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The Child of Lov bewegt sich am Limit

Der Einserschüler The Child Of Lov hat seine akademische Laufbahn gegen eine musikalische eingetauscht, als er MF DOOM kennenlernte. Verständlich, oder?

Einserschüler Cole Williams ist in einer der schlechteren Gegenden Amsterdams bei seiner Mutter aufgewachsen. Nach seinem Literatur-Studium hat der 24-jährige den MF Doom-Manager Trey Reames kennengelernt und ist mit ihm, Damon Albarn und Doom auf musikalische Entdeckungsreise gegangen. Dabei war der schwerkranke Musiker immer an den Grenzen seiner Kräfte. Trotzdem oder gerade deswegen kam ein Album zustande, das locker mit Outkast, Gnarls Barkley oder seinem großen Vorbild Stevie Wonder in einer Liga spielen kann.

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Bist du zum ersten Mal in Berlin?
Ja, absolut.

Wo ist der Unterschied zu Amsterdam, wo du ja lebst?
Die Straßen in Amsterdam sind viel kleiner als hier. Die sind ja riesig hier. Und es gibt keine Polizei. Du kannst machen, was du willst. Ich muss sagen, ich fühle mich sicherer ohne sie. Ich kann darauf verzichten.

Bist du auch in Amsterdam aufgewachsen?
Ja, die Stadt hat einen Platz in meinem Herzen. Ich komme aus einer sehr armen Gegend in Amsterdam. Dort bin ich bei meiner Mutter aufgewachsen. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich noch ganz klein war. Die Nachbarschaft, in der wir gelebt haben, war sehr arm, gleichzeitig aber total urban. Dass die Leute dort so anders lebten als in anderen Gegenden, habe ich erst später gemerkt. In der Schule bekommst du dann mit, dass andere Kinder im Januar Ski fahren, im Sommer am Strand rumhängen und du einfach das ganze Jahr zuhause bleibst und mit deinen Freunden auf der Straße abhängst. Da merkst du dann schon, dass bei denen was anders läuft.

Wie war‘s denn sonst in der Schule?
Ich war echt gut in der Schule. Ich bin danach auch auf die Uni gegangen. Ich habe sogar in der Grundschule eine Klasse übersprungen, so ein Typ bin ich.

Was hast du dann studiert?
Literatur. Ich habe meinen Bachelor gemacht und dann habe ich Trey kennengelernt und wurde gesigned. Ich hätte auch noch meinen Master machen können, aber ich hatte nicht mehr so viel Lust auf die Uni. Das war einfach nicht der richtige Ort für mich. Ich mag Literatur und die Themen immer noch, aber das ganze Bildungssystem…da habe ich mich nie richtig zuhause gefühlt, weil es so fern vom echten Leben war.

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Was hat dich dann inspiriert, Musik zu machen?
Meine Mutter hatte eine Platte von Stevie Wonder. Sie hat eigentlich immer nur Simon & Garfunkel und die Beatles gehört, aber sie hatte auch diese Greatest Hits-Platte von Stevie Wonder, die ich schon als kleines Kind immer gehört habe. Stevie Wonder macht Musik, die poppig genug ist, um auch bei weißen Leuten aus der Mittelschicht gut anzukommen. Gleichzeitig ist er aber auch soulig genug, um das anspruchsvolle Musikkenner-Publikum anzusprechen. Ich war sechs oder sieben, als ich anfing, die Platte zu hören und dann habe ich auch den Unterschied zu den Sachen erkannt, die ich sonst hauptsächlich bei meiner Mutter gehört habe. Aber auch D‘Angelo, James Brown und so Kram haben mich total geprägt. Otis Reading ist auch super, seine Stimme ist so toll und er war erst 26, als er starb. Er hat also, als er so alt war wie ich jetzt, Musik gemacht, bei der seine Stimme klang wie bei einem 60-Jährigen.

Und was hörst du heute für Musik?
Viel Jai Paul. Ich finde, er macht die beste Musik seit langer Zeit. Ich bin aber nicht so ein Musik-Nerd, ich checke nicht den ganzen Tag lang die neueste Musik oder so. Kendrick Lamar ist super, finde ich. Und Joey Bada$$…

Wann hast du angefangen, selbst Musik zu machen?
Ich war 13 oder so und habe angefangen, am Computer zu produzieren. Wir hatten auch ein Klavier in der Wohnung, aber das war eher ein Möbelstück. Meine Mutter hat früher mal gespielt, aber irgendwann stand das Ding dann nur noch rum. Ich hatte mit acht mal Klavierstunden, bin aber nicht so gut. Trotzdem arbeite ich teilweise damit. Meine Mutter hat mir auch mal eine Second Hand-Gitarre gekauft und ich habe mich so richtig rockstarmäßig gefühlt. Das alles kam an irgendeinem Punkt dann zusammen. Ich habe Beats gemacht und dann immer mal ausprobiert, Klavier und Gitarre reinzubringen. So hat das angefangen.

