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You Need to Hear This

MoTrip würde sich geehrt fühlen, wenn die NSA sein Album leakt

NSA und Datenspionage sind keine Themen von gestern. Deswegen hat Motrip auch einen Song zu dem Thema aufgenommen.

Wie war das nochmal mit der NSA und der Datenspionage? Auch irgendwie Schnee von gestern mittlerweile. Aber halt! Wir wollen uns nicht den Mechanismen der allgemeinen Berichterstattung beugen, sondern die Wichtigkeit des Themas weiterhin aufrechterhalten. Ähnlich geht es auch MoTrip, der mit seinem Bruder Elmo und in Zusammenarbeit mit den Kollegen von hiphop.de den Track „Guten Morgen NSA“ produzierte. Darin greift er die Vorwürfe gegen die Nachrichtenagentur humoristisch auf und sorgte damit für viel positives Echo. MoTrip ist nicht nur einer der besten Rapper, die wir hier im Land haben, sondern auch einer der aktivsten Facebook- und Twitter-Nutzer. Wir haben deswegen mit ihm telefoniert, um über die NSA, das Internet und ein bisschen über seine Musik zu quatschen.

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YNTHT: Ich sehe, du rufst mit dem Handy an. Dann musst du die Sim-Karte nachher aber zerstören.
MoTrip: Wir reden ja über nichts Verbotenes. Aber du hast Recht, wenn es um Sachen geht, die niemand erfahren soll, treffe ich mich lieber persönlich. Aber dieses Interview darf die NSA gerne mithören.

Glaubst du denn, dass die NSA wegen deines Tracks „Guten Morgen NSA“ jetzt ein Auge auf dich geworfen hat?
Nein, das glaube ich nicht.

Du bist ja immerhin auch Araber.
Ja, das wäre vielleicht eher ein Grund, aber da gibt es sicherlich krassere Kandidaten. Durch meinen Nachnamen El Moussaoui habe ich leider einen Namensvetter, der bei den 9/11-Anschlägen dabei war. Ich habe mich damals oft gefragt, ob die alle Moussaouis der Welt in ein Raster fallen und überwacht werden, aber ich denke nicht. Da ich halbwegs eine Person der Öffentlichkeit bin, habe ich da, glaube ich, nichts zu befürchten. Ich mache mir sogar einen Spaß draus und sage sowas wie „Bombenstimmung“ oder „terrormäßig“ und achte darauf, ob ich ein Knacken in der Leitung höre, aber bis jetzt habe ich noch nichts gehört. Also wenn die NSA den Song gehört hat, dann nehmen die den bestimmt nicht ernst, weil ich nicht der Einzige bin, der sich mit dem Thema auseinander gesetzt hat.

Was war denn dein Anliegen, über die NSA-Überwachungsaffäre einen Song zu machen?
Ursprünglich war die Idee mit hiphop.de, dass man in ein Studio kommt, einen Song schreibt und ihn dann aufnimmt. Toxik von hiphop.de wollte mal ein Thema haben, weil das sonst vielleicht etwas langweilig werden würde. Damals war das Thema noch aktuell, aber ist mittlerweile wieder von der Bildfläche verschwunden, ohne dass es wirklich geklärt wurde. Es lag mir also schon am Herzen, die Diskussion aufrecht zu erhalten oder auch anzuheizen.

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Hast du im Vorfeld des Songs die Berichterstattung über die NSA-Affäre besonders verfolgt oder dich informiert?
Man konnte die Berichterstattung ja eine Zeit lang nicht umgehen. Ich habe jetzt kein Buch über die NSA oder Datenklau gelesen, aber jeder kann sich vorstellen, wie die machen, was sie wollen. Und das regt einen natürlich auf, egal ob man betroffen ist oder nicht. So klischeehaft das auch klingt, aber als Araber reagiere ich auf solche Sachen immer sehr allergisch, weil man sich vorstellen kann, wer da genau überwacht wird. Mich stört es einfach, wenn sich eine Macht über jemanden stellt und dann seine Macht ausübt. Aber im Grunde habe ich nur die Ängste aufgegriffen, die wir alle haben und es mit einem zwinkernden Auge in einen Song verpackt.

