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James Vincent McMorrow hat sich nie danach gesehnt, im Mittelpunkt zu stehen

James Vincent McMorrow sieht auf den ersten Blick aus wie das Abziehbildchen eines modernen Folk-Sängers. Doch seine Musik ist weit vielschichtiger und tiefer.

Bart, Gitarre, Liebe. James Vincent McMorrow ist allein optisch ein Musterbeispiel von einem Singersongwriter Schrägstrich Folksänger. Er ist aber mehr als das und will auch mehr als das sein. In seinen Songs findet man Elemente aus Folk, RnB, Elektro, sogar HipHop-Rhythmen und seine Stimme klingt so kantig wie ein Rohdiamant, oft krächzend hoch, mal wummernd tief. Wenige decken ein so breites Spektrum ab. Beigebracht hat sich das James Vincent McMorrow mit eiserner Geduld am Klavier. Stundenlang spielte er Töne, sang sie nach und quälte seine Stimme in die höchsten Tonlagen bis er jeden Ton auf Anhieb traf. BIs letzte Woche war er mit seinem zweiten Album Post Tropical unterwegs, das im Januar 2014 Release feierte. Wir haben ihn vor seinem Konzert in München getroffen, zwischen einer Familienpackung Merci und leeren Kaffeetassen.

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Erst zwei Tage später erfahren wir, was für ein Glück wir hatten, überhaupt mit dem zurückhaltenden Sänger sprechen zu können. Denn ausgerechnet auf dem Weg nach Berlin—wo schon eine ganze Meute nationaler und internationaler Journalisten wartet—überlegt sich James Vincent McMorrow, dass er keine Lust mehr auf Interviews hat. Tja, ätsch. Noisey hat glücklicherweise Leute in auf der ganzen Welt, auch in München.

YNTHT: Seit deinem zweiten Album Post Tropical hast du dich dich weg vom klassischen Folk und hin zu einem elektronischen R'n'B Stil bewegt. Wolltest du dich von deinem Singersongwriter-Image mit Bart und Gitarre lösen?
James Vincent McMorrow: Ich habe mein erstes Album Early in the Morning ehrlich gesagt nie als Folk-Album betrachtet. Diese Folk-Geschichte ist vermutlich wirklich nur meinem Bart geschuldet. Das ist auch okay, aber ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, typischen Folk zu machen. Ich liebe Folk-Musik, aber ich kenn mich viel zu wenig damit aus. Auf meinem ersten Album sind auch viel mehr Instrumente als bloß Gitarre zu hören. Jeder der mich kennt, weiß auch wie groß meine Liebe zu HipHop, R'n'B oder Soul ist.

Du wolltest also einfach mal ein neues Genre ausprobieren?
Ehrlich gesagt finde ich diese ganze Idee von Genres komplett überflüssig. Ich liebe einfach die Musik, die mir gefällt und will die Musik machen, die ich liebe. Das ist es! Ich würde ja auch nicht sagen, dass Bruce Springsteen ein Folk-Sänger ist, nur weil er den Folk-Song „Nebraska“ geschrieben hat, er hat ja auch andere Sachen gemacht wie „Born in the USA“—eine Synthie-Pop-Platte. Anderes Beispiel: Ich liebe David Bowie, aber ich würde ihn nicht als Disco-Künstler bezeichnen.

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Ich glaube Genres sind einfach nur der hilflose Versuch, Musik irgendwie greifbar machen zu können.
Ja, das versteh ich ja. Aber Die Leute fokussieren sich zu stark auf einzelne Details, weil es einfacher ist, jemanden in eine bestimmte Schublade zu stecken. By MySpace kannst du von 50 verschiedenen Genres, drei aussuchen. Nur Drei! Ich will das nicht machen und auch nicht in irgendeine Schublade gesteckt werden. Deswegen habe ich den Weg gewählt, nur die Musik zu machen die mir entspricht. Ganz unabhängig davon, was die Leute davon denken könnten. Meine Songs werden immer meine Songs bleiben, meine Stimme immer meine Stimme—das ist es, wie ich die Dinge betrachte.

