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Tôg machen kitschige Musik cool

Tôg-Frontmann Lars Christian Olsen zelebriert das Leben. Und übrigens: Seine Band hat schon lange aufgehört, Horror House Pop zu machen.

Foto: Tonje Thilesen

Tôg gehört zu der Sorte Bands, die man problemlos hören kann, ohne auch nur ein einziges Wort ihrer Texte verstehen zu müssen. Nicht, dass die Texte nicht gut wären, aber gerade beim Publikum, das kein Norwegisch versteht, sorgt Tôgs Musik in erster Linie dafür, dass man bereits nach ein paar Minuten gute Laune und eine unverdrossene Lust zu tanzen verspürt, anstatt zu versuchen, die sprachliche Barriere zu überwinden. Mit seiner Band hat sich Tôg-Frontmann Lars Christian Olsen den Pop-Sound der Zukunft zusammengebastelt. Futuristic Disco pur. Und trotzdem finden die Norweger ihre Inspiration in der Vergangenheit, der 60er Boogie- und Discoszene, und verpassen dem Ganzen unter anderem mit elektronischen Orgeln und Perkussionen einen frischen, funkigen Touch. In ihrer Heimatstadt Stavanger kennt sie mittlerweile jeder, in ihrem Heimatland liefen ihre Hits im Radio rauf und runter. Jetzt erscheint ihr zweites Album, Feiring, auf Deutsch „Feier“. Frontmann Lars Christian Olsen zelebriert nämlich das Leben.

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Noisey: Norwegen ist für seine harte Black Metal-Szene bekannt. Damit hat euer Sound ja mal gar nichts zu tun.
Lars: Oslo hat ja auch eine riesen Disco-Szene. Damals habe ich einem Freund beigebracht, wie man auf einem Mac mit GarageBand einen Song macht. Was dabei rauskam, war so etwas wie Art Garage-Rock meets House und Disco. Dieser eine Song war der Grundstein unseres Sounds. Danach habe ich vier Jungs kennengelernt, die wirklich wussten, wie man Disco spielt. Und schon hatten wir unsere Band mit eigenem Sound.

Aber dieser Sound hat sich seitdem bestimmt noch weiterentwickelt, oder?
Absolut. Ich habe über die Jahre sehr viel Musik entdeckt. Post-Punk hatte zum Beispiel einen wahnsinnigen Einfluss auf unser letztes Album, davon hört man sogar noch was auf unserer neuen Platte. Ich habe auch Boogie, Space Disco und viel House für mich entdeckt. Vor Tôg war ich kein großer Disco-Fan. Die Leidenschaft kam erst mit der Band und durch das Entdecken von so viel Musik, die neu für mich war.

Kannst du konkret sagen, welche Entdeckungen Tôgs Sound beeinflusst haben?
Am Anfang haben wir sehr viel ESG, Liquid Liquid und LCD Soundsystem gehört. Eigentlich hat so gut wie jeder Künstler auf DFA Records unseren Sound beeinflusst. Eric Broucek, einer der DFA-Mitglieder und LCD Soundsystem-Member hat sogar unser neues Album gemischt. Diese Musik war also schon immer sehr nah an dem dran, was wir machen und hat uns immer schon inspiriert.

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Ich habe gelesen, dass euer Genre auch „Horror-House-Pop“ genannt wird. Was zur Hölle ist das?
Oh Mann, so wurde unser Sound mal in einem alten Presse-Release beschrieben, um irgendwie zu erklären, was für Musik wir machen. Damals haben wir noch Sound-Elemente von alten Horrorfilmen in unsere Songs eingebaut. Wir wollten, dass Leute unsere Musik damit assoziieren und haben das deshalb in unsere erste Pressemitteilung geschrieben. Das ist bei vielen Leuten einfach hängengeblieben. Aber die Beschreibung ist mittlerweile alles andere als akkurat.

Wie nennt ihr euren Genre dann?
Keine Ahnung. Einerseits ist es langweilig, es Disco-House zu nennen. Andererseits ist es die einfachste Art, um es anderen Leuten zu beschreiben.

Du hast mal behauptet, kitschige Musik cool machen zu wollen. Wie macht man das?
Manchmal machen wir einfach einen Song, der kitschig klingt. Aber weißt du, selbst wenn das Risiko besteht, dass ein Hörer unsere Musik als kitschig abstempelt, verändern wir nichts am Track. Sollte irgendein Element unserer Musik wirklich kitschig rüberkommen, wird es ein anderes Element geben, das alles wieder ausgleicht. Nimm das Beispiel Disco und Funk, das sind Genres mit viel Herz, mit einem deutlichen kitschigen Aspekt, zu denen man aber gleichzeitg richtig gut grooven kann, was das coole da dran ist.

Kannst du mir ein Beispiel von Musik geben, die für dich kitschig klang und dann cool wurde?
Definitiv Boogie. Boogie hat mir einfach so krass die Augen geöffnet. Ich habe mich gefragt, ob dieses Genre überhaupt so klingen darf, wie es klingt. Für mich hat Boogie immer all das repräsentiert, was ich in meiner Musik nie machen wollte. Am Ende fand ich es aber trotzdem richtig cool und habe mich davon inspirieren lassen.

