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Watchlist: iLoveMakonnen

Vom Hausarrest in die Schminkschule und dann auf direktem Weg ins OVO-Camp von Drake. ILoveMakonnen und sein spinnert-schöner R&B-Entwurf sind derzeitig einzigartig.

Foto: Taji Ameen

In unserer neuen Rubrik ,Watchlist‘ stellt unser Autor Jan Wehn junge Produzenten vor, die viel zu schade für das Sammelbecken der „To Watch“-Listen sind.

Künstlername: ILoveMakonnen
Echter Name: Makonnen Sheran
Alter: 25
Geburtsort: Los Angeles, Kalifornien
Wohnort: Atlanta, Georgia
Instrumente: Stimme, Keyboard
Größte Hits: „Tuesday“ & „I Don’t Sell Molly No More“
Bester Song: „Sneaky Lady“
Darum sollte man ihn kennen: Hat jahrelang vor sich hingeklimpert, wurde dann von Drake entdeckt und sofort unter Vertrag genommen.
Random Fact: Hat lange als Frisör gearbeitet.

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Selbst vom neutralsten Standpunkt aus betrachtet, ist ILoveMakonnen kein guter Sänger. Seine Stimme klingt meist schief, nölig, ja, bisweilen einfach dünn und erinnert mal an ein Spukgespenst im Stimmbruch, dann wieder an gewolltes aber nicht gekonntes Falsett—und trotzdem kann man dem 25-Jährigen gerade bei einem kometenhaften Aufstieg zusehen. Miley Cyrus ist Fan und Drake, der Makonnen unlängst bei seinem Label OVO unter Vertrag nahm, sowieso.

Dabei hatte Makonnen sein Leben eigentlich ganz anders geplant. Nach der High School will er 2007 zur Air Force. Als er und seine Freunde nach dem Abschluss feiern, kommt es in den frühen Morgenstunden zu einem unglücklichen Vorfall. Einer von Makonnens High School-Freunden fuchtelt mit seiner Handfeuerwaffe herum, Makonnen versucht, ihm die Pistole abzunehmen woraufhin sich ein Schuss löst, der Makonnens Freund in den Kopf trifft. Wenngleich die Polizei den Vorfall zuerst als Unfall einstuft, wird Makonnen wenig später festgenommen und für zwei Jahre unter Hausarrest gestellt. Nun sind zwei Jahre ohne soziale Kontakte außerhalb der eigenen vier Wände wirklich nichts Schönes. Aber die erzieherischen Maßnahmen dürften vor einigen Jahrzehnten durchaus wirksamer gewesen sein als heutzutage, wo jeder Teenager einen Internetzugang besitzt. Denn genau den macht der fußfesseltragende Makonnen sich zu eigen. Es ist 2007 und folglich die Zeit, in der MySpace gerade der heiße Scheiß ist. Makonnen klickt sich durch all die Künstlerprofile von Leuten, die nur darauf warten, einen Plattenvertrag zu bekommen und stößt auf das Profil einer jungen Frau mit dem Namen Adele, die gerade ihren Song „Homecoming“ veröffentlicht hat. Makonnen schreibt ihr „Das ist der beste Song aller Zeiten—hätte ich ein Label, würde ich dich sofort signen.“

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Natürlich hat Makonnen kein Label, sondern nur einen alten Computer, viel Zeit und keine Scheu, aufstrebende Künstler auszufragen. Auf seinem Blog interviewed er Rapper Lil B und R'n'B-Sänger Miguel—lange bevor beide berühmt werden. Er spricht aber auch mit Models, DJs und Fashiondesignern. Makonnen sitzt vielleicht zuhause an seinem Schreibtisch, aber letzten Endes sind da keine Grenzen mehr. Als er 2009 mit vierjähriger Bewährung wieder auf freien Fuß gelangt, wird er Teil der Phantom Posse, einem in New York gegründeten Online-Kollaborationsprojekt von Musikern aus allen Ecken des Landes, deren Stücke auf auf dem gemeinsamen Album Seperate Ways zwischen psychedelischem Krautrock, bekifftem Chillwave und straightem R'n'B wandeln.

Es ist genau das Projekt, was Makonnen braucht, um sein ohnehin schon scheuklappenlose Kunst voranzutreiben. Wenngleich Makonnen sich an einer Schminkschule einschreibt, macht er weiterhin Musik, die mal an den jungen Elton John erinnert, dann an Großraumdisco oder aktuelle Indie-Schmindie-Musik erinnern. In den Videos montiert Makonnen Aufnahmen aus der Kosmetikschule mit Bildern von Wochenendausflügen im ganzen Land. Immer dabei: Ein rothaariger Mannequin-Puppenkopf namens Martha, den er seit seiner Zeit an der Schminkschule als Markenzeichen mit sich herumträgt. Und so schräg wie Makonnens geisterhafte Stimme schon auf diesen Aufnahmen tönt, so schräg sind auch das Auftreten und die Musik des 25-Jährigen. Ein kleiner gedrungener Typ mit ondulierten Löckchen und fiesem Grinsen im Gesicht, der sich in Batik-Shirts in Übergröße und glänzende Trilobalanzüge quetscht und darüberhinaus noch Musik macht, die sich partout nicht aktuellen HipHop- oder R'n'B-Strömungen zuordnen lässt. Denn wenngleich Makonnen in den zwei Jahren seines Hausarrests über das Internet mit der Außenwelt verbunden war, konnte er doch viel selbstbestimmter aussuchen, welche Einflüsse er eigentlich an sich ranlassen wollte.

Genau das hat ILoveMakonnen sich zu eigen gemacht. Bis heute. Sowohl „I Don’t Sell Molly No More“ und „Club Goin’ Up On A Tuesday“, die ILoveMakonnen große Aufmerksamkeit und seinen Deal mit OVO einbrachten, klangen eigen und hatten so gar nichts gemein mit dem zugedröhnten Auto-Tune-Genöle eines Future oder Young Thug. In Makonnens Musik fließt alles zusammen: Die unbeschwerte Zeit in L.A., das Aufwachsen zu Gucci Mane und Young Jeezy in Atlanta, das isolierte Cratedigging und die Inspiration durch ähnlich motivierte Freigeister wie Lil B resultieren in einer anschließenden Unbeschwertheit im Umgang mit der Musik. All das verschmilzt zu einer gleichermaßen flamboyanten wie reduzierten, augenzwinkernden aber auch ernsten Eigenartigkeit—schräg, bisweilen auch schief und letzten Endes doch sehr schön.

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