Trotzdem ist Post Tropical ein großer Sprung in deiner musikalischen Karriere, oder?
Ja absolut! In den letzten vier Jahren hat sich viel verändert. Für mich als Musiker ist das ein unglaublicher Sprung! Ich beherrsche jetzt Instrumente, die ich davor nicht spielen konnte. Klar war ich auch schon auf mein erstes Album sehr stolz, aber diesmal habe ich noch mehr das erreicht, was ich mir vorgestellt habe. Ich bin aber trotzdem einfach nur ein Singersongwriter, der viele verschiedene Instrumente spielt und damit einen großartigen Sound erzielen will, am liebsten an kleinen Orten mit intensiven Shows.

Wenn wir schon bei deinen Shows sind. Du hast einmal gesagt, wie wichtig es sei als Künstler authentisch und echt zu sein. Sind sich James Vincent McMorrow auf der Bühne und privat sehr ähnlich?
Hm. Nein, ich denke da ist schon ein Unterschied zwischen der Person auf und abseits der Bühne. In der Show musst du eine bestimmte Rolle spielen. Das nehme ich nie mit runter von der Bühne. Ich nehme meinen Job natürlich schon sehr ernst, aber ich sehe mich als Künstler und was ich mache ist Kunst. Mich stört es nur, wenn Leute so hart daran arbeiten Künstler zu sein. Dabei müssten sie das gar nicht, jeder ist schon in dem Moment Künstler, in dem er anfängt Kunst zu machen. Lady Gaga zum Bespiel ist ein unglaublicher Performer, das muss sie den Leuten nicht beweisen. Aber natürlich ist es jeder anders auf der Bühne als privat.

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Was genau ist bei dir anders?
Nicht, dass ich ein schüchterner Mensch wäre, aber auf der Bühne musst du Selbstvertrauen ausstrahlen. Das Publikum wird dich über eine Stunde mit den Augen fixieren. Deswegen bewundere ich ja die großen Stars wie Lady Gaga oder Justin Timberlake so. Auf der Bühne musst du den ganzen Raum ausfüllen, das ist unglaublich schwierig.

Ich habe mich nie danach gesehnt im Mittelpunkt auf der Bühne zu stehen, ich wollte einfach nur Musik machen. Schlussendlich habe ich mich nun doch auf der Bühne wiedergefunden und es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, wie wichtig es ist diese bestimmte Rolle einzunehmen, dass man nicht einfach der Gleiche sein kann wie abseits der Bühne. Ich bin kein Mensch der anderen Leuten gerne in die Augen schaut, aber auf der Bühne muss ich es tun. Es ist mein Job eine Verbindung zum Publikum aufzubauen. Zum Glück ist es bei meinen Shows immer so still im Publikum. Das hilft mir die Spannung zu halten.

Warum sind die Leute in deiner Show immer so leise?
Das habe ich nie hinterfragt. Ich kenne es einfach nicht anders, aber ich liebe es. Es ist unglaublich, was für eine intime Atmosphäre diese Stille hervorruft.

Warum hast du dir dann nie einen Künstlernamen zugelegt? Ich denke es ist einfach wenn man sich hinter einem Pseudonym verstecken kann.
Ich habe ehrlich gesagt nie über ein Pseudonym nachgedacht. Für mich war es genug Veränderung, dass ich meinen zweiten Vornamen „Vincent“ in meinen bürgerlichen Namen rein geschoben habe. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, mit einem Künstlernamen in die Rolle zu schlüpfen. Der Gedanke kam mir aber nie.

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Dein Steve Winwood Cover von „Higher Love“ ist der wohl am meisten geremixte Song von dir. Und auch das einzige Cover, was es auf eine deiner Platten geschafft hat. Warum?
Zum einen liebe ich Steve Winwood, meine Mum hat ihn schon gehört und mir auch „Higher Love“ gezeigt. Aber die meisten Leute kennen die Geschichte hinter dem Song tatsächlich nicht. Vor über zwei Jahren hat mich die irische Wohltätigkeits-Organisation Headstrong angefragt, ob ich für sie einen Song für ein Charity-Album einsingen würde. Ich habe sofort zugesagt, als sie mir eine Liste mit möglichen Songs gaben und ich darauf „Higher Love“ entdeckt hatte. Am Tag der Aufnahme war ich ziemlich krank, aber trotzdem haben wir uns nach fünf Takes für den ersten Versuch entschieden. Das Charity-Album wurde aber nur in Irland veröffentlicht.