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Mit eurem ersten Album Drøm seid ihr durch die USA getourt. Ganz schöne Leistung für ein paar unbekannte Jungs aus Skandinavien.
Das hatten wir einer Agentin zu verdanken, die uns 2010 zufällig bei einer Show in Oslo gesehen hatte. Sie mochte unsere Musik und hat gefragt, ob wir nicht Lust hätten, in die USA zu kommen. Am Ende sind wir bei einem Club-Festival in New York und beim South By South West aufgetreten. Es war wirklich interessant, Feedback vor Ort zu bekommen. Man konnte dem Publikum ansehen, dass sie einerseits dachten „Was zur Hölle singen die da?“ und andererseits einfach drauf losgetanzt haben. Es war eine wirklich coole Erfahrung.

Was macht man beim zweiten Album anders?
Beim ersten Album sammelt man unglaublich viel an Erfahrung, die man im besten Falle für die zweite Platte nutzt. Das habe ich getan. Außerdem haben wir jetzt Möglichkeiten, die wir vorher nicht hatten. Zum Beispiel habe ich viele Songs mit Ådne Meisfjord von der Techno-Band 120 Days schreiben und aufnehmen können. Dazu haben wir das zweite Album so gut wie komplett selbst aufgenommen. Für unser erstes Album mussten wir viele Songs in einem Proberaum bearbeiten, für dieses Album konnten wir aber den größten Teil im Studio aufnehmen, weil wir endlich die Studio-Sessions bezahlen konnten. Für unsere erste Platte war das noch zu teuer.

Es gibt also einige Dinge, die bei der ersten Platte anders hätten laufen sollen.
Ja. Ich hätte auch mehr Zeit damit verbringen sollen, Lyrics zu schreiben und umzuschreiben. Das wird den deutschen Fans aber wahrscheinlich egal sein, von denen werden wohl die wenigsten Norwegisch verstehen.

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Aber ich bin mir sicher, dass sie die Lyrics gerne verstehen würden. Singst du vielleicht irgendwann mal auf Englisch?
Ich habe früher auf Englisch geschrieben. Das Problem ist nur: Wenn ich auf Englisch schreibe, muss ich mit den Lyrics glücklich sein, das bin ich aber meistens nicht. Ich wusste, dass ich nicht einfach irgendeine Scheiße auf Norwegisch schreiben kann, also habe ich mir viel Zeit genommen, um zu lernen, wie man gute Songs schreibt. Mal sehen, ob ich jemals zuversichtlich genug bin, das auch auf Englisch zu tun.

Für diejenigen, die kein Norwegisch verstehen: Worum geht es auf dem neuen Album?
Unser Album heißt Feiring, das bedeutet so viel wie Party. Die Songs auf dem Album erzählen von verschiedenen Erfolgsgeschichten, die ich erlebt habe. Außerdem beschäftigt sich das Album auch mit Fragen wie, „Was soll ich mit Mitte 20 aus meinem Leben machen?“ oder „War die Berufswahl, die ich getroffen habe, die richtige und kann ich davon leben?". Die Frage muss ich mir selber oft stellen. Andere Songs behandeln Themen wie Trennung, und natürlich feiern.

Was gibt es denn zu feiern?
Einfach das Leben im Allgemeinen. Menschen vergessen oft, einfach nur ihr Leben zu feiern, und versuchen, dem zu entkommen und eher Zeit damit zu verbringen, sich zu langweilen.

Langweilst du dich nicht?
Nein. Ich lebe einfach ein unglaublich aufregendes Leben, weil ich so viele interessante Menschen treffe und ein Teil ihres Lebens sein darf. Menschen, die eure Leser vielleicht richtig cool finden würden, aber auch welche, die ziemlich uncool rüberkommen könnten. Die Bandbreite ist enorm. Ich treffe jeden Tag alle möglichen Leute: jung, alt, Migranten, Obdachlose. Ich arbeite ab und zu in einer Entzugsklinik, um dort Alkohol- und Drogenkranke zu unterstützen.

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Würdest du damit weitermachen, wenn du morgen mit der Musik aufhören müsstest?
Ich würde auf jeden Fall dafür kämpfen, dass Menschen schneller an Jobs kommen. Ich studiere gerade Wirtschaft und mein Hauptziel ist es, Unternehmen zu gründen, die Jobs schaffen um damit so viele Menschen wie möglich mit Arbeit zu versorgen.

In einem Interview hast du mal erklärt, dass du das Leben als Musiker oft skeptisch siehst, vor allem wenn es darum geht, davon zu leben. Siehst du das noch immer so?
Wenn Menschen einen Traum haben und diesen verfolgen, sehe ich das nie skeptisch. Ich habe nur manchmal das Gefühl, viele beschränken sich auf den Gedanken „Ich mache Musik und nichts anderes“. So sehe ich das nicht: Ich wäre genauso froh darüber, in meinem Leben etwas anderes zu machen. Ich habe in der Heilsarmee mit Obdachlosen gearbeitet, arbeite neben der Musik in einer Entzugsklinik. Versteh mich nicht falsch: Ich liebe Musik und bin davon überzeugt, dass ich dafür bestimmt bin. Aber ich hätte kein Problem damit, etwas komplett anderes zu machen. Man sollte sich seine Optionen im Leben immer offen halten.

Tôgs Album Feiring bekommt ihr bei Amazon, iTunes und Spotify

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