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Und dann hast du Trey kennen gelernt.
Ja. Wir haben uns getroffen und über Musik und Künstler gesprochen. Ich habe ihm erzählt, dass ich auch Musik mache und er wollte es hören. Einige Tracks vom Album waren zu dem Zeitpunkt schon fertig, die hat er sich dann angehört und fand sie super. Über ihn kam dann auch die Connection zu MF DOOM, Thundercat und Damon Albarn und wir haben alle zusammen das Album fertiggestellt. Ich arbeite total gerne Stück für Stück. Ich habe keine Idee für ein ganzes Album, einen roten Faden oder so was. Ich habe einen Beat im Kopf und dann kommen mal eben die Vocals drüber und die Melodie. So entsteht das Schritt für Schritt und wenn‘s sich gut anfühlt, höre ich auf.

War es für dich als Niemand nicht der Wahnsinn mit Doom zu arbeiten? Ich hätte den ganzen Tag geheult vor Glück.
Doom ist in meiner Rapper-Top-3. Seine Musik ist so besonders. Es war der Wahnsinn, ihn nur zu treffen, ohne Maske! Ich habe seine Musik so viel gehört, auch Madlib und J Dilla, aber Doom war einfach der Wahnsinn. In meinem Kopf sind es immer noch zwei verschiedene Personen: Auf der einen Seite der Hardstyle-Typ am Mikrofon und auf der anderen Seite der freundliche, coole Typ. Das ist total seltsam, es war ja doch der gleiche Typ.

Hast du dir an seinem Masken-Ding ein Beispiel genommen? Bis vor kurzem wusste niemand, wie du aussiehst oder wer du bist.
Ich wollte nur die Musik zuerst wirken lassen, es war nie geplant, das länger aufrecht zu erhalten, wie Doom oder Daft Punk. Ich glaube, dass Musik und Entertainment heute sehr visuell abläuft und das sollte so nicht sein. Bilder sollten schon benutzt werden, aber man sollte sich auch mal Gedanken darüber machen. Zum Beispiel bei Jimi Hendrix ist das perfekt geschehen: Die Leute wissen, wie er aussieht und das funktioniert auch total gut, trotzdem ist seine Musik nicht weniger wichtig. Da gibt‘s eine gute Balance. Es ist also schon gut, Bilder zu nutzen, aber ich wollte den Leuten erst ein paar Songs zeigen, bevor sie ein Gesicht dazu bekommen.

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Du warst ja neulich bei den NME Awards, wo ja eigentlich nur Indie-Rock-Bands rumlaufen. Wie war der Abend für dich?
Das stimmt. Alle hatten Lederjackenuniformen und ihre Haare waren ungemacht. Aber es war ein super Abend und ich habe dann ja auch den Newcomer-Award gewonnen. Ich bin so dankbar, das ist was ganz Besonderes. Es war ein witziger Abend. Ich habe auf der Afterparty Frank Ocean kennengelernt. Das war total cool, ein echt cooler Typ. Der NME hat mich von Anfang an unterstützt, auch als ich keine Fotos von mir zeigen wollte. Sie haben dann ein Foto von der Hälfte meines Gesichts gedruckt. Für die ging es wirklich nur um die Musik.

Im letzten NME war eine riesige Story über dich. Darin ging es auch um deine Gesundheit.
Ja, das ist wahr. Ich habe mein ganzes Leben über viel zu viele Krankenhäuser von innen gesehen. Im Moment bin ich froh, am Leben zu sein und die Aufnahmen fertig zu haben. Es geht mir gut mit dem, was ich mache, auch wenn ich nie weiß, wie lange es noch so gut weitergeht, wie gerade.

Du spielst ja auch einige Konzerte dieses Jahr, unter anderem auf dem Glastonbury.
Ja, ich bin gespannt. Ich habe meine Band schon getroffen. Ich wünsche mir, dass das eine Riesenparty auf der Bühne wird, mit ganz vielen Leuten und Tänzerinnen und Backgroundsängerinnen.

Auch um davon abzulenken, dass du selbst nicht so fit bist?
Ich hoffe, dass das nicht notwendig sein muss, aber im Notfall vielleicht, ja. Wir haben auch schon zusammen geprobt. Ich freue mich und bin total gespannt. Wir haben so einen genialen Drummer, ein bisschen wie eine Zirkusattraktion.

Du hast ja nicht nur das The Child of Lov-Album aufgenommen, das am 3. Mai erscheint, sondern ein ganzes Triple-Album.
Ja, Light Oxygen Voltage, dafür steht auch das Lov. Das stammt aus der Biologie und ich finde das alles total interessant. Nach den drei Begriffen haben wir dann drei Teile des riesigen Albums katagorisiert. Songs, die für mich thematisch zu einem der Themen passten, kamen dann auf das jeweilige Teilalbum. Und The Child of Lov ist eine Art Best of dieses Triple-Albums. Ich fand es interessant, ein Album zu produzieren, das am Anfang so ungeplant und Step-by-Step entstanden ist und sich am Ende doch so klar kategorisieren lässt.

The Child of Lov ist bei Double Six Records erschienen, kauft es hier.

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