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You Need to Hear This

Die VMAs sind immer noch das Beste, das nicht im TV übertragen wird

Während ihr gestern Nacht geschlafen habt, haben wir uns die VMAs reingezogen. Wir mussten mehr als einmal an Landminen und Bombengürtel denken.

MTV Video Music Awards. Eine Nacht, in der so getan wird, als ginge es um die Verleihung von Preisen für die besten Musikvideos des Jahres. Tatsächlich steckt hinter der Veranstaltung aber die US-amerikanische Teleprompter-Industrie. Es ist 2:08 Uhr, mittlerweile habe ich einen Stream gefunden der funktioniert, dafür fehlen die unteren zehn Prozent des Bildes. Des Weiteren befindet sich in der rechten oberen Hälfte ein Countdown, demzufolge das Ganze hier erst in 50 Minuten losgeht. Oh Gott.

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02:15 Uhr. Es ist ein bisschen her, dass ich zuletzt VMAs geguckt habe, aber damals wurden die Awards tatsächlich noch während der Veranstaltung und nicht schon auf dem roten Teppich verliehen. Angeblich fängt das Ganze hier erst in 40 Minuten an und bisher haben bereits Pink als auch irgendeine Band, von der ich noch nie gehört habe, jeweils einen Preis gewonnen. Amerikanische MTV-Moderatorinnen schreien hysterisch in die Kameras und interviewen Wiz Khalifa, der kein einziges Wort sagt. Schneller Schnitt. Frauen, die keine Hosen tragen werden eingeblendet. Alle reden sehr schnell. Jetzt wieder Werbung. Ich stehe kurz vor einem epileptischen Anfall.

Eine Popgruppe, die komplett in schwarz-rot gekleidet ist, tritt auf dem roten Teppich auf und tritt das Vermächtnis der Backstreet Boys mit Füßen. Ist MTV jetzt endgültig broke? Gibt es vielleicht gar keine richtige Location für die Verleihung und alles findet aus Kostengründen draußen statt? Sway, die schwarze Musikfernseh-Version des niemals alternden Keanu Reeves, zeigt bedrohlich in die Kamera, starrt mir mit leeren, toten Augen direkt in meine Seele und ruft „You guys don’t go anywhere!“ Ich wünschte, er hätte damit nicht Recht. Zeit, in der Küche nach Alkohol zu suchen.

Pharrell Williams und ein nicht näher benannter Freund fahren mit Fahrrädern über den roten Teppich. Niemand stellt das in Frage. Noch 15 Minuten bis das Ganze offiziell anfängt und ich habe für den Rest der Nacht nur eine halbe Flasche Rotwein. Das Einzige was mich zum jetzigen Zeitpunkt davon abhält, wippend in der hintersten Ecke meiner Wohnung zu kauern, ist die Tatsache, dass alle drei Minuten Werbung gemacht wird. Update zum Breakdance-Auftritt von vorhin: Anscheinend handelte es sich bei dem Typen im rot-schwarzen Leder-Sadomaso-Outfit um einen Einzelkünstler namens Austin. Mein Fehler.

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Die Veranstaltung startet. Mit dieser Einstellung. Eine psychotisch starrende Frau, die sich als leere PowerPoint-Folie verklei…. Oh, es ist Lady Gaga. Jedes mal, wenn der Stream nach einer weiteren Unterbrechung meiner Wifi-Verbindung neu startet, trägt sie eine andere Perücke und ich weiß nicht ob es an meiner eklatanten Übermüdung oder dem Rotwein liegt, aber irgendwie macht mich das glücklich. One Direction sind „so excited“ dass sie hier sein können, Baby, und verleihen an der Stelle dann auch gleich mal den Award für das beste Pop-Video. Wenn Bruno Mars gewinnen sollte, befinden sich 50 Prozent der Musiker, die ich richtig hasse, zeitgleich auf einer Bühne. Zeit für eine gut platzierte Landmine.

Oh mein Gott, nein, es ist SELENA FUCKING GOMEZ! Bruno Mars wird kurz eingeblendet, wie er seine verkrampften Koks-Kiefer aufeinander presst, während sich mir die Erkenntnis aufdrängt, für welche Frau er garantiert keine Granate fangen würde. Die „Professional“-Kategorien wie die für die besten visuellen Effekte oder die beste Choreo werden in einem dreisekündigen Beitrag zusammengefasst. Ryan Lewis und Macklemore haben gewonnen und Bruno Mars und Justin Timberlake. Und andere auch noch. Ich schreibe dies mit weit aufgerissenen Augen, denn während ich tippe passiert Unfassbares.

