FYI.

This story is over 5 years old.

You Need to Hear This

King Krule ist ein wenig schizophren

Archy Marshall ist erst 18 Jahre alt, spricht aber schon wie ein alter Mann von „Ewigkeiten“ und dem Versagen früherer Generationen.

Fotos: Jessica Lopéz.

Wenn Archy Marshall aka King Krule nicht schon genug Persönlichkeiten hätte, würde ich ihm noch die Figur des Benjamin Button andichten. Archy ist erst 18 Jahre alt, spricht aber schon wie ein alter Mann von „Ewigkeiten“ und dem Versagen früherer Generationen. Er kann sich nicht mal an sein erstes musikalisches Projekt erinnern. Das ist schon zu lange her, immerhin macht er schon Musik seit er acht Jahre alt ist. Dennoch hast du nicht das Gefühl, du würdest mit seinem Opa sprechen, wenn er vor dir sitzt. Im Gegenteil, mein Opa würde ihn wahrscheinlich als „quirlig“ bezeichnen.

Anzeige

Archy Marshall war 15 Jahre alt, als er mit seinem Projekt Zoo Kid bekannt wurde. Seitdem versuchen nicht nur die Medien, sondern auch diverse Musiker an ihn heranzukommen. Inzwischen ist Archy 18 Jahre alt, also volljährig, und offensichtlich bereit für den Musikzirkus. In einem Monat bringt er sein Debütalbum als King Krule heraus, dem Nachfolgeprojekt von Zoo Kid. Die erste Single „Easy, Easy“ hat er bereits letzte Woche veröffentlicht—einer der stärksten Songs vom kommenden Album Six Feet Beneath The Moon. Entstanden ist er allerdings bereits, als Archy 14 Jahre alt war und gerade aus der Schule flog, wie er uns im Interview erzählte, was im Prinzip meine Benjamin-Button-These nur bekräftigt.

YNTHT: Ich mache jetzt ein Interview mit King Krule. Du hast ja so einige musikalische Erscheinungsformen. Wie strikt trennst du die denn voneinander?
King Krule: Nicht zu strikt, sie laufen oft ineinander über. Ich mische auch viel. Sie haben verschiedene Vibes und ich mag Namen.

Die Musik ist in den einzelnen Projekten aber sehr klar definiert.
Ja, das stimmt schon. Ich denke, dass ist sie auch, aber dennoch laufen sie ineinander über. Auf dem King-Krule-Album fließt zum Beispiel auch viel HipHop mit ein. Ich würde sagen, dass Edgar The Beatmaker King Krule sehr beeinflusst. Edgar ist aber eher der „Ich hänge mit meinen Jungs ab“-MC, King Krule ist eher persönlich.

Wegen der Lyrics?
Tatsächlich habe ich gerade ein Edgar-Tape gemacht, das sehr viele Lyrics hatte, aber die meisten davon sind Freestyle, eigentlich alle. Die Texte improvisiere ich in dem Moment und dafür ist Edgar auch da. Es ist meine Lyrik für den Moment. Ich nehme ein Mikrofon und fange an aufzunehmen, anstatt vorher Texte aufzuschreiben.

Anzeige

Wie sieht es denn mit DJ JD Sports aus?
Er ist verrückt, er kommt nur selten raus, aber wenn, dann ist es wahnsinnig.

Du sprichst von ihm in der dritten Person.
Ja, er ist verrückt, Mann. Ich will ihn nicht mehr sehen. Wir hatten das letzte Mal ein bisschen Beef. Aber ich glaube, irgendwann wird er auch wieder zurückkommen. (lacht)

Das finde ich sehr interessant, wie du von jedem in der dritten Person sprichst. Siehst du jeden einzelnen als eine komplette Persönlichkeit?
Ja. Er ist ein ziemlich naiver Typ.

Und King Krule?
King Krule ist cool. (lacht) Ich hänge die ganze Zeit mit ihm ab. Er ist auch jetzt da. (Er zeigt auf den Stuhl neben sich) Er chillt ein bisschen.

Hast du noch ein paar gute Namen und musikalische Richtungen in petto?
Ja, auf jeden Fall. Ich bringe auch bald ein Soul-Funk-Album raus.