Dann vor meiner US-Tour letztes Jahr wollte mein Plattenlabel noch etwas Besonderes für die Pressemitteilungen, etwas was man dort noch nicht von mir kennt. Ich habe ihnen „Higher Love“ gezeigt und alle sind ausgeflippt vor Begeisterung. Sie wollten es auch für eine meiner Platten, ich habe aber nur unter der Bedingung zugestimmt, dass alle Einnahmen von „Higher Love“ direkt an Headstrong gespendet werden. Und sie waren einverstanden.

Schöne Geschichte! Warum hast du seither keinen neuen Cover-Song mehr aufgenommen?
Ich liebe Steve Winwoods „Higher Love“ wegen den beeindruckenden Lyrics und dem lächerlichen Video dazu. Ich wollte den Song in einen anderen Kontext einbetten. Der einzige Grund, warum ich wieder eine Cover-Version machen würde, ist, wenn ich in einem Song etwas entdecke, was ich beim ersten Mal anhören nicht erwartet hätte.

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Deine eigenen Lyrics drehen sich ja auch meistens um die Liebe.
Ja das stimmt, über Liebe singt glaube ich jeder Musiker gerne. Wobei es bei mir selten um konkrete Erlebnisse geht. Also natürlich schreibe ich über mein Leben, ich kenne ja kein anderes. Manchmal arbeite ich aber nur mit irgendeinem Gedankenfetzen. Liebe passt einfach gut zu den Melodien, die ich in meinem Kopf höre, die Lyrics reflektieren also einfach nur meine Musik.

Du versucht also nicht, deine eigenen Gefühle in Musik zu übersetzen?
Nein das geht nicht so tief. Ich finde es besser wenn man nicht hinterfragt, woher die Dinge kommen. Ich weiß einfach, dass die Ideen, die ich in meinem Kopf habe, auch funktionieren werden. Was für ein Gefühl dahinter steckt, bedeutet mir nichts. Ehrlich gesagt, mache ich mir nicht viel aus Lyrics. Auf jeden Fall finde ich sie nicht wichtiger als die anderen Elemente eines Songs.

Was für einen Part übernehmen dann deiner Meinung nach, die Musik-Videos in einem Song?
Videos sind einfach ein narratives, visuelles Element. Damit man auch etwas anschauen und nicht nur den Song anhören kann. Das gibt den Songs eine besondere Dynamik. Gute Videos können einen Song besser machen, schlechte den Song schlechter. Das ist echt eine komische Sache. Ich weiß auch nicht warum.

Die irische Künstlerin Aoife Mcardle hat zu deinem Album Post Tropical eine Video-Trilogie gemacht. Wie kam es dazu?
Ich wollte eine Linie, die sich durch das Album zieht und nicht zu jeder Single ein anderes Video. Mir haben ihre Videos gefallen, weswegen ich sie gefragt hab, ob sie eine Trilogie für mich drehen will.

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Sie erzählt mit ihren Videos aber eine eigene Geschichte, unabhängig von den Songs, oder?
Ja es ist ihre Story, nicht meine. Ich habe ihr nur gesagt, was mir an Musikvideos gefällt und was nicht. Aoife liebt dunkle Videos, das ist auch okay. Aber ich habe sie darum gebeten, wenn sie dunkle Elemente benutzt, dass sie sie möglichst lebendig, intensiv und strahlend machen soll. Und dann hat sie ihre eigene kleine Welt für meine Songs erfunden.

Das Video zu „Cavalier“ zum Beispiel, ist sehr düster. Und trotzdem hat das Video eine Schönheit—beim ersten Mal ist mir fast das Herz stehengeblieben. Ich liebe es! Es ist genau, wie ich es wollte und trotzdem hat es mich total überrascht. Ich habe das Video sicher vier, fünf Mal angeschaut und mir jedes Mal gedacht: „Was passiert mit dem armen Kerl“—das ist unglaublich. Das ist das Schöne an meiner Position, ich kann hergehen und mir Künstler suchen, ihnen Geld geben und sie machen daraus großartige Arbeit.

