FYI.

This story is over 5 years old.

You Need to Hear This

Irgendwie ist Left Boy wirklich geil

Der größte österreichische Exportschlager in den USA seit Red Bull spricht eigentlich nur englisch. Wir haben uns mit dem Wahl-New Yorker trotzdem auf deutsch über seinen Papa und Popmusik unterhalten.

Vor etwa anderthalb Jahren unterhielt ich mich mit einem Kumpel über Cro. Er fragte mich, ob ich Left Boy kennen würde. „Der ist so ähnlich wie Cro und rappt auf Pop-Samples. Ich glaube, der ist Österreicher und lebt in Amerika. Er rappt aber auf Englisch und macht übelst einen auf Ritch Bitch. Aber irgendwie ist es geil.“

Kurz darauf reichte man mir einen Laptop mit vorgeladenem „Jack Sparrow“-Video. Und da rappt dieser Österreicher mit relativ nerviger Stimme, über den ziemlich nervigen und ausgelutschten „Fluch der Karibik“-Soundtrack und packt noch einen erst recht nervigen Flacker-Glühbirnen-Synthie drüber, und verdammt, dieser Typ ist ja echt nervig reich. Aber irgendwie ist es wirklich geil. Denn Left Boy versteht Kunst. Sie wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater ist der berühmte österreichische Chansonnier, Schauspieler und Aktionskünstler André Heller. Der schickte seinen Sohn Ferdinand Sarnitz, so heißt Left Boy bürgerlich, zum Tontechnikstudium nach New York.

Anzeige

Wie erhofft entwickelte sich der Bub in seinem Künstler-WG-Zimmer in Brooklyn zu einem Musik-Junkie, der ohne Rücksicht auf Verluste Pop-Nummern zerhackt und in einem unbekümmerten Stil zerkaut und wieder ausspuckt. So ähnlich wie Cro, nur eben mit mehr Kanten und Konturen, aber genauso getrieben von einem audiovisuellen Gespür für Ästhetik. Im Januar erscheint sein erstes Album Permanent Midnight. Wir haben den größten österreichischen Exportschlager in Übersee seit Red Bull und Frank Stornach zum Interview getroffen. Auf Deutsch sollten wir dazu sagen.

YNTHT: Du führst deine Interviews fast immer auf Englisch. Warum eigentlich, hast du deine größte Fanbase nicht im deutschen Raum?
Left Boy: Meine Fanbase ist in England, Frankreich, Österreich und Deutschland, wo sie am Größten ist, weil es sich von hier aus verbreitet hat. Aber ich denke und träume in Englisch. Ich war zwölf Jahre auf einer amerikanischen Schule, habe aus irgendeinem komischen Grund drauf bestanden, zwei Jahre meines Lebens nur englisch zu sprechen. In diesen Jahren habe ich komplett auf Englisch geschaltet. Wenn ich deutsch spreche, dann übersetze ich es aus dem Englischen.

Wie kannst du dir erklären, dass du hier so populär bist, obwohl man dich von einem amerikanischen Künstler nicht unterscheiden könnte.
So wie ich das sehe, hat es sich durch die internationalen Schulen verbreitet. Das ging von meiner High School aus, von wo aus sich die Musik über andere Schulen verbreitet hat. Ich habe Musik für meinen Dad bei einer Show von ihm in München komponiert und habe auf einmal eine Fanbase in München bekommen. Das waren die (überlegt) little seeds, that I planted. So erkläre ich mir das, wie es sich dann ausgeweitet hat, weiß ich auch nicht.

Anzeige

Du bist einer der Künstler, die alles selber machen. Kannst du uns einmal in den Produktionsprozess von einem Song wie „Black Dress“ mitnehmen?
Es fängt immer mit einem Beat und einer Melodie an. Bei „Black Dress“ ist es sogar ein Sample, das weiß nur keiner (grinst). Ich wollte wochenlang dieses Sample verwenden und habe es gepitcht und rückwärts abgespielt und habe alles Mögliche versucht, bis ich irgendwann diese verzerrte Stimme hatte, die mir wahnsinnig gut gefallen hat. Ich hab das als Grundlage genommen und daraus einen Beat gebaut.

Du frickelst also am Anfang rum, bis…
… ich eine Melodie habe. Und dann schaue ich, was für ein Beat dazu passt. Sobald ich einen Part des Beats habe, loope ich ihn, schaue wie dieser Beat auf mich einwirkt und gehe dann stundenlang im Kreis bis ich eine erste Strophe habe.

Du drehst eigentlich zu jedem Song ein Video. Ist jeder Song für dich so etwas Besonderes, dass die Perfektion erst durch ein Video abgeschlossen ist?
Ich weiß, dass das nicht bei allen Musikern der Fall ist, aber wenn ich einen Song produziere, dann sehe ich sofort ein Video dazu. Bei „Black Dress“ hatte ich schon bei der Produktion ein Video im Kopf. Manche Videos sind eher spontan, andere wie „Black Dress“ sind langfristige Projekte.