Hast du dafür schon einen Namen?
Ja, ich überlege im Moment noch. Ich denke gerade über Red Riff nach. Das wäre doch okay.

Woher nimmst du die Zeit, all das zu tun?
Ich liebe es einfach, ich mache die ganze Zeit Musik. Ich mache es, wenn ich mich ausruhe, wenn ich unterwegs bin, immer.

Was war denn dein allererstes Projekt?
Mein erstes? Das war vor einer Ewigkeit, ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern. Aber es hat existiert und dann kam Zoo Kid.

Wie alt bist du nochmal?
18.

Und du sprichst schon von Ewigkeiten. Wann hast du denn mit der Musik angefangen?
Als ich acht Jahre alt war. Ich war schon immer musikbesessen, habe immer getanzt und im Takt genickt. Ich habe mich schon von klein auf für Musik interessiert.

Anzeige

Und trotzdem kommt jetzt erst dein Debütalbum. Das hat ganz schön lange gedauert.
Ja, das hat es. Aber ich wollte mich nicht hetzen und so lange wie nur möglich daran arbeiten. Es war wirklich schwer loszulassen. Am Ende stand ich richtig unter Druck, ich wollte alles sortieren und an einigen Stellen trotzdem grob lassen und es perfektionieren. Es war wirklich schwer loszulassen.

Hast du dich vielleicht auch noch zu jung gefühlt?
Ja und ich wollte auch erst eine natürliche Fanbase schaffen. Ich habe mit King Krule Ende 2010 angefangen und 2011 die EP releast. Seit dem Zeitpunkt habe ich an dem Album gearbeitet. Ich hätte auch schneller was herausbringen können, ich hätte schon längst ein Debüt veröffentlichen können. Aber es ist besser, sich etwas aufzubauen, auch wenn die Leute darauf warten.

War es wichtig für dich, dass der erste große Release von King Krule kommt?
Ja. Ich weiß nicht warum. King Krule hat mehr Bedeutung, mehr Jazz, eine schöne Ästhetik hinter den Buchstaben. Wenn ich mir die anschaue, bin ich fasziniert. Deswegen habe ich ihn auch kreiert, ich mag jeden einzelnen Buchstaben im Namen und wie sie zusammenpassen.

Denkst du, du bist reifer als andere in deinem Alter?
Ja wahrscheinlich. Ich reife ständig, ich werde ständig besser, ich entwickle mich noch konstant weiter.

Du hast mit Zoo Kid mit 14 angefangen. Musstest du nicht mal zur Schule gehen?
Ich wurde zu der Zeit aus der Schule geworfen.

Anzeige

Also hattest du viel Zeit.
(lacht) Ja, das hatte ich. Zu der Zeit habe ich den Song „Easy, Easy“ geschrieben, der kam gerade raus und es ist der erste Track des Albums. Den habe ich, während ich zur Schule gegangen bin, geschrieben. Das ist Ewigkeiten her. Das ist auch eine Sache, die wirklich wichtig für mich ist. Das ganze Zoo Kid-Ding ist sehr interessant, weil es aus dieser Phase meines Lebens stammt. Ich wurde für „Out Getting Ribs“ bekannt und dann dachte ich, ich müsse reinen Tisch machen und habe King Krule kreiert.

Du hast also auch sehr alte Tracks auf dem Album, aber auch neue, oder?
Ja, ich hatte so viele Tracks. Ich hätte 20 Tracks drauf packen können, aber ich musste einiges zurückziehen. In den letzten Monaten habe ich nur noch geschrieben, bis die Deadline kam. Und selbst danach habe ich noch neue Songs auf das Album genommen. Ich weiß nicht, ich war einfach im Flow. Ich arbeite konstant an meiner Musik und hin und wieder flowt es einfach.

Wo ist Zoo Kid eigentlich gerade?
Er kommt irgendwann wieder. Vielleicht werde ich jemand anderen dazu zwingen, Zoo Kid zu werden. Oder vielleicht zwinge ich mein Kind mal dazu. „Du bist Zoo Kid! Mach, was ich dir sage! Spiel Musik!“ (lacht). Ich werde Zoo Kid umwandeln und dann bringe ich ihn zurück in die Welt.