Bisher sind ja von der Trilogie nur Aoifes Videos zu „Cavalier“ und „Red Dust“ released. Welcher Song ist der dritte im Bunde?
Das dritte Video ist für „Glacier“ vorgesehen. Wir können es aber leider erst im Frühling rausbringen, wenn „Glacier“ dann auch als Single auf den Markt kommt. Wieder ein wunderschönes Video, das einfach eine andere Seite der Geschichte beleuchtet.

Ich bin schon sehr gespannt auf den Tritten Teil.
Ja, das sind wir alle! Ich hoffe Aoife wird in Zukunft noch ein paar mehr Songs von mir illustrieren.

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Dein letztes Album, hast du in vollkommener Isolation an der irischen Küste aufgenommen, vor allem weil dir das Geld für mehr fehlte. Warum hast du dich für dein zweites Album schon wieder in die Pampa, diesmal nach Texas, zurückgezogen?
Haha, komisch nicht? Diesmal war es eigentlich einfach nur, wegen dem großartigen Studio in Texas. Es war nicht einfach dort hinzukommen, das stimmt. Wir mussten in drei, vier verschiedene Flugzeuge steigen und dann noch mit dem Auto weiter—ein weiter Weg, um seine Leute mitzunehmen.

Dann warst du also gar nicht alleine?
Nein, nein. Ich habe meine Tontechniker und andere nützliche Leute, die mir mit dem Album helfen konnten, mitgebracht. Meistens waren wir zu dritt oder viert im Studio.

Und wie hat es dich als Iren ausgerechnet nach Texas verschlagen? Texas ist schließlich nicht unbedingt der nächste Weg von Dublin aus.
Nein das stimmt. Zuerst wollte ich das Album auch in meinem eigenen Studio aufnehmen. Aber dann kam ich zu dem Schluss, dass es da zu behaglich ist. Ich hätte in Dublin ewig an den Sounds arbeiten können, ohne eine tickende Uhr an der Wand, schließlich hatte ich sowohl die Uhr als auch die Wand gekauft. Mir hat der Druck gefehlt. Ich wollte Zeitdruck und diese klassische Idee im alten Stil eine Platte aufzunehmen.

Deswegen habe ich jeden gefragt, ob er mir ein Studio empfehlen könne. In dem Studio in Texas haben schon Bands wie Beach House gearbeitet. Und es hatte einfach all das Equipment, das ich brauchte. Einfach alles! Selbst wenn etwas gefehlt hätte, hätte es der Studio-Besitzer gekauft. Der hatte einfach so einen unglaublich coolen Sinn dafür, was es bedeutet, ein Studio zu besitzen. Er sagte zu mir: „Du wirst kommen und das Teil zwar nur einmal spielen und wieder abreisen. Aber dann wird ein anderer kommen und es nach dir benutzen.“ Er hat sich so in die Sache reingesteigert, dass er sogar anbot, uns den Flug zu bezahlen, damit wir wenigstens für einen Tag sein Studio sehen konnten.

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Es hatte also nichts damit zu tun, dass das Studio in der USA liegt—das Ziel eines jeden Musikers?
Punkt für dich! Aber darüber habe ich eigentlich nicht nachgedacht. Aber es war schon etwas Besonderes. Klar, möchte jeder einmal ein Album in der USA aufnehmen, allein der romantischen Idee wegen. Auch ich bin mit amerikanischer Musik aufgewachsen und wachse mit amerikanischer Musik im Ohr weiter. Wir waren 45 Tage in Texas, haben jede Nacht kaum mehr als vier Stunden geschlafen.

Harte Zeit!
Allerdings! Aber genau so wollte ich es. Vielleicht werde ich diese Möglichkeit nie wieder haben, ich nehme das nicht als selbstverständlich. Deswegen habe ich hart gearbeitet und war am Schluss so müde wie nie zuvor. Aber auch so glücklich wie noch nie. Das war es absolut wert!

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