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Die Geschichte von Heavenly Records in acht Veröffentlichungen

Die Entwicklungskurve des britischen Indielabels hat seit der Gründung eine bemerkenswerte U-Form angenommen.

Über die letzten 18 Monate ist Heavenly Records zu einem Synonym für einen eigentümlichen Bezug zu Musik der 60er und 70er Jahre geworden—einer neuen Art von Nostalgie, wenn du so willst. Heavenlys aktuelles Roster—zum größten Teil bestehend aus unglaublich dünnen Jungs mit schönen Frisuren, die aus den dunklen Ecken angesagter Londoner Bars gefischt wurden—orientiert sich vor allem an ausgefallenem Krautrock und grast alle möglichen Spielarten der psychedelischen Musik ab. Schon einmal fast totgesagt, verdankt das Label seine Auferstehung Bands wie TOY, die schon zwei außerordentliche Alben voller motorischer, Neu!-beeinflusster Jams in nur etwas weniger als einem Jahr produziert haben, oder auch Charlie Boyer & the Voyeurs mit ihrer rotzig glamourösen Art im Stil von Television.

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Heavenly entstand 1990 als Jeff Barrett, damals bei Creation Records, sich mit der Vertriebsfirma PIAS (zu der Zeit noch bekannt als Vital) zusammentat. Seit seiner Gründung hat die Entwicklungskurve des Labels allerdings eine bemerkenswerte U-Form angenommen.

Die Anfänge waren geprägt von der Veröffentlichung abseitigeren Materials, wie den ersten provokanten Singles der Manic Street Preachers, oder der Eröffnung einer Bar in Soho (The Social oder eher The Heavenly Social), damit die damals noch gänzlich unbekannten Chemical Brothers einen Ort zum Auftreten hatten. 2000 tat sich das Label dann mit dem Pop-Moloch EMI für eine neunjährige Zusammenarbeit zusammen. Sie veröffentlichten die Doves, sie veröffentlichten die 22-20s und 2004 nahmen sie The Magic Numbers unter Vertrag—eine Band so grauenvoll unbedarft, dass du der Beziehung zu ihren Geschwistern/Müttern/Liebhabern oder was auch immer dafür verantwortlich war, einen riesigen Wedgie verpassen und die komplette vierköpfige Besetzung einfach nur das Klo runterspülen wolltest.

Wie auch immer, neun Jahre später wurden sie von EMI fallengelassen. Das war 2009. Und wie die Verlassene nach einer ewigen Phase voll Plackerei und Wäsche waschen wieder aufersteht, um zu merken dass sie doch ein heißer Feger ist, kehrte auch neues Leben in Heavenly zurück. Diese Woche wird das Label mit Temples’ Sun Structures sein 100. Album veröffentlichen und um das zu feiern, geben wir euch hier anhand der acht wichtigsten Releases eine Führung durch die unglaublichen Höhen und peinlichen Tiefen, die das Label durchgemacht hat.

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Sly & Lovechild, „The World According to Sly & Lovechild“ (1990)

Barrett fing an, sich immer mehr mit Acid House zu beschäftigen, nachdem er sich von den Shoegaze-Einflüssen seines alten Labels Creation getrennt hatte und zwischenzeitlich für Factory Records in Manchester in der PR tätig war. „The World According to Sly & Lovechild“ war Heavenlys erste Veröffentlichung. Obwohl es jetzt nicht als bahnbrechende 7“ des Labels gesehen werden kann, ist es doch vor allem wegen seiner Production Credits interessant. Insbesondere ein Name, ein gewisser Andrew Weatherall, sollte einer der Grundfeiler in Heavenlys Geschichte bleiben.

Saint Etienne, Foxbase Alpha (1991)

Nach dem Erfolg von „Only Love Can Break Your Heart“—einem Dance Cover von Neil Youngs Original durch die Londoner—veröffentlichte Heavenly das Debütalbum der Band, das auch später für den Mercury Musikpreis nominiert wurde. Diese erste LP-Veröffentlichung des Labels zeigte mit seiner Mischung aus Indie, Dance, House und Synthpop Barretts musikalische Wurzeln auf und war außerdem ein gutes Beispiel für den progressiven Ansatz von Heavenly. Bis 2009 sollten noch weitere zehn Alben von Saint Etienne auf dem Label folgen.

