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You Need to Hear This

Monsterheart möchte ihren Stoff wieder aus Plattenläden holen

Monsterheart malt so, wie sie Musik macht. Stellt euch einfach ein paar emotionslose Hasen mit Spinnenhänden vor, die dabei in Trance stricken.

Foto: Markus Roessle

Als ich Anna alias Monsterheart treffe, habe ich kurz das Gefühl, dass wir beide Angst voreinander haben. Ein paar Sekunden später sitzen wir auf einer Taubenscheiße-freien Parkbank und es ist, als würde ich mit einer Freundin im Park abhängen. So wie damals mit 14. Monsterheart macht Pop-Musik, in der sie Licht und Dunkelheit miteinander vereint. Am Freitag ist ihr Debütalbum W bei Seayou Records erschienen. Wir finden das ist Grund genug, um ihr ein paar Fragen zu stellen.

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YNTHT: Wie fühlt es sich an, sein Debütalbum veröffentlicht zu haben?

Monsterheart: Erleichternd. Ich habe mir im Sommer noch gedacht, dass es nie fertig wird. Das Material, das jetzt auf dem Album ist, hatte ich schon letzten Winter fertig. Eigentlich wollte ich es noch von einem Produzenten überarbeiten lassen, der sich dann zu viel Zeit ließ. Das Warten war mir dann zu blöd und ich habe es selbst fertig gmacht.

Was hat es mit W auf sich?

Erstens fangen sechs Titel auf dem Album mit „W“ an. Zweitens bezieht es sich auf die Doppeldeutigkeit von „Double You“. Ich war die ganze Zeit alleine und habe mir eigentlich gewünscht, dass jemand da gewesen wäre, um mit mir zu arbeiten. Ich musste mich quasi gefühlt verdoppeln. Außerdem ist es das „M“ von Monsterheart umgedreht.

Worum geht es in deinem Album?

Für mich ist es wichtig, Geschichten zu erzählen, Charaktere lebendig werden zu lassen, aber auch abstraktere Situationen zu beschreiben. Es geht immer ein bisschen um die dunklere Seite des Lebens und den Tod. Aber auch das Lebendige. Es steckt schon ein Konzept dahinter, aber ohne einschränkende Regeln. Das Intro, das Interlude und das Outro des Albums sind beispielsweise alle drei aus der Perspektive des Mondes geschrieben. Ich wollte ins All. Ein bisschen weg von der Welt.

Woher nimmst du deine Inspiration?

Eigentlich aus allem. Ich finde alles extrem spannend. Ich habe mit dem Kunststudium vor vier Jahren angefangen. Da ist mir eine Welt aufgegangen. Das hat mir beim Schreiben der Lieder geholfen und beim Musizieren, beim Komponieren—weil ich ja eigetlich keine gelernte Musikerin bin. Ich beherrsche überhaupt kein Instrument und ich habe musikalisch nicht so wirklich einen Peil, was ich da mache. Aber das weiß ich beim Malen auch nicht wirklich. Ich mach einfach. Ansonsten liebe ich Filme und die Natur.

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Ich finde das Video etwas unheimlich. Ist das Absicht oder bin ich mit diesem Gefühl vielleicht alleine?

Nein, ich glaube, es ist an der Schwelle. Alle sagen immer: „Wow, die Hasenköpfe sind so lieb.", wenn sie sie im Atelier sehen. Es hat vielleicht was Unheimliches, weil die einfach nur starren. Die haben ja keine Mimik, da passiert nichts. Und wenn dich jemand die ganze Zeit emotionslos anstarrt… Absicht war es sicherlich keine. Aber das passt gut, auf jeden Fall. Es geht in dem Lied ja auch um psychische Verwirrtheit und komische Schwärmereien, aus denen man nicht mehr raus kommt. Ich weiß nicht, ob man das wirklich raushört.

Was machst du, wenn du keine Musik machst?

Studieren, malen. Aber das Musik machen an sich ist ja, vor allem wenn man es alleine macht, sehr zeitaufwändig. Ich mache alles selber. Videos, Artwork, Kostüme, Hasenkopf… das ist aufwändig, macht aber auch wahnsinnig viel Spaß. Ich würde mich da nie beschweren. Man hat dann eben wenig Zeit für etwas anderes. Das Malen geht mir dann ab. Ich habe in der Endphase, bevor das Album jetzt rauskam—in den letzten zwei Monaten—gar nicht mehr malen können. Aber das ist jetzt vorbei. Das ist richtig cool, wieder Zeit und Kopf für was anderes zu haben.

Möchtest du deine Musik in einem Genre sehen oder möchtest du von diesen Schubladisierungen lieber Abstand nehmen?

Ich hätte gerne, dass Leute das als Pop-Musik sehen—aber ich glaube, das tun die wenigsten. Ja, ich wäre gerne in einer Pop-Schublade. Nicht so gerne in einer Indie-Pop-Schublade. In einem Überbegriff würde ich mich wohlfühlen. Das fände ich okay. Aber eigentlich ist es mir egal. Man könnte es auch funky-goth-glam-space-pop nennen.

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Lieber Studio oder lieber auf der Bühne?

Lieber im Studio. Ich bin auf jeden Fall eher ein Tüftler. Ich glaube dafür, dass mir die Bühne viel abverlangt, mache ich das jetzt nicht so schlecht. Aber man kann im Studio kreativer sein. Ich bin ja wie gesagt keine Musikerin. Ich kann mich live nicht auf den Instrumenten austoben. Das kann ich zu Hause machen, und dieses Experimentieren macht wahnsinnig viel Spaß. Auf der Bühne geht es um den Moment und das ist mir manchmal etwas zu viel.

