer mit dem Zeigefinger, und ich finde Zeigefinger sehr langweilig. Umgekehrt will ich das Rapding nicht in meinen Job tragen und irgendwelche Workshops machen, weil mir das den Spaß nehmen würde. Ich finde es gut, dass, wenn mich die eine Welt nervt, ich immer noch in die andere gehen kann.

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Worum geht es thematisch auf dem Album? Mir sind gerade zum Schluss sehr reflektierende Songs aufgefallen.
Der rote Faden auf dem Album bin einfach Ich, auf verschiedenste Arten. Da sind natürlich witzige Songs dabei, aber auch so Sachen wie „Sommer meines Lebens“, die so von den letzten zwei Jahren handeln. Das war eine Zeit, die einfach krass für mich war und mir viel bedeutet hat.

Es ist ja ein sehr hiphopiges Album geworden. War das beabsichtigt?
Ich finde, vor allem gegen Ende der Albumproduktion haben wir schon melodischere Sachen verwendet. Ich wollte am Ende auch nicht, dass eine Hook einfach nur so durchgerappt ist. Ich kann mir vorstellen, dass das bei einem zukünftigen Release einen Tick in die Richtung geht, aber akzentuiert.

Dein neuer Labelkollege Cro könnte dir ja auch eine Hook basteln.
Ich glaube nicht. Ich mag irgendwo das, was er macht, aber ich glaube das würde nicht passen. Sich jemanden für die Hook auf den Song zu holen, entspricht nicht meinem HipHop-Geist. Wenn du mit jemandem zusammen einen Song machst, und der andere eine Hook macht, ist es ok. Bei Macklemore hat mich das zum Beispiel gestört, dass er ein Album gemacht hat, in dem auf jedem Track irgendwer in der Hook ist, der einen Hit aus dem Track macht. Dann finde ich, dass es keine Eigenleistung ist, auch wenn er krass rappt und die Beats super produziert sind. Ich würde mich krass dran stören, wenn der Hooksänger daraus den Hit macht.

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Weil du deine Leistung als Rapper nicht gewürdigt sehen würdest?
Genau, dann würde ich mir denken, alle feiern die Hook von XYZ und die Beats sind auch geil, aber dann kommen zwischendurch leider noch die Parts. Ne, Mann, darauf habe ich keinen Bock.

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