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You Need to Hear This

Wir haben jemanden, der noch nie zuvor Drake gehört hat, das neue Album rezensieren lassen

„Drake ist manchmal traurig. Das ist alles, was ich von ihm weiß.“

Bis letzte Woche, hatte ich noch nie ein Lied von Drake gehört.

Okay, das stimmt nicht ganz. Ich bin mir sicher, dass ich ein paar seiner Songs schon über Lautsprecher bei Basketball- oder Baseball-Spielen gehört habe. Ich habe ihn auch schon oft auf Features anderer Künstler gehört, aber ich könnte nicht mal unter Druck eine Zeile von ihm auswendig aufsagen—glaubt mir, ihr wärt überrascht, wie oft es passiert, dass mir Fremde auf der Straße Geld anbieten, damit ich ihnen Drake-Lyrics aufsage. Ich lebe auch nicht hinter dem Mond oder bin ein kultureller Snob, der nur dänische Kinderchöre und Edith Piaf-Cover hört. Wenn wir uns also darauf einigen können, dass ich cool bin, auch wenn ich noch nie davor Drake-Songs gehört habe, können wir weiter machen.

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Vielen Dank.

Drake ist jemand, der tatsächlich die Chance hat, der größte Künstler der Welt zu werden. Ich weiß, dass das nicht lächerlich ist, denn ich habe dieses Argument vielen Freunden und Kollegen vorgebracht und sie haben mich nie ausgelacht. Sie waren sich zwar nicht darüber bewusst, dass ich nicht die leiseste Ahnung seiner Musik habe, aber das spielt jetzt keine Rolle.

Weil Drake eine Musikgröße ist und sein Einfluss auf die Branche offensichtlich extrem groß ist, erscheinen hier bei Noisey auch einige Beiträge zu dem neuen Album. Trotzdem möchte ich fragen, wieso dann jemand wie ich—wir hatten ja beschlossen, dass ich cool bin—noch nie ein einziges Lied von ihm gehört hat. Und vor allem—und das ist an dieser Stelle noch wichtiger—wieso das kein Problem für mich war?

Wir haben nun den Teil des Artikels erreicht, in dem wir darüber sprechen, wie aktiv wir auf Twitter, Facebook etc. sind, denn das ist etwas Essentielles, das jeder Artikel über zeitgenössische Trends tun muss. Dieser Aspekt ist so klischeehaft geworden und wird bereits als selbstverständlich betrachtet. Aber diese Art der Vernetzung und das öffentliche Hin-und-Her ist nicht wirklich tiefgehend. Es ermöglicht uns zwar an Ereignissen, Menschen und ihrem jeweiligen Tagesgefühl teilzuhaben, es ist aber eher, als wäre man ein Passagier, der aus dem Fenster eines Zuges auf die Welt schaut: Der Passagier sieht Fabriken vorbeiziehen, kann aber nicht wirklich sagen, was genau in den Fabriken passiert und wie sie sind. Aber wenn er sie oft genug sieht, wird er trotzdem vertraut mit dem Thema Fabriken per se und weiß eben, dass es solche gibt.

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Und das ist auch der Grund, wieso ich Drake so gut kenne, ohne dass ich jemals wirklich ausprobiert habe, seine Musik zu hören.

Ich weiß, dass Drake Sweater mag und dass er manchmal traurig ist. Oder, dass er Kanadier ist und einen Jugendlichen im Rollstuhl an einer kanadischen Schule interviewt hat. Ich weiß auch, dass er halbjüdisch ist und süchtig nach FIFA. Das alles weiß ich durch seine Twitter-, Facebook- und Tumblr-Accounts oder aus der Fernsehwerbung. Ich weiß das außerdem, ohne mich wirklich um dieses Wissen bemüht zu haben.

So sieht nämlich kulturelle Osmose im Jahr 2013 aus. Sie ist einfach und verleitet leicht zu Fehlschlüssen. Ich kenne also Drake, das Meme. Das ist alles.

