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You Need to Hear This

Die Evolution des MF Doom

Vor der exklusiven Doom-Premiere bei You Need To Hear This in dieser Woche spüren wir der Karriere der unnachahmlichsten Figur im HipHop nach.

Foto via RESPECT

MF Doom ist die unnachahmlichste Figur im HipHop. Der in London geborene und in New York aufgewachsene Daniel Dumile besaß schon künstlerische Anonymität, lange bevor sich SBTRKT mit Federn schmückte oder Daft Punk ihre Gesichter in Tüten steckten—er ist genauso erfolgreich, wie er gesichtslos ist. Aus der Anonymität hinter seiner Metallmaske heraus, hat sich Doom sorgfältig eine eigene Welt geschaffen, die seit jeher von einer sektenähnlichen Anhängerschaft bewohnt wird, die so kein anderer Rap-Künstler vorweisen kann. Es ist eine Welt voller Science-Fiction-Referenzen und Anspielungen auf Comics, konstruiert von einer multiplen Persönlichkeit, untrennbaren Visuals und dem mühsam zusammengeschusterten Korpus der Musik. Seien es nun Konzeptalben oder nicht für möglich gehaltene Kollaborationen, Dooms Welt ist ein Unikat.

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Da in dieser Woche eine Premiere hier bei YNTHT ansteht, schauen wir uns die Meilensteine aus den vielen Kapiteln des MF Dooms noch einmal an. Im Voraus könnt ihr euch hier schon mal den Teaser ansehen:

KMD und Zev Love X

Dumile wuchs in Long Island auf. Er vertrieb sich seine Zeit damit, Musik zu machen, und tauchte auf der anderen Seite immer tiefer in die Welt der Comic-Bücher und Computerspiele ein. Durch den Einfluss seines Bruders DJ Subroc verlagerte sich sein Fokus bald auf die Musik, und Rappen und Produzieren wurden zu mehr als nur einem Hobby. Im Jahre 1988 gründeten sie zusammen Kausing Much Damage, bekannt unter dem Namen KMD.

Der A&R Dante Ross wurde auf KMD durch ihren Gastauftritt bei „The Gas Face“ von 3rd Bass aufmerksam und so veröffentlichten sie im Jahre 1991 ihr Debütalbum Mr. Hood. Zu dieser Zeit waren alle Mitglieder Anhänger der Ansaar Allah-Community, so dass sich die LP im Besonderen um afroamerikanische Themen wie Religion und Rassismus drehte, aber gleichzeitig Samples von der Sesamstraße nutzte. Bescheidenen Erfolg erzielten sie dennoch eher mit leichteren Tracks wie zum Beispiel „Peach Fuzz“.

Im Jahr 1993 wendeten sie ihrem noch recht ausgelassenen Debüt gänzlich den Rücken zu. Black Bastards wurde jedoch wieder schnell aus den Regalen genommen, nachdem Elektra Records den Titel und das Cover-Artwork für zu kontrovers hielten. Kurz danach wurden sie von Elektra fallen gelassen. Das Album Black Bastards brachte nach unzähligen Bootlegs KMD jedoch Kult-Status ein, so dass die LP viele Jahre später im Jahre 2000 noch einmal veröffentlicht wurde. Dumile und sein Alter-Ego Zev Love X verschwanden nach einem familiären Zwischenfall jahrelang vom Musikradar.

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Das erste Auftauchen vom Metal Face und Operation: Doomsday

Foto via GrandGood

Ende 1997 tauchte Dumile wieder auf und performte bei mehreren Open Mic-Nächten in New York, wie zum Beispiel im Nuyorican Poets Café. Dabei trug er stets verschiedene Verkleidungen. Aber das Pendant zu seinem ersten eigenen Release als MF Doom—Operation: Doomsday—wurde eine alte Metallmaske aus der Requisite. Veröffentlicht wurde das Stück 1997 über das Inide-Label Fondle ‘Em Records. Die melodischen Upbeat-Afrozentrismen des Zev Love X wurden nun gegen sein von Marvels Dr. Doom-Comic inspiriertes Alias und seiner Suche nach Anonymität eingetauscht, die von einem Hass auf die Post-KMD-Musikindustrie rührte.

