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Die Geschichte von Kompakt in acht Veröffentlichungen

Zum 20. Geburtstag von Kompakt haben wir uns die acht wichtigsten Veröffentlichungen des Labels etwas genauer angesehen.

Wir schreiben das Jahr 1993. In Köln haben sich gerade die Freunde Wolfgang Voigt, Jörg Burger, Jürgen Paape und Ingmar Koch zusammengetan und einen Plattenladen namens „Delirium“ eröffnet. Niemand anderes als der damalige Kunde und DJ Michael Mayer kauft sich in das Projekt mit ein und wird schnell zum entscheidenden Akteur des Projekts, denn er bringt den Laden zum Laufen. Das kleine, musikalische Mikrouniversum der Freunde wird zu dieser Zeit größtenteils durch Pop, etwas britischen Synthie-Pop aus den nördlich Industriestädten und der aufkommenden Techno- und House-Szene beeinflusst, die das Unternehmen bis 1998 wesentlich prägte. Irgendwo zwischen dem Namenswechsel von „Delirium“ zu „Kompakt“ und der Ernennung eines hauseigenen Chefs, beginnt der kleine Adler (das Logo von Kompakt, basierend auf dem Kölner Stadtwappen und entworfen von Bianca Strauch) seinen ganz eigenen Sound zu definieren. Und der geht weder an der Stadt Köln noch der gesamten Techno-Szene vorbei.

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Die naive und dabei nicht komplett falsche Herangehensweise an die festgelegten Grenzen der Technomusik bringt sie unter dem Siegel von Kompakt zur selbstbewussten Einführung von Pop-, Trance- und Ambient-Einflussen. Gerade die frühen Veröffentlichungen setzen einen Trend zu grobem Minimal-Sound, der sieben Jahre später überall zu finden ist, während Kompakt weiterhin ihren eigenen Sound festigen und erweiterten—exakt auf den Punkt gebrachte Klänge, mit einem Hauch sehr bewegender Melancholie (wie wenn dir eine bittersüße Euphorie eiskalt den Rücken herunterläuft, nachdem sie in deinem Kopf wie eine Konfetti-Kanone explodiert ist). Das machen sie so gut, dass der Name des Labels sich auch in journalistischen Kreisen schnell etabliert und ein Pseudonym für alles leicht Bewegende und 4/4-Takte wurde. Wenn sich nun heute irgendein armer Kerl Moll-Akkorde über eine Kick Drum legt, wird seine Musik deswegen schnell als „kompakt-ös“ abgestempelt. Noch aussagekräftiger finde ich allerdings die Tatsache, dass es mittlerweile alle möglichen Bands total angesagt finden, den Namen des Labels zu nennen und damit in der Musikszene zu prahlen—mit Rehaugen und ganz aufrichtig, versteht sich. (Ja, Friendly Fires, damit meinen wir euch!)

Kompakt ist gerade 20 Jahre alt geworden, weswegen wir dem Label unsere Ehre erweisen wollen. Hier könnt ihr die Geschichte von Kompakt noch einmal in acht Veröffentlichungen nachlesen:

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Jürgen Paape -Triumph(1998)

Trotz seines großenTalents aus Schlagern Gold zu machen (Beispiel: „So weit wie noch nie“), ist Jürgen Paape wahrscheinlich unschlagbar darin, guten und sehr typisch deutschen Techno zu produzieren. Während zu kurzen Clips zerstückelte Hi-Hats und einzelne, knisternde Detroit-Style-Akkorde kommen und gehen, bildet die Kick-Drum das derbe, klebrige Rückgrat, das das Monster zusammenhält. Auch wenn sich fast alle seiner zahlreichen Veröffentlichungen bei Kompakt für unser Review geeignet hätten, haben wir diesen Song ausgewählt. Weil er von damals ist als alles begann.

Reinhard Voigt -Robson Ponte(1999)

Enthaltsamer Formalismus als antreibende Partymusik. Der süße Reinhard ist Wolfgangs jüngerer Bruder und jemand, der eindeutig die Tradition, außergewöhnliche Musik zu machen, fortgesetzt hat. „Robson Ponte“ ist ein gutes Beispiel für die frühsten Anfänge des Labels. Die Kombination eines Knüppels und einem etwas komisch klingendem Loop, mit einem düsteren Überzug versetzt. Aggresiv, betäubend und energisch. Es bleibt genau dieses, nur zu gut bekannte scheußliche Gefühl zurück. Robson Ponte ist übrigens ein brasilianischer Fußballer, der eine Zeit lang bei Bayer Leverkusen gespielt hat.

