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Pional hasst schlechten Sound und liebt John Talabot

Pional ist Teil der neuen Discohouse-Elite Spaniens, ein herausragender Produzent und auf dem Sprung zum weltweiten Popstar. Wir haben ihn zum langen Gespräch getroffen.

Foto: Raymond van Mil

Spanien—Land des Fußballs, des Sangrias, des Schinkens. Land der warmen Nächte, der weiten Strände, des aufbrausenden Temperaments. Eher nicht das Land, das man zuerst mit einer ausgeprägten oder gar hochklassigen Clubkultur verbindet—lässt man mal die mehrstöckigen Touristenmagneten in Ibiza beiseite, die dank astronomischer Gagen wenigstens teilweise durchaus mit ihrem Booking beeindrucken können. Aber auch hier geben nicht die spanischen DJs den Ton an, sondern in erster Linie die britischen und deutschen. Doch seit ein paar Jahren tut sich in Spanien etwas, vor allem wegen zweier Personen: John Talabot und Pional.

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Faceless Disco

Talabot war zuerst da. Ein selbst erschaffener Mythos, durch einen einfachen, uralten Trick: Er zeigt sein Gesicht nicht. Allerdings gleicht er das nicht—wie so viele Musiker—mit einer Maske aus, sondern hält sich einfach konsequent im Hintergrund: auf der Bühne im Dunkeln, auf Pressebildern hinter einer Alumaske, woanders nicht vorhanden. Er begann seine Karriere beim Münchner Disco-Label Permanent Vacation, die perfekte Heimat für seinen Sound. Ähnlich ist es bei Pional: auch er hält sich mit Pressebildern zurück—es gibt jedoch welche—möchte bei Interviews nicht fotografiert werden uns lässt sich auf der Bühne bewusst von hinten anstrahlen, damit die Leute sein Gesicht nicht erkennen.

Bei Talabot ist das ein Prinzip—wie damals als der Techno in düsteren Kellerclubs entstand und es egal war, wer hinterm DJ Pult stand oder wer den Track produziert hatte. Es ging um die Musik, nicht die Akteure, Faceless Techno war eine Maxime. Heute, wo DJs zu riesigen Stars und Marketing-Maschinen aufgeblasen werden, ist die Vermarktung des Gesichts fast wichtiger als die Musik. Leute wie Redshape, Burial oder Talabot stellen sich dieser Bewegung bewusst entgegen. Nicht so Pional. Er ist einfach schüchtern: „Ich mag keine Fotos, ganz einfach, weil ich keine Lust habe, dafür zu posen.“

Vielleicht war es vor dem Hintergrund gut für ihn, zu Beginn seiner Karriere erst einmal im Schatten von John Talabot zu stehen. Er produzierte das Album seines Freundes, fIN, schrieb gemeinsam mit ihm zwei Songs—„Destiny“ und „So Will Be Now“—und begleitete ihn auf die anschließende Tour um die ganze Welt. Die perfekte Blaupause für seine nun Fahrt aufnehmende eigene Karriere.

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Männerfreundschaft

Es gibt den Spruch, dass es wahre Liebe nur zwischen zwei Männern geben kann. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber diese wahre, freundschaftliche Liebe zwischen zwei Männern existiert auf jeden Fall. Hört man Pional von seinem Freund John Talabot sprechen, spürt man sofort, wie ehrlich die Zuneigung ist. Er gerät sofort ins Schwärmen: „Ich habe Talabot geholfen, sein Album zu produzieren und als es fertig war, wollte er keine Liveshows machen. Ich musste ihn erst überzeugen, damit auf Tour zu gehen. Ich sagte: ‚Du musst das machen!‘, und er meinte: ‚Okay, aber wenn ich das mache, brauche ich dich.‘“

Also gingen die beiden im letzten Jahr auf Tour rund um die Welt. „Es macht viel mehr Spaß, mit ihm zusammen zu reisen“, sagt Pional. „Wenn wir zusammen sind—er ist einer meiner besten Freunde und Fernando, mein Manager, ist auch einer meiner besten Freunde und er ist auch immer dabei—dann sind wir eine richtige Crew. Alles ist dann easy, am Flughafen warten, fliegen … Wenn wir zusammen sind, ist das okay. Wenn ich allein bin—furchtbar!“

Amerika hat die besten Clubs der Welt

Alle reden über EDM, Amerika und das große Geld. Electronic Dance Music, dieser völlig undefinierte Begriff, ist in Amerika seit etwa zwei Jahren der Shit. In Europa wird es auch als der Shit gesehen, allerdings im Wortsinn. Pional ist all das egal, für ihn bedeutet Amerika etwas anderes, nämlich richtig guten Sound: „Ich muss ehrlich sagen, dass Amerika die besten Clubs hat, die ich je gesehen habe. Der Sound ist beeindruckend.“ Ohne es zu forcieren, wird er zunehmend in den USA gebucht, was ihn natürlich freut. Vor allem, weil er das Gefühl hat, dass es vom Publikum und der Stimmung kaum Unterschiede zwischen der Neuen und der Alten Welt gibt.

