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You Need to Hear This

Kulturkritik mit The/Das

Wenn man The/Das trifft, muss man mal kurz klären, was jetzt mit Bodi Bill ist, um sich dann der Zukunft zu widmen: der Rettung der Musik.

Alle Fotos © Jan Kapitän | VICE

„Manchmal habe ich das Gefühl, Musik ist das, was hier im Raum ist“, sagt Fabian Fenk und wischt mit der Hand um sich in das Studio, in dem wir sitzen. „Wenn wir hier proben, bekommen wir ein Gefühl davon, was Musik sein könnte. Vielleicht auch, wenn du mal in die Philharmonie gehst oder ein sehr gutes Konzert erlebst. Natürlich ist Musik auch das, was ich mir selbst ausmale, wenn ich sie durch diese kleinen Boxen in mein Ohr transportiere. Aber viele Leute setzen mittlerweile Musik gleich mit Image, mit einem Bild, damit, was andere über die Musik sagen. Und das ist total schade, weil Musik ja einen Sinn anspricht. Musik ist ja fast eine Religion, sie hat auf jeden Fall religiöse Kraft. Dass Musik diese Wirkung entfalten kann, ist gar nicht mehr vorgesehen. Und das hat die Musik total verändert.“

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Fast zwei Stunden verbringe ich an diesem Tag mit Fabian und seinem Bandkollegen Anton Feist, zusammen The/Das, die Nachfolgeband von Bodi Bill. Wir unterhalten uns fröhlich, entspannt, locker und landen darüber immer wieder bei sehr ernsten Themen: Kulturkritik. Zum Beispiel wie Menschen im Jahr 2014 Musik wahrnehmen und, ja, konsumieren.

Fabian: „Das ist, als ob man sich nur noch von Fast Food ernährt. Wenn man nie kocht. Wenn man nie frisches Obst isst. Oder wenn man nur noch Backwaren beim Back Stopp isst und nie zu einem geilen Ostberliner Bäcker geht, um sich einen Pfannkuchen zu holen. Es schmeckt alles, aber das eigentliche Gefühl, das gutes Essen in dir auslöst, geht vollkommen verloren.“

Vom ersten Moment fühlt sich dieses Treffen an wie ein Gespräch unter alten Freunden. Zumindest für mich. Aber wir sind keine alten Freunde. Ich habe zwar vor sehr langer Zeit schon mal ein Interview mit Fabian gemacht, aber das war halt ein Interview und ich finde ziemlich schnell heraus, dass er sich daran nicht mehr erinnern kann. Trotzdem begleitet mich die Musik—bzw. die der Vorgängerband Bodi Bill—schon seit 2007 und genau so lang beobachte ich, was mit der Band und um die Band herum geschieht. Außerdem habe ich kaum eine Band in meinem Leben so häufig live gesehen. Vielleicht daher die Vertrautheit, die sich aus meinem Gefühl, die Jungs seit Jahren zu kennen, auf uns drei ausweitet.

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Vielleicht entsteht sie auch, weil wir uns auf eine Art ähnlich sind—irgendwie als Teil und irgendwie doch auch mit einer gewissen Distanz zu dieser aufgedrehten Berliner Musikszene, in der wir arbeiten und halt auch leben. Alle drei sind nicht mehr Anfang zwanzig und daher auch mit der Erfahrung, dass nicht alle Träume aufgehen und Scheitern Teil des Lebens ist. Zugleich in einer Lebensphase, in der man eben auch weiß, was man kann, was man will und in der man bestenfalls regelmäßig merkt, warum man etwas Bestimmtes tut. Zum Beispiel Musik machen. Oder darüber schreiben.

Vielleicht bin ich auch einfach nur etwas emotional.