Miley Cyrus steigt aus einem riesigen Sci-Fi-Teddybären, der an den blinden Star Trek-Typen erinnert, und performt diesen schrecklichen neuen Song, während im Hintergrund kleinwüchsige Menschen in Bärenkostümen tanzen, die aussehen als wären sie einer Image-Kampagne für Pädophilie entsprungen. Ein bisschen überraschend ist es dementsprechend auch, dass Robin Thicke, der mit der mittlerweile nur noch in Unterwäsche gekleideten Miley „Blurred Lines“ performt, nicht mit einem weißen Vergewaltiger-Van auf die Bühne gefahren kommt. Mittlerweile scheint sich auch jeder auf der Bühne zu befinden, der jemals einen schlechten Sex-Track gemacht hat. Leider kann ich nicht sagen wer, weil die Streamqualität mittlerweile so schlecht ist, dass Gesichter nur noch aus farbigen Pixeln bestehen. Es ist 3:23 Uhr.

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Lil Kim hingegen scheint mittlerweile nur noch aus künstlichen Körperteilen zusammengesetzt zu sein und präsentiert zusammen mit Iggy Azalea das beste Hip Hop-Video. Macklemore und Ryan Lewis gewinnen wenig überraschend, weil sie verrückt aussehende Menschen und Tiere im Clip hatten und Drake klatscht. Ich glaube, er hat sehr weiche Hände und cremt sie oft ein. Außerdem wird er David Schwimmer immer ähnlicher. Sind die beiden verwandt? Kommt David Schwimmer aus Kanada? Ich werde das in Erfahrung bringen. Kleiner Einschub aus der Werbepause: Anscheinend kann man in den USA Gesichtswaschlotion erwerben, die verhindert, dass nach längeren Telefongesprächen Make-Up am Smartphone-Bildschirm klebt. Geil!

Irgendein Typ in einem überaus geschmacklosen Hemd macht sich über die bisherigen Stars lustig und behauptet, er sei nicht der Host der Veranstaltung. Ich glaube, er lügt. Jared Leto, der aussieht wie Jesus, kündigt „Yeezus“ an, der aussieht wie Kanye West und den schlimmsten Autotune-Auftritt aller Zeiten vor der Fotografie eines Sumpfgebiets abliefert. Ich bin so fassungslos, dass ich vergessen habe, einen Screenshot zu machen.

Pharrell Williams, Daft Punk und ein Mann mit einer schwarzen Langhaarperücke sind auf der Bühne und verleihen den Mondmann für das beste Video einer weiblichen Künstlerin. Ohne Fahrrad, dafür aber im Glitzerjacket. Taylor Swift gewinnt, bedankt sich artig bei allen und scheint die einzige Person dieser Veranstaltung zu sein, die während der Verleihung dasselbe trägt wie auf dem roten Teppich. Anschließend spricht der rothaarigste Mensch der Welt in die Kamera und präsentiert den Award für das beste Video mit sozialer Message. Das scheinen selbst die MTV-Leute so unfassbar langweilig zu finden, dass die Nominierten noch nicht mal vorgestellt sondern einfach nur aufgesagt werden. Macklemore, Ryan Lewis und eine mir unbekannte Frau gewinnen. Das ist, glaube ich, schon ihr vierter Award oder so, aber ich kann es euch nicht genau sagen, weil ich parallel gerade echt einen Run bei Robot Unicorn Attack 2 habe.

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Get More: 2013 VMA, Artists.MTV, Music, Justin Timberlake

Jimmy Fallon sagt den Tränen nahe Justin Timberlake an, der sich gerade durch den kompletten Veranstaltungskomplex performt. Dann bricht mein Internet zusammen. Justin, falls du das hier trotzdem liest: Trenn dich von dieser Jessica Biel! Du und Britney, ihr gehört einfach zusammen. Das wusste die ganze Welt spätestens bei eurem gemeinsamen Auftritt, wo ihr beide diese Jeans-Outfits getragen habt. Ich weiß, sie ist nicht einfach, aber gib ihr noch eine Chance! (Ich bin mir ziemlich sicher dass ich schon jetzt in seine Gedanken vorgedrungen bin, er spielt nämlich „Cry Me A River“). Es ist 4:07 Uhr und es fühlt sich ungleich später an. Ich glaube, dieses stundenlange Justin-Medley wird das Letzte sein, was ich in meinem Leben zu sehen bekomme.