Manic Street Preachers, „Motown Junk“ (1991)

Damals 1991 waren die Manics eine politisch aufgeladene, ästhetisch-konfrontative und überaus polarisierende Band. Mit Slogans wie „BOMB THE PAST“ oder „DESTROY WORK“ mit Sprühfarbe über ihre Oberkörper geschrieben bestand ihr ganzer Ansatz daraus, alles in Frage zu stellen, anzuprangern und anzugreifen, was dem braven Bürgertum lieb und teuer war. Alle, die sich an die Seite der Manics stellten, stellten sich an die Seite der Außenseiter. Zwar hat Heavenly nur zwei Singles der Band veröffentlicht—„Motown Junk“ und das großartig ironische „You Love Us“—aber durch die Unterstützung der Manics in dieser frühen Phase hat das Label seinen Standpunkt von Beginn an klar gemacht.

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Northern Uproar, Northern Uproar (1996)

Einige Jahre nach den gewagteren Veröffentlichungen, gab die Zusammenarbeit mit den zu Recht in Vergessenheit geratenen Britpop-Jungs von Northern Uproar erste Hinweise auf die zunehmend Ausrichtung des Labels am Massengeschmack. Die Band aus Manchester, die am hintersten Ende der gigantischen Britpop-Verwertungskette angesiedelt war, gehörte zu einer Gruppe von Nachzüglern, die versuchte Kapital aus dem Der-kleine-Mann-auf-der-Straße-Ding der Gallagher Brüder zu machen. Ihr Debüt, Northern Uproar, kam immerhin auf Platz 22 der Charts. Ein Jahr später löste sich die Band auch wieder auf.

The Magic Numbers, "Forever Lost" (2005)

Je weniger Worte über Heavenlys EMI Zeit verloren werden, desto besser. Eine besondere Erwähnung gebührt jedoch „Forever Lost“—dem eindeutigen Tiefpunkt dieser Phase. Die Debütsingle des Quartetts aus Earling mit seinem grauenvollen Sommer-Sonne-Feeling war der totale Gegensatz zu allem, was Heavenly bis dahin ausgemacht hatte. Wirklich ein guter Beweis, dass man sich mit Geld keinen Geschmack kaufen kann. The Magic Numbers waren in den folgenden drei Jahren jedoch unglaublich erfolgreich, bevor dann alle wieder zu ihren Sinnen kamen und die Band 2009 in die Ramschkiste verfrachteten, wo sie hingehören.

Edwyn Collins, Home Again (2007)

Eins der raren Highlights der EMI Zeit war jedoch die Rückkehr des ehemaligen Orange Juice Frontmanns Edwyn Collins, nachdem er im Jahr 2005 zwei furchtbare Hirnblutungen überstanden hatte. Ursprünglich litt Collins unter massiven Sprachproblemen und physischen Einschränkungen seiner rechten Körperseite, die ihm eigentlich jede Aussicht nahmen, jemals wieder etwas aufzunehmen. Zwei Jahre nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, veröffentlichte Edwyn dann aber Home Again—eine herzerwärmende Ansammlung von Songs, die nicht nur seinen überwältigenden Kampfgeist zeigten, sondern auch deutlich machten, dass die 80er Ikone immer noch ein unglaubliches Gespür für gutes Songwriting hatte.

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TOY, „Left Myself Behind“ (2011)

Und nun zu Heavenly heute (fast). TOY haben vielleicht zu Beginn ihrer Karriere auf sich aufmerksam gemacht als ‚die Typen, die mal in Joe Lean und The Jing Jang Jong gespielt haben’, aber es hat nicht lange gedauert, bis sich das Quartett mit seinen vielschichtigen Psych-Texturen und den abgefahrenen Tempi einen eigenen Namen machte. Bemerkenswerterweise war Heavenly von Beginn an dabei und veröffentlichte ihre Debütsingle, als die Band noch vor einer Handvoll Leute im Old Blue Last spielte. Die auf 100 Stück limitierte Erstpressung war innerhalb von einem Tag vergriffen. Hier zeigte sich Heavenlys Rückkehr zu alten Stärken.

Charlie Boyer & the Voyeurs, Clarietta (2013)

Mit Charlie Boyer & the Voyeurs, einem der aktuellsten Alben, die sich mit dem ikonischen Heavenly Bird (http://heavenlyrecordings.com/wp-content/uploads/2011/04/heavenlyBird-transparent.png) schmücken dürfen, schließt sich der Kreis und zeigt sich die Rückkehr des Labels zu den ausgefalleneren Ausläufern des musikalischen Spektrums, um die es auch zur Gründungszeit ging. Eins der besten Debüts des letzten Jahres, Clarietta, ist so glamourös wie es kalt ist. Ein Album, das es schafft, kleine Bröckchen Modern Lovers-mäßigen Proto-Punks hinzurotzen und gleichzeitig so zu klingen, als ob es ihnen scheißegal ist, was andere über sie denken. Die 90er waren die Geburtsstunde des Labels und die 00er Jahre fast sein Tod. Wie es aussieht, ist Heavenly diese Dekade in guten Händen.

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