Durch soziale Netzwerken vernetzt zu sein und so kulturelle Trends auzusaugen, ist nichts Neues. Aber der Prozess hat sich verändert. Hätte Drake vor 25 Jahren gelebt, hätte ich wenigstens einen seiner Songs im Radio gehört. Von dort aus hätte ich dann, je nachdem wie gut ich ihn gefunden hätte, versucht weitere Informationen über ihn zu bekommen. Ich hätte mich aktiv um diese Informationen bemüht. Ich hätte Radio gehört, wenn ich gewusst hätte, wann er dort gerade gespielt wird. Ich hätte Magazine gekauft, wenn ich gewusst hätte, dass er auf dem Cover ist oder ein Interview für die aktuelle Ausgabe gegeben hat und ich hätte im Fernsehen genau die Sendungen angeschaut, bei denen ich aus dem Programm gewusst hätte, dass er gerade zu Gast ist.

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So würde ich auch all die anderen Dinge über ihn herausfinden—dass er Kanadier ist oder das mit seiner Traurigkeit—um mehr über die Person hinter dem Musiker Drake zu erfahren. Heute, ist es genau andersherum. Deswegen, und obwohl ich die Möglichkeiten hätte, Drakes Musik auf meinem Computer abzuspielen—vor dem ich eh viel zu viel Zeit meines Lebens verbringe—habe ich noch nie seine Musik gehört. So war das bis zu dem Moment, als ich gefragt wurde, ob ich ein Review über Nothing Was The Same für Noisey schreiben möchte. (Ja, sie haben sich absichtlich jemanden gesucht, der nicht mehr als eine Drake-Single kennt, um über sein neues Album zu schreiben. Das war vielleicht dumm, aber ich bedanke mich hiermit.)

Der Titel Nothing Was The Same oder #NWTS, wie ich es oft auf Twitter gesehen habe, mag eine gute Idee von Drake gewesen sein, oder auch nicht.

Der erste Track „Tuscan Leather” ist nach einer Kolonie benannt, beinhaltet ein leicht beschleunigtes Whitney Houston-Sample und hat so viele Referenzen, wie es nur überhaupt möglich ist. Es war mir gleich alles etwas too much. In der dritten Strophe fragt er sich selbst, wie lange er denn wohl noch für das Intro brauchen würde und ich begann langsam zu verstehen, warum Musikjournalisten—auch wenn sie nur hundert Wörter über Drake schreiben, auf jeden Fall das Wort „egozentrisch“ einbauen.

Das Album schreitet ab dann sehr selbstbewusst fort und manche Tracks wie „Too Much“ geben sogar autobiografischen Inhalt, ohne so angestrengt lustig zu wirken. Die restlich Zeit versucht Drake aber genau das für meinen Geschmack etwas zu sehr. Egal ob er gerade hart oder lustig wirken möchte, gefallen will Drake immer.

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Trotzdem war es schon ganz nett, jemand wie ihm zuzuhören, vor allem wenn du dir davon so viel erwartet hast (was ich tat). Im Großen und Ganzen war ich beeindruckt was für ein guter Texter Drake ist. Das klingt jetzt vielleicht herablassend—scheiße, es ist vielleicht auch herablassen—aber für jemanden, der zum ersten Mal Drakes Musik hört, sticht das eben heraus. Das wird bei „Pound Cake“ neben Jay-Zs schrecklichem Part noch deutlicher. (Ernsthaft, die sollten über das Album von Jay noch mal drüber gehen. So wie Spielberg die Waffen bei E.T. gestrichen hat)

Nothing Was The Same ist lang und vielfältig. Viele Tracks haben mir nicht gefallen und andere wiederum, fand ich extrem gut. R’n’B-Rückfälle wie „Hold On, We’re Going Home“ sind astrein. Dieser Track hat mich sogar davon abgehalten, das Album in einem Zug durchzuhören, da ich immer wieder auf Repeat drücken musste. Ich höre gute Lieder aber generell oft gerne auf Wiederholung.

Es wird Millionen Worte und tausende Meinungen über dieses Album geben. So funktionieren die Dinge heutzutage. Und all diese Rezensionen, Überlegungen und „Versionen", die es geben wird—so wie diese hier, ganz egal, wie uninformiert und jungfräulich sie ist—werden einen konstanten Strom an Informationen bilden, der sich selbst und einen sehr beliebten Künstler projiziert und definiert.

Für mich wird es schön sein, all das aufzunehmen, jetzt wo ich weiß, wie sich Drakes Musik anhört.

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Ach ja, und er ist nicht annähernd so traurig, wie ihr alle tut.

Nick Greene ist wahrscheinlich selbst noch trauriger als Drake. Er ist auch bei Twitter@nickgreene

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