Dabei besteht dazu gar kein Anlass. Fabian und Anton heißen mich herzlich willkommen in ihrem Weddinger Studio, das die Etage über dem Büro ihres Labels Sinnbus belegt, wo eine ebenso herzliche Stimmung herrscht. Das Studio sieht aus wie ein Spielplatz für Analog-Enthusiasten—alte Synthesizer, ein Klavier, mehr als ein Drum-Set, Gitarren und ein sehr großes Mischpult bilden ein Labyrinth, durch das wir auf die Couch gelangen. Fabian verschwindet in der Küche und kommt mit Tee und Nuss-Schokolade wieder. Ich spreche ihn auf seine erblondeten Haare an, weil ich das Gefühl habe, dass ein 90er Trend wieder erwacht (Stichpunkt: Bilderbuch), aber Fabian beruhigt mich. „Das war nur für das Video zu ‚Made Up My Spook’. Ich habe noch nie vorher meine Haare gefärbt. Aber ich dachte wegen Indien, ich wollte einfach einen Gegensatz zu den Leuten bilden—und das hat voll funktioniert.“

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Das hat es durchaus. Fabian läuft in dem Video durch Mumbai, trifft auf Menschen, steht am Strand, tanzt—aber nur ein bisschen, denn er wollte unbedingt den Eindruck vermeiden, eine Mumbai-Version von Pharrells „Happy“ zu machen. Viel wichtiger war ihm, die krassen Gegensätze einer solchen Stadt darzustellen und mit den Leuten in Kontakt zu kommen—beides eben auch, indem er selbst einen krassen Gegensatz zu den ihn umgebenden Leuten bildete. „Du fällst da halt auf als Ausländer, wenn du blond bist noch mehr. Daher die Entscheidung: Es ist leichter in Kontakt zu kommen, als wenn du dich versteckst.“

An einem Thema kommt man trotz all der neuen Musik nicht vorbei, daher spreche ich es direkt an: die Vorgängerband. The/Das sind zwei Drittel von Bodi Bill, die jetzt, dreieinhalb Jahre dem letzten Bodi Bill-Album ein Debütalbum mit dem Namens Freezer als The/Das veröffentlichen, also neu anfangen. Oder?

Fabian: „Für jemanden, der Country oder Rock mag, ist das wahrscheinlich alles das gleiche Gewäsch, egal, ob eine Bodi Bill-Platte oder eine von The/Das. Aber für uns war es wichtig und natürlich, dass diese Zeit vergangen ist. Nur so konnten auch die Stücke entstehen.“

Ich sehe es noch etwas differenzierter: Selbst für jemanden, der nicht nur Country und Rock hört und Bodi Bill vom ersten Album an begleitet hat, klingt Freezer, das Debütalbum von The/Das, der Ex-Band auf den ersten Eindruck sehr ähnlich. Das liegt einfach an Fabians charakteristischem Gesang und eben an dem grundsätzlich elektronischen Stil der beiden. Aber je länger man sich mit dem Album beschäftigt, desto offensichtlicher werden die Unterschiede, wie im Song „Receiver“, der wirklich nur noch entfernt an Bodi Bill erinnert. Oder „This Place“, dieser grandios düstere 80s-Hymne.

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Eine Entwicklung, die sich erst so richtig erschließt, wenn man Freezer etwas Zeit einräumt, damit es einem einen Blick hinter die Oberfläche, die Ex-Bodi-Bill-Kulisse gewährt: Immer wieder nehmen The/Das sich außergewöhnlich viel Raum, ihre Tracks zu entwickeln. Schon das doch eher direkte, sehr hit-taugliche „Miami Waters“—in der Video-Version auf 4.40 Minuten gekürzt—bekommt auf dem Album ganze sieben Minuten Raum, um am Ende einen starken Twist ausleben zu können, und sich nochmal komplett zu drehen. „Freezer“—Titeltrack und das letzte Stück auf dem Album—lässt sich gar neun Minuten Zeit, um den Hörer auf eine akustische Reise mitzunehmen.