„Als ich das letzte Mal in New York spielte, fühlte es sich an wie in Europa. Die Crowd war gleich, die Stimmung, die Party, die Musik … Und wenn es ein gutes Soundsystem gibt, ist die Reaktion der Leute auf deine Musik einfach beeindruckend! In Madrid gibt es drei Clubs und der Sound ist überall fürchterlich.“ Wenn es um Sound geht, spricht aus Pional der Fachmann—bevor Pional mit seiner Musik begann, machte er eine Ausbildung und arbeitete als Toningenieur. Darauf angesprochen lacht er und sagt: „Ja, ich beschwere mich immer über den Sound. Aber ich mag es einfach, irgendwo zu sein, wo alles gut klingt.“

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Schreiben nach Track und Laune

Pional hat noch kein eigenes Album gemacht. Bisher baut er seine Karriere auf ein paar Singles, seinen Livegigs und seiner Zusammenarbeit mit Talabot auf. Nun steht die Arbeit am ersten Album an—eine Chance, aber auch ein Risiko. Er muss nun seinen Sound definieren, sich für eine Richtung entscheiden. Zueinander passende Songs schreiben, ein Konzept entwickeln, passendes Artwork finden. Wo fängt man an? „Genau das ist das Ding“, sagt er. „Es ist mein erstes Album, ich muss so viele Dinge machen. Und ich bin mir nicht mal sicher, welche Musik ich überhaupt machen will. Mir gefallen sehr viele unterschiedliche Styles. Ich denke, ich fange einfach an, mache Musik und wenn ich irgendwann 15 oder 20 Songs habe, entscheide ich, welche davon ich auf das Album nehme.“

Ein elektronischer Künstler wird meist vor allem über Singles bekannt, die im Club funktionieren. Bei einem Album allerdings tun sich ganz andere Möglichkeiten auf. „Ich will kein Dance-Album machen“, sagt Pional. „Ich kann ehrlich nicht genau sagen, was ich will. Aber ich will kein Album, das komplett aus 120 BPM-Tracks besteht. Ich will etwas machen, das man sich zu Hause anhört: Ich will ein Pop-Album, das vielleicht aber auch im Club funktioniert.“

Pional geht nachts in sein Studio, macht seinen Computer an, setzt sich ans Klavier und spielt. So begibt er sich auf die Suche nach Sounds und Melodien. „Ich beginne mit sanften Synths und versuche damit eine grobe Ideen für neue Sounds zu entwerfen.“ Geht es dann an die konkrete Arbeit an einem Track, baut er allerdings zuerst die Drums, um darauf die grundlegende Melodie und später die Bassline aufzubauen. Ob er echte Instrumente benutzt oder via MIDI arbeitet, entscheidet er je nach Track und Laune. „Ich denke dabei immer auch über die Vocals nach, ich weiß nicht, warum. Es ist wie eine Sucht, ich denke immer an den Gesang. Deshalb habe ich immer ein Mikro angeschlossen und wenn mir Vocals einfallen, nehme ich sie sofort auf, um sie nicht wieder zu vergessen.“

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Homeless DJ

Pional kommt aus Madrid, doch er ist nie den klassischen Weg gegangen, den man erwarten würde. Die meisten Musiker beginnen mit kleinen Gigs in ihrer Heimatstadt, Jugendzentrum, lokalen Clubs, Privatpartys. Pional hat bis heute nur vier Mal in seiner Heimatstadt gespielt, zwei Mal live und zwei Mal als DJ. „Ich wollte nie ein DJ oder Produzent werden. Ich war ein Toningenieur und hatte keinerlei Live-Erfahrung. Und auch nicht den Drang danach.“ Vor etwa vier Jahren lud Pional ein paar seiner im Schlafzimmer zusammengebauten Tracks in sein Myspace-Profil, wenig später wurde er von einer Berliner Agentur kontaktiert, die ihm den ersten Gig in Kopenhagen vermittelte. Schon sein dritter Auftritt war dann in der Panorama Bar im Berliner Berghain. Andere DJs warten jahrelang auf so eine Chance. Pional hatte seinen Berghain-Gig bevor er jemals in seiner Heimatstadt gespielt hatte.

Live is live

Pional ist ein zurückhaltender Liveact, als Person. Doch mit seiner Musik treibt er die Leute an. „Ich wollte nie so ein Laptop-DJ sein, ich habe auf der Bühne jede Menge analoge Hardware. Ich will kein einstündiges Set elektronischer Musik, ich will Pausen zwischen den Songs. Das ist ein Konzert. Und das ist auch der Grund, warum ich auf der Bühne live singe. Ich will, dass mich die Leute wie eine Band sehen, auch wenn ich allein bin.“ Deswegen mag Pional es nicht, DJ-Sets zu spielen. Er hat erst vor einem halben Jahr begonnen, als DJ zu spielen und macht es nur, wenn der Platz im Club nicht für sein Liveset ausreicht. „Stell dir vor, du hast ein einstündiges DJ-Set bei einem Festival, das ist schrecklich. Du spielst vier Tracks und gehst!“

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