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Justus Kohncke2 After 909(2002)

Falls so etwas wie synthetische Klänge wirklich unter die Haut gehen können, dann bestimmt ausschließlich in der Welt von Justus Kohncke. Kompakt hat wahrscheinlich nie mehr etwas so liebenswertes (oder auch effizientes) wie „2 After 909“ gesehen. Kohncke ist schlicht einfach der Meister des asketisch, syntetischen Disco Sounds. Der Hall dieses tiefen Organs, die bauchigen Synths, die Übergänge und dieser durchgängig, abgehackte Mikro House machen seine Musik zum Aushängeschild des Labels. Fast etwas widersprüchlich, dass Justus Kohncke ebenso für den poppigen Disko-Song „Timecode“ verantwortlich ist. Ein Mix aus dem Bass von Lipps Inc’s „How long“ und komischerweise auch diesem klassischen Stück House.

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M. MayerImmer(2002)

Mir fallen so viele Tracks des Musikers aus dem Schwarzwald ein, die es auch hierher geschafft hätten: „The Schaffeling“, „Love Is Stronger Than Pride“, „Lovefood“ und dieser fast etwas lächerlich kitschige Remix von den Pet Shop Boys—„Flamboyan“ (Ja okay, der vielleicht nicht gerade). Aber diese willkürlich zusammengesetzte Sammlung seiner Hits veranschaulicht deutlich, dass Mayer im Stande war, seinen antipuristischen Impulsen zu folgen und sie in Eleganz umzuwandeln. Wie das im Minimalismus eben so ist, gibt es hierbei kein einzig überflüssiges Element. Mayer legt sehr viel Wert auf Details und verliert trotzdem nie den Blick für das große Ganze. Und das in einem Zeitalter, in dem das Internet unzählige Möglichkeiten bietet, kostenlos an Musik zu gelangen und die Idee eines unentbehrlichen Remix unrealistisch erscheinen mag—doch genau so ist die Musik von Mayer, unentbehrlich.

SuperpitcherHere Comes Love(2004)

Pop stellte schon immer einen wichtigen Pfeiler im Kompakt-Universum dar. Es war Aksel Schaufler, der diesen Pop stets in seiner Urform reproduziert und meist auch in unverdünnter Konsistenz präsentiert hat—auch wenn das manchmal klingt, als würde das nur unter Einsatz starker Medikamenten funktionieren. Sein Debüt hatte er mit „Here Comes Love“, das auch ein Cover von „Fever“ sein könnte. Ok, es erstreckt sich über einen 4/4-Takt und schenkt dem Mikro-Level mehr Aufmerksamkeit, als du es von einem gewöhnlichen Kompakt Stück erwarten würdest—sondern vermutlich eher von einer erstklassigen Nabelschau. Aber wen veräppeln wir hier eigentlich? „We Are Sad Boys For Life” ging der Refrain von „Sad Boys" und rechtfertigte eine Generation von übersensiblen schaltragenden Europäern.

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The FieldFrom Here We Go Sublime(2007)

Die 2000er waren eine seltsame Zeit für das Label. Das Monster, die sie selbst erschaffen hatten, wuchs und gedieh zwar, aber Versuche, mit Kompakt-MP3.net auf den digitalen Markt zu gehen, liefen ins Leere. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis das Label seine Bedeutung zurück erlangte. Durch „From Here We Go Sublime“ verewigte sich Axel Willner mit einem sich stets wiederkehrenden Loop, der nur einmal von Lionel Richies „Hello” unterbrochen wird. Da er sich generell weigert, gewisse Grundregeln des Genres einzuhalten, gibt es bei ihm keine typische build- und drop-Struktur. Es ist ein bisschen Freude—an einem Stück.

Mathias AguayoMinimal(2009)

Als die Minimal Szene langsam etwas stagnierte und einer Parodie würdig wurde, (Ja, wir haben zu viele Drogen genommen und DAS WISSEN WIR ALLE) kam Mathias Aguayo des Weges. Er war ein Außenseiter, und zwar geografisch und musikalisch. Sein Angriff auf eine Musik, die nach seinen Aussagen „keinen Groove und keine Eier“ mehr hatte, war nicht nur unglaublich lustig, sondern auch dermaßen gut, dass er alle Produzenten, die sich immer noch mit Kickdrum und Pitch-Down Vocals aufhielten, beschämte.

Coma „In Technicolor(2013)

Die beiden Freunde Marius Bubat und Georg Conrad sind so alte Bekannte von Kompakt. Es ist fast schon rührend, dass das Label bereits lange genug besteht, um diese beiden unter dem Schirm zu haben. Indem sie ihre hausgemachten Melodien in ein Techno-Gitternetz zwängen, repräsentieren sie nicht gerade das Grenzland der Dancemusik. Das sich drehende Rad ist komplett um die einatmende-ausatmende Arpeggios herumgebaut, mit ein paar fesch eingeworfenen Handclaps. Was das trotzdem beweist: Das Label wird auch in zwanzig Jahren noch nicht altbacken sein.

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