Also auf den zweiten Eindruck doch eine deutliche Emanzipation von Bodi Bill—wobei die Frage bleibt, was die Gründe sind, sich auf mehr oder weniger auf dem Höhepunkt einer Bandkarriere aufzulösen.

Anton: „Mittlerweile glaube ich auch, dass es ein absolutes Wunder ist, wenn mehrere Leute über Jahre zusammenbleiben. Entweder ein Wunder, oder die zwingen sich. Depeche Mode zum Beispiel haben sich gezwungen.“

Es muss also einen Bruch in der Dreierbeziehung gegeben haben. Dabei beharren Anton und Fabian glaubhaft darauf, dass es keinen Streit mit Alex Stolze, dem dritten Bodi Bill-Mitglied gegeben hat, oder sie sich „krass auseinandergelebt hätten“. „Zu zweit ist alles anders—bei drei Leuten gibt es immer dieselbe Gruppendynamik, zwei Meinungen, eine Meinung. Oder sogar drei Meinungen. Und jetzt haben wir zwei Meinungen“, lacht Fabian. Eine gemeinsame Meinung scheinen die beiden in Bezug darauf zu haben, dass sie ihrer Musik Raum schaffen müssen, sie nicht auf die 3-Minuten-30-Popsong-Länge beschränken dürfen. Und das sie trotzdem Hits basteln können, wie eben „Miami Waters“.

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Das Video ist die perfekte Ergänzung dazu. Es funktioniert wie eine Foto-Ausstellung in einer Galerie, statische Einstellungen werden aneinander gereiht, jedes einzelne Bild in einer Qualität und Ästhetik, dass man es sich an die Wand hängen möchte. Fabian und Anton darin genauso, wie man sie von der Bühne kennt—oder im direkten Aufeinandertreffen: Anton, der ernstere, zurückhaltendere, der aber genau weiß, was er will. Alles, was er sagt, ist durchdacht, jede Bewegung überlegt. Dagegen Fabian, der eher aufgedrehte, verspielte, von dem im Video erst gar nichts zu sehen ist, und dann jede Menge kleine Albernheiten: mit Hüten, mit Steinen, mit Schatten, mit Wasser.

Mehr Natürlichkeit kann man in einem Musikvideo nicht bekommen. The/Das scheißen auf’s Image, zeigen sich nach außen so, wie sie sind. Lassen ihre Musik sprechen. Und schaffen sich dadurch wieder ein Image.

Dabei hat man von außen den Eindruck, dass diese beiden durchaus verschiedenen Typen sich perfekt ergänzen. Dass das auch musikalisch der Fall ist. Doch auch in Bezug auf ihre musikalische Ähnlichkeiten begegnen sie dem Klischee mit fast ungeschönter Ehrlichkeit.

Anton: Wenn wir uns vier Jahre nicht sehen würden, ich glaube ich würde dann Gabba machen und er hier Funk oder so.
Fabian: Das würde aber bedeuten, dass du eigentlich Gabba bist.
Anton: Ja, das kann ja sein. Aber das wird dann unterdrückt. Ich arbeite ja musikalisch für das Projekt (lacht).

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Das Projekt zählt und das Projekt ist nun Freezer, das Debüt der neuen Band. Ein Album, das man sich unbedingt anhören, und dem man etwas Zeit einräumen sollte: Kein Fast Food-Produkt, dass dich kurzzeitig sättigt, sondern eine hochwertige Speise, liebevoll zubereitet, nahrhaft, aber niemals sättigend. Besorgt euch gute Lautsprecher und nehmt euch Zeit. Tanzen dürft ihr auch.

Das Debütalbum Freezer von The/Das erscheint am 15.08. bei Sinnbus. Bestellt es direkt beim Label auf CD oder Vinyl oder digital bei iTunes.

Zum Release geben The/Das ebenfalls am 15.08. im Berliner Prince Charles ein Konzert, mehr Infos hier, Ticket für die Show könnt ihr hier kaufen.

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