Die meisten deiner Songs, die du bis jetzt veröffentlicht hast, basieren auf Samples. Musstest du deinen Arbeitsansatz im Hinblick auf das Album sehr verändern, weil du keine Samples verwenden darfst?
Ich habe über die Jahre hinweg Beats gebaut und gesammelt, die keine Samples verwenden. Das habe ich gemacht, weil ich wusste, dass ich sie wahrscheinlich für ein Album brauchen werde und weil ich sie zu gut fand, um sie einfach so rauszuhauen. Sampeln tu ich trotzdem. Ich mache das, was mir Spaß macht.

Anzeige

Du scheinst dich überhaupt nicht mit anderen Musikern oder Rappern zu connecten. Hast du dich bewusst dafür entschieden?
Nein, überhaupt nicht. Es hat sich bis jetzt noch nicht ergeben. Ich habe aber viele Verbündete, keine Sorge. Natürlich würde ich gerne ein Lied mit Kanye West oder Daft Punk machen, aber sowas muss sich ergeben. Ich laufe den Leuten auch nicht hinterher.

Könntest du dann Verantwortung auch abgeben?
Ich bin ein Kontrollfreak und lasse mir auch nicht gerne erklären, wie ein Song zu klingen hat. Für das Album bin ich nach L.A. geflogen um mit einem Produzenten zu arbeiten. Es war eine schreckliche Session und herzzerreißend zu sehen, wie er nicht verstanden hat, was ich mit dem Lied erzählen wollte. Ich habe stundenlang zugeschaut, wie er meinen Song vor meinen Augen zerstört und versucht hat in ein Popformat zu quetschen, wo der Song einfach nicht hingehört. Als er dann das Ende der zweiten Strophe genommen und über die erste Strophe drüber geklebt hat, war für mich deutlich, dass das nicht meine Welt ist und ich nicht dieser Pop-Act bin. Obwohl ich nichts gegen Popmusik habe.

Hat dir dein Vater André Heller nur die Weichen gestellt oder beeinflusst er dich heute noch?
Mein Vater ist mein bester Freund, wir sprechen jeden Tag miteinander. Wir helfen uns gegenseitig und tauschen uns über unsere Projekte aus. Ich zeige ihm meine Lieder und er sagt mir, was er davon hält.

Anzeige

Wie viel Ahnung hat denn dein Vater von HipHop oder elektronischer Musik?
Er hat einfach ein Gespür dafür, wie ein Lied funktioniert und was eindrucksvoll ist. Mir gefiel die Original Version von „Left Boy’s Coming“ überhaupt nicht. Deswegen bin ich dann mit der Produktion von dem Track in diese 70er Jahre Pop-Richtung gegangen. Mein Dad hat sich dann ein paar Mal dazu gesetzt und meinte: ‚Warum machst du da nicht einen Chor rein?‘ Und ich dachte: ‚Ja, wieso eigentlich nicht?‘ Diese Musikära versteht er wahrscheinlich besser als ich, und da ist es gut, jemanden zu haben, der einem wertvolle Ratschläge geben kann.

Ich kann mir vorstellen, dass dir viel Neid begegnet, durch eine solch erfolgreiche künstlerische Familie die perfekten Voraussetzungen zu haben.
Ich kann nicht verleugnen, dass ich den Luxus hatte, mich auf Musik konzentrieren zu können.

Du machst ja in deinen Songs auch alles andere, als es zu verleugnen.
Das sind halt die Umstände in denen ich aufgewachsen bin. Ich konnte mich dank der Unterstützung meiner Eltern zu 100 Prozent auf meine Musik konzentrieren. Dafür bin ich endlos dankbar.

Gibt es darin auch Nachteile?
Wenn du diese Voraussetzungen nicht hast, dann hast du einen Drive, es schaffen zu wollen. Ich hatte anfangs Probleme diesen Drive für mich zu entwickeln. Ich habe einfach nicht diesen Arschtritt bekommen, erfolgreich sein zu müssen. Es hat lange gedauert, bis ich an dem Punkt angekommen bin, wo ich jetzt bin. Mittlerweile bin ich unglücklich, wenn ich nicht arbeite.

Anzeige

Auf Lef Boys Homepage bekommt ihr gratis sein aktuelles Mixtape. Hier klicken.

**

Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter.


MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS

Radkey haben Prioritäten, aber sie verraten sie (uns) nicht

Das Interview mit Radkey war eine harte Prüfung. Wir mussten uns eine perfekte Taktik zurechtlegen, um es einigermaßen schadlos zu überstehen. Hier der Matchplan.

Punk ist das dämlichste Wort in der Musikwelt

Das Wort „Punk“ ist ein ausnahmslos dämliches Wort und dafür, dass ich es hier nutze, sollte ich wahrscheinlich in das Gefängnis der …

Sind Noise-Rock Sänger wirklich so verrückt?

Ein paar kurze Gedanken über Noise-Rock, Schweine, Unsane und ein T-Shirt, das ich liebte.