Hast du den Text auch deswegen geschrieben, weil du selber sehr aktiv in sozialen Netzwerken bist und selber viel von dir preisgegeben hast?
Eigentlich überhaupt nicht. Ich muss dir sagen, dass ich diese sozialen Netzwerke privat überhaupt nicht nutze. Ich habe keinen privaten Twitter- oder Facebook-Account, ich benutze die nur um mein künstlerisches Schaffen leichter nach außen zu tragen. Ich bin eigentlich auch kein Fan von diesen Netzwerken. Es wird ja immer behauptet, dass sie die Menschen näher aneinander bringen—im Gegenteil, ich finde sie entfernen die Menschen voneinander.

Warum denkst du das?
Man trifft sich nicht mehr, man postet sich gegenseitig Sachen und versucht auf diesem Weg etwas gemeinsam zu erleben. Teilweise macht man nur irgendwelche Dinge, um sie posten zu können. Früher hat man sich um 13 Uhr an einem bestimmten Ort getroffen. Heute wird einfach gepostet, wo man ist. Man hat sich weder gesehen noch mit einander gesprochen, aber irgendwie das Gefühl, am Leben des anderen Teil zu nehmen. Ich finde, das isoliert die Menschen voneinander. Siehst du das ähnlich?

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Ja, ich weiß, was du meinst. Vor allem verschlingen diese Dinge unglaublich viel Zeit.
Es hat natürlich auch seine positiven Seiten. Natürlich können in Zeiten von Facebook und Twitter Aufstände viel besser und direkter in die Welt getragen werden.

Wie viele Musiker heute hast du angefangen, deine Musik durch das Internet zu verbreiten. „Alptraum“ war durch Youtube und 16bars.de so etwas wie dein Startschuss. Was denkst du, wo würdest du als Musiker ohne das Internet stehen?
Ich bezweifle, dass ich diese eigene Künstlerfigur ohne das Internet wäre. Da hat mir das Internet sehr viel geholfen. Allerdings muss ich mir auf die Fahne schreiben, dass ich auch gerappt habe, bevor es das Internet in dieser Form gab. Ich hatte noch nicht mal ein 56k-Modem und war schon bei Kool Savas auf dem Album. Ich habe ihm also wahrscheinlich in meiner Karriere mehr zu verdanken als dem Internet. Ich bin keines dieser Youtube-Kids, die, weil sie ein Video gesehen haben, anfangen wollen zu rappen um auch paar Klicks abzustauben. Ich wollte schon viel früher Musik machen. Aber es stimmt, dass sich durch das Internet meine Musik einfach exponentiell schneller verbreitet hat.

Wie viel Zeit verbringst du am Tag so im Internet und auf welchen Seiten hältst du dich auf?
Am Tag wahrscheinlich so eine Stunde. Auf den üblichen verdächtigen Seiten: Auf Facebook, Twitter, den HipHop-Portalen und ab und zu bilde ich mich auch. (lacht)

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Hat sich seit der NSA-Sache dein Internetkonsum verändert?
(überlegt) Traurigerweise nicht, auch wenn ich jetzt gerne mit „ja“ antworten würde. Man vergisst es ja auch so schnell. Deswegen haben wir auch den Song gemacht—anfangs wird das immer aufgebauscht und plötzlich sind andere Themen wichtiger. Aber man denkt sich auch immer: „Was wollen die bei mir finden? Ich habe nichts zu verbergen“ Letztens ist ja Google für vier Minuten gecrasht und kurzzeitig stand die Welt vorm Kollaps. Das ist schon verrückt, wie sehr wir vom Internet abhängig sind.

Abschließend will ich auch aus persönlichem Interesse fragen, ob du schon an einem neuen Album sitzt?
Ich bin gerade auf dem Weg ins Studio. Ich möchte es dieses Jahr noch abgeben, damit es Anfang nächsten Jahres kommt, aber ich kann mich noch nicht festlegen, wann.

Kannst du schon sagen, in welche Richtung es gehen wird?
Mein letztes Album wurde ja von der HipHop-Community sehr gut angenommen, aber im Mainstream ist der ideale Erfolg ausgeblieben. Deswegen überlege ich mir schon, wie ich den perfekten Mittelweg zwischen straightem und öffentlichen HipHop für Hans und Franz schaffen kann. Da mache ich mich schon verrückt.

Aber wenn es dann irgendwann fertig ist, sorg dafür, dass die NSA dir nicht eins auswischen kann, und das Album vorher leakt.
(lacht) Wenn sie es für so wichtig erachtet? Ich würde mich geehrt fühlen, wenn die NSA mein Album leakt.

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