Wenn du schon mit acht angefangen hast, Musik zu machen, hast du denn als Kind auch Bücher gelesen? Hattest du ein Lieblingsbuch?
Nicht wirklich, nein. Nicht als ich so jung war. Ich war irgendwann mal total süchtig nach einem Buch, das ich lesen musste. Stone Cold, es ist scheiße. Es geht um einen Landstreicher, der einen anderen Landstreicher trifft und dann einen Serienkiller, der den anderen Landstreicher kennt. Dann verliebt er sich in ein Landstreichermädchen und so weiter und so fort. Es war ein Scheißbuch, aber das war das erste Stück Literatur, das ich jemals ernsthaft las. Danach hat mich mein Vater gezwungen, Moby Dick und Oliver Twist zu lesen.

Anzeige

Oh je, Moby Dick.
(lacht) Ich weiß. Zu der Zeit dachte ich mir nur „What the fuck? Scheiße!“ Mein Vater meinte, du wirst mir danken, wenn du mal älter bist, und das tue ich auch. Ich habe auch viel von Shakespeare gelesen, Ein Sommernachtstraum, einige Klassiker, Romeo und Julia und so weiter. Ich liebe Theaterstücke und auch Inspector Cool und diese Sachen.

Wirst du denn von solchen fiktionalen Charakteren inspiriert, wo du auch Persönlichkeiten für Edgar und Co. hast?
Nicht wirklich. Dabei geht es mehr um meinen mentalen Zustand. Aber ich liebe Fiktion. Ich liebe es, Namen zu kreieren und mir Ideen hinter ihnen auszudenken. Es ist eine sehr interessante Sache, da reinzutauchen und wenn du an einen Namen denken musst, ist es oft besser, diesen Namen auch zu nehmen.

Es gibt ja Leute, die sagen, du wärst die Stimme deiner Generation. Was hältst du davon?
Was hältst du denn davon?

Ich glaube nicht, dass eine Generation eine Stimme hat oder braucht.
Ja, ich habe auch echt genug mit mir selbst zu tun. Ich muss mich erst mal weiterentwickeln, bevor ich so einer Rolle überhaupt gerecht werden könnte. Ich kann doch nicht so viele Leute repräsentieren. Ich entwickle mich noch und ziehe mein Ding durch. Ich habe mein eigenen Scheiß zu tun.Als das alles passiert ist, haben mich alle danach gefragt und ich dachte nur „Fuck, was passiert gerade? Ihr fragt einen 16-jährigen Jungen?“ Und jetzt passiert das auch noch, aber ich entwickle mich noch immer weiter. Ich möchte einen Kollektivismus kreieren, eine Sammlung einer großen Bewegung. Die Medien möchten eben Stimmen oder Gesichter oder was auch immer darauf kleben. Aber es ist ein Kollektiv.

Anzeige

Findest du, es gibt etwas, das unsere Generation besonders macht?
Ja, das denke ich definitiv. Vor allem weil die Generationen zuvor alles verkackt haben. Sie hatten wahnsinnige Bewegungen, zum Beispiel in den 70ern und 80ern, die Punks und so weiter. Aber diese verdammten Punks—wo sind sie denn jetzt? Sie arbeiten in Büros, kriegen 'ne Menge Geld und versorgen ihre Familien. Ich bin echt sauer auf die Generationen vor uns. Unsere Generation ist besonders, weil wir das verdammte Internet haben. Und das funktioniert auf zwei Arten, entweder du hast Angst davor und bist paranoid oder du lässt dich darauf ein und kannst davon profitieren. So haben wir alle Möglichkeiten, was vorher noch nie der Fall war. Daher kommt auch mein Erfolg.

Wenn du sauer auf die Generationen vor uns bist, meinst du nicht, dass die Generation nach uns auch sauer auf uns ist? Ich meine, werden wir denn was verändern?
Es geht nicht unbedingt um Veränderung. Bei unserer Generation geht es darum, dass junge Leute zusammenkommen, zusammenarbeiten und voneinander profitieren. Aber ich habe ja schon gesagt, dass ich mich noch weiterentwickeln muss, das sind gerade meine Ideen. Ich habe das Gefühl, dass die Welt gerade an einem Punkt ist, an dem niemand weiß, was passieren wird. Alles kann passieren und das ist okay. Ich arbeite einfach weiter.