Stolz präsentiere ich euch den pixeligsten Screenshot aller Zeiten. N*Sync performen ihre größten Hits und ich hoffe einfach nur, dass ich den Stern an die richtige Stelle gesetzt habe. Die Situation könnte nur noch dadurch besser werden, dass die Backstreet Boys auftauchen und es zu einem epischen Dance Off kommt, im Rahmen dessen One Direction merken wie albern sie sind und sich simultan die Pulsadern aufschneiden. Kurzes Update: David Schwimmer kommt übrigens nicht aus Kanada, sondern wurde in New York geboren. Wo die VMAs stattfinden. Die Drake eigentlich nicht besuchen wollte, weil er gerade sein Album fertigstellt. Kann das Zufall sein? Mal ganz ehrlich jetzt: Hat man die beiden jemals zeitgleich im selben Raum gesehen? Es ist 4:17 Uhr, Justin Timberlake befindet sich immer noch auf der Bühne und hat nicht einmal sein Outfit gewechselt. In derselben Zeit hätte Lady Gaga mehr Perücken auf dem Kopf gehabt als Nicki Minaj in ihrem gesamten bisherigen Leben. Anscheinend bekommt er jetzt einen besonderen Award, weil er… cool ist oder so. Ich war kurz weggetreten.

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Ich ignoriere den Fakt, dass die süßen Boys von One Direction eben den Award für den besten Sommersong gewonnen haben und starre fasziniert auf das Größenverhältnis zwischen A$AP Rocky und einem Basketballspieler (?). Leider kann ich euch nicht sagen, warum sie auf der Bühne stehen und worum es geht, weil mein Stream gerade abgekackt ist, aber A$AP Rocky trägt ein wirklich adrettes Hemd. Jetzt läuft die Übertragung wieder und Macklemore, Ryan Lewis und die Alte von vorhin performen den sozial engagierten Song. Laaaaangweilig. Könnte mir jetzt gut vorstellen, wie Kanye West mit einem Bombengürtel die Bühne entert.

Nächste Seite: Das Highlight des Abends

Austin Mahone, der Breakdance-Leder-Typ vom roten Teppich, hat den Newcomer-Award gewonnen, für den die Fans den kompletten Abend voten konnten. Emeli Sande hasst ihn offensichtlich. Bevor die Kameras irgendwelche Handgreiflichkeiten einfangen können, wird auf den Live-Auftritt von Drake umgeschwenkt. Ratet, wer nicht zu sehen ist. Richtig: David Schwimmer. Es ist 4.53 Uhr, mein Blick wird zunehmend glasig und ich glaube, ich habe mich auf meiner Couch bereits wundgesessen.

Taylor Swift präsentiert das beste Video von einem männlichen Künstler und betont das innerhalb von zwei Sätzen gleich mehrfach. Das finde ich überaus vernünftig. Nach mehr als zweistündiger Übertragung dieser Veranstaltung wäre selbst Stephen Hawking hirntot. Bruno Mars gewinnt den zweiten Award des Abends, während sich die Sängerin taktvoll ins Off zurückzieht, damit es nicht ganz so offensichtlich ist, dass der Gewinner einen halben Meter kleiner ist als sie. Selbst mit Hut. Eingerahmt wird dieser so große und wichtige Preis übrigens von zwei Werbeunterbrechungen, die jeweils länger als die Sendezeit dazwischen sind. Jetzt will mich MTV wirklich nur noch quälen. Und wenn ich noch einmal den Spot für das womöglich schlechteste Release, das Eminem jemals raushauen wird, sehen muss, erbreche ich mein gebrochenes Fan-Herz in die Kopfbedeckung von Bruno Mars. Der jetzt auftritt. Werbung. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst.

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Joseph Gordon-Levitt, dessen Namen ich sicherheitshalber noch mal auf korrekte Rechtschreibung gegooglet habe, verkündigt, wer den WICHTIGSTEN AWARD DES ABENDS gewonnen hat. Ich nenne den Namen nicht, aber es handelt sich um die einzige Person, die eine gefühlte Stunde auf der Bühne performt hat, um auch wirklich jeden Song unterzubringen, den sie jemals gemacht hat. Er. Ja, natürlich ist es Justin Timberlake, der laut Voting mit „Mirrors“ das beste Video des Jahres abgeliefert hat. Wohooo.

Endlich haben wir es zum „event of the evening“ und Abschluss der Veranstaltung geschafft. Katy Perry singt „Roar“ zum ersten Mal vor Publikum und Pepsi muss auch irgendetwas damit zu tun haben, zumindest fiel sowohl der Name der Sängerin als auch der des Getränkeherstellers seit dem Beginn dieser Tortur schätzungsweise 34-mal. Dass dieser Auftritt als das Highlight der Awardshow verkauft wird, sagt dann wahrscheinlich auch so ziemlich alles über die Verleihung, was es überhaupt zu sagen gibt. 5:23 Uhr und ES IST VORBEI. Mit zitternden Fingern tippe ich diesen Text zu Ende und schicke ihn an die Redaktion. Ich hoffe ich träume nicht von David Schwimmer.

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