Du liebst Spinnen und Friedhöfe. Woher kommt diese Liebe zu Dingen, von denen sich viele Menschen lieber fern halten?

Ich glaube, das kann man nicht erklären. Entweder man mag solche Dinge oder nicht. Düstere Sachen sind meine Heimat. Friedhöfe sind meine Heimat. Da ist's ruhig, da ist's friedlich und man hat seine Gedanken für sich. Ich verstehe auch gar nicht, warum Leute dazu einen negativen Bezug haben. Ich glaube, das ist diese komische Angst vorm Sterben. Nachvollziehbar, aber ich finde das gehört dazu. Das Sterben macht das Leben doch so wertvoll, oder? Und Spinnen finde ich hübsch. Ich habe ja auch so Spinnen-Hände. Man fühlt sich verwandt.

Also wie Hundebesitzer, die ihren Hunden ähnlich sehen. Kannst du dich noch an den Zeitpunkt erinnern, an dem du beschlossen hast, Musikerin zu werden, oder hat sich das eher eingeschlichen?

Es gab schon einen fixen Zeitpunkt. Mit 21. Damals bin ich von Wien nach Berlin geflohen und war komplett planlos und wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Dann habe ich einfach konzentriert darüber nachgedacht, was ich wirklich in meinem Leben möchte—was ich für immer machen möchte. Musik war das Einzige, was klar war. Das war dieser Moment. Wahnsinnig erleichternd und danach funktionierte auf einmal auch alles—wie magisch.

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Hat schon einmal jemand etwas dämliches über deine Musik gesagt?

Ein guter Freund von mir hat über meine Musik gesagt, dass sie kein Pop sei. Das hat mich wahnsinnig gekränkt, obwohl er wahrscheinlich Recht hat. Letztens wurde ich als Rock-Band beschrieben. Das fand ich auch lustig, vor allem weil keine einzige E-Gitarre auf meinem Album vorkommt. Ich habe nichts gegen Rock, aber da muss man schon ganz arg weggehört haben, um so etwas zu sagen.

Vermisst du es manchmal, in einer Band zu sein oder fühlst du dich so ganz wohl?

Ja. Es wäre schön wenn man das alles aufteilen könnte. Ich habe ja auch deshalb immer so viele Besetzungen, weil es noch nie eine perfekte Verschmelzung gab—so, dass Live-Spielen zu Studioarbeit über geht. Wenn eine Band zusammenkommt und alles richtig gut funktioniert, ist das etwas total Magisches. Und dass alles harmoniert, ist auch sehr selten, glaube ich. Aber vielleicht denke ich das auch nur, weil es mir so schwer fällt die passende Besetzung zu finden.

Wien oder Berlin?

Wien, Wien! Ich kann das ja sagen, weil ich lange genug Zeit in beiden Städten verbracht habe. Wien wird immer besser. Die Musikszene Österreichs wird immer besser; alles was hier passiert, ist so spannend. Berlin ist einfach so groß, so viele Leute und alles verliert sich. Es sieht von außen zwar sexy aus, aber es ist ein bisschen ein Dead End. Jetzt gerade kann ich Wien wirklich wärmstens empfehlen. Wien ist so cool.

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Was dominiert bei dir mehr? Goth oder Pop?

Pop! Für mich ist auch extrem viel Pop, was für andere Leute kein Pop ist. Aber wenn es da was Magisches gibt und es viele Leute anspricht, dann ist das Pop für mich. Auch wenn etwas sehr speziell ist. Die 80er waren in meinen Augen die perfekte Zeit für Popmusik. Daran orientiere ich mich. Zu Goths habe ich eine Sympathisanten-Haltung und einen inhaltlich-ästhetischen Bezug—auch wenn ich nicht wie ein Goth rumlaufe, mag ich es düster.

Was hörst du dann privat?

Alles. Alles, außer Balkan-Pop.

Wie hörst du Musik?

Mit Platten! Wenn ich einen Plattenspieler habe. Zurzeit habe ich keinen, aber Platten habe ich viele. Da ich so oft umgezogen bin, musste ich mich von vielen Sachen trennen und so leicht wie möglich leben. YouTube nutze ich auch oft—was mir extrem leid tut, da ich es zu schätzen weiß, wie eine Platte klingt. YouTube ist halt schnell, praktisch, man kann alles noch einmal hören und man hat etwas zum Ansehen. Aber ich hätte auch gerne die Zeiten zurück, in denen man seinen Stoff noch im Plattenladen besorgen musste.

Gibt es Dinge, die du in der heutigen Musiklandschaft nicht verstehst?

Ich finde die Produktions-Ästhetik zur Zeit echt hart. Es wird zu hart und zu klar produziert. Alles muss laut und auf den Punkt sein. Da geht sehr viel Seele verloren. So wie bei HD-TV. Das ist so hässlich. Ich weiß nicht, ob es an Geschmacklosigkeit liegt, dass das so beliebt ist oder einfach nur an der Orientierung am technischen Fortschritt. Ich mag Weichheit und eine gewisse Fragilität in der Musik. Diese Art von Durchproduziertheit in der Popmusik finde ich schlimm und schade. Es klingt dann schnell mal alles gleich.

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Was machst du, um dich von den letzten Monaten zu erholen?

Nähen. Vor allem Sommerbekleidung, die ist einfach und schnell gemacht. Das ist eine gute, sture Arbeit, da muss man nicht viel nachdenken. Ein bisschen, wie in Trance Dinge herstellen.

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