Das ist eine Sache an dieser Generation. Es gibt kein bestimmtes Ziel oder einen Ausgangspunkt, jeder macht sein eigenes Ding.
Ja, das ist aber auch ein Problem. All die Generationen vorher haben sich so auf Individualismus und auf Ideen fokussiert, dass du der Beste sein sollst und dich gegen die anderen durchsetzen musst. Und jetzt geht es nicht mehr darum. Es geht darum, sich gegenseitig zu lieben und den ganzen Scheiß. Es geht um Co-Existenz. Es gibt so viele gute Kunst im Moment. Ich habe das Gefühl, da Europa offensichtlich gerade auseinanderfällt, dass wir das auch tun und die Welt wird sich in verschiedene Richtungen drehen.

Anzeige

Zurück zu deiner Musik: Mit wem würdest du am liebsten ein Feature machen?
Shakira.

Im Ernst?
Ja!

Warum?
Ihre Stimme ist verdammt noch mal unglaublich. (lacht) Sie ist so dämonisch, so rrrr. Sie ist cool, Mann. Ja, Shakira.

Ich habe ja gehört, dass Tyler, the Creator, Mac Miller und alle möglichen Leute gern mit dir zusammenarbeiten würden.
Ja. Die sind cool. Aber ich kenne sie nicht. Ich lebe nicht in ihrer Nähe und deswegen ist es generell schwer, mit ihnen zu arbeiten. Das ist ein Konflikt, mit jemandem in ein Studio zu gehen. Ich will sie doch vorher kennenlernen.

Das ist gang und gäbe in der Musikindustrie, dass Musiker zusammenarbeiten, obwohl sie sich nicht kennen, oder?
Ja. Das ist so ein Bullshit. So ein künstlicher Bullshit. Ich meine, Tyler ist cool und so. Ich habe ihn sogar schon mal getroffen, da könnte schon was gehen, aber ich habe ihn erst vor Kurzem kennengelernt. Vielleicht wenn wir einen Monat oder so zusammen wären, dann könnte was passieren.

Das könnte mit Tyler vielleicht kompliziert werden.
(lacht) Ja, vielleicht.

Glaubst du, du wirst irgendwann Musik unter deinem echten Namen veröffentlichen?
Oh ja, vielleicht tatsächlich. Willst du wissen warum?

Warum?
Nur weil du das gerade gesagt hast und mir die Idee gefällt. (lacht) Scheiße, ich habe meinen eigenen Namen vergessen. Ja, das mache ich.

Hast du wirklich nie darüber nachgedacht?
Nein, ich weiß auch nicht, nicht wirklich. Ich denke eben immer, du kannst dich nennen, wie du willst. Das ist dein Künstlername. Aber ja das mache ich irgendwann, jetzt noch nicht.

Anzeige

Später dann.
Ja später, im Laufe des Tages. (lacht)

Na gut, wenn du so schnell bist, hast du dir schon Gedanken zu deinem nächsten Album gemacht?
Es wird so ähnlich wie das erste. Ich habe auch schon angefangen, habe schon so fünf, sechs Tracks. Viele der Tracks wurden auch in der gleichen Zeit geschrieben wie für dieses Album. Aber ich weiß es nicht. Es ist noch so ein weiter Weg. Erstmal will ich sehen, wie dieses Album hier läuft.

Six Feet Beneath The Moon von King Krule erscheint am 24. August bei XL Recordings/Beggars Group und kann hier vorbestellt werden.

King Krule spielt dieses Wochenende auf dem Melt! Festival, zwar nicht auf unserer Bühne, aber wir schauen es uns trotzdem an.

**

Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter.


MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS

Ein kurzer Film über Kassetten

In unserer ersten von drei Dokumentation gehen wir dem Comeback der Kassette auf den Grund.

Wer ist der größere Hipster? Helge vs. Fitti

Dieser alte Mann ein Hipster? Helge war schon immer ein Revolutionär im Musikgeschäft. Kann es sein, dass er die Ziele unserer Jugendkultur bereits abgesteckt hat?

Barbarossa ist manchmal zu entspannt

So entspannt, dass er auf der Bühne schon mal einschläft. Aber auf dem neuen elektronischeren Album Bloodlines gibt's dafür auf jeden Fall keinen Grund mehr!