Doom erklärte das Auftauchen seines Alter-Egos damals der Wire:

„Der MF Doom-Charakter ist eine Kombination aller Schurken der Zeitgeschichte. Der klassische Bösewicht mit der Maske—im Phantom der Oper-Stil. Natürlich ist da auch eine Prise Dr. Doom drin, auch ein wenig Destro von GI Joe. Es ist ein Symbolbild der amerikanischen Kultur. Ich habe eine Art Mischmasch aus all den Schurken gemacht und da mein Name Dumile ist, hat mich vorher schon jeder Doom genannt. Es ist eine Parodie auf all die Bösewichte.“

Was anfangs nur eine Möglichkeit war, die Musik wieder zu veröffentlichen, ohne dabei im Rampenlicht zu stehen, wuchs zu einer komplett neuen Persönlichkeit heran. In einem Interview mit Frank 151 beschreibt ein guter Freund und Sprayer Blake Lethem, wie er der Schöpfung des MF Doom-Charakters geholfen hat, indem er zunächst eine alte Darth Maul-Maske anmalte, die letztlich zum umgeformten Blech vor seinem Gesicht wurde—Dumile als Metal Face Doom.

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Viktor Vaughn, King Geedorah und Monsta Island Czars

Mit Operation: Doomsday erreichte Doom Kultstatus und hielt danach seine Fans mit vielen Produktionen unter diversen Pseudonymen auf dem Laufenden. Im Jahre 2003 arbeitete er mit einem Haufen Produzenten—unter anderem mit RJDJ2—um unter dem Alias Viktor Vaughn das Album Vaudeville Villain herauszubringen. Im selben Jahr entstand auch die Figur King Geedorah, ein Pseudonym unter dem er ausgiebig für die Monsta Island LP Czars Escape From Monsta Island! produzierte und via Big Dada eine eigene LP namens Take Me To Your Leader veröffentlichte. Ein semi-konzeptuelles Album, so Doom:

„Geedorah ist ein Monster aus dem Weltall. Er kommt nicht von der Erde. Ich habe ihn absichtlich anders gestaltet. Eine Mischung aus kranken Texten und Instrumentals. Für mich klingt das wesentlich kranker, als all der lahme Scheiß, der heutzutage draußen ist… Das ganze Album ist die Alien-Perspektive von Geedorah auf die Menschen.“

Madvillainy und das Aufeinandertreffen von zwei verschiedenen Gemütern

Das Aufeinandertreffen mit dem Produzenten Madlib führte zu Madvillainy, einem der vollkommensten Alben in der HipHop-Geschichte. Das heiß erwartete finale Produkt wurde 2004 von Stones Throw veröffentlicht und verpasste beiden ein größeres Publikum, unter anderen dadurch, dass viele Mainstream-Musikpublikationen es durch die Bank weg lobten.

In einem Interview mit EgoTrip erklärte Jeff Jank—verehrter Art-Director hinter Stones Throw, verantwortlich unter anderem für die visuelle Repräsentation von J Dilla oder Dudley Perkins—die Bedeutung von Madvillainy, die Doom unter anderem dazu brachte, seinen ersten richtigen Auftritt vor Publikum zu bestreiten. Nicht nur Dooms Widerwille, ein Foto von Eric Coleman für das Cover zu nutzen, offenbarte Jeff Jank, wie dick die Luft war, nachdem ein Track geleakt wurde, man Alkohol trank und Weed rauchte. Hinzu kam Madlibs und Dooms Bedürfnis nach Einsamkeit, so dass Madvillainy eine lange Zeit brauchte, bis es fertig war. Jank sprach auch von einer ziemlich ungewöhnlichen Inspirationsquelle für das heute ikonische Cover:

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„Eine andere Sache—eigentlich nur ein kleiner Insider-Witz von mir—war, dass das schwarze Foto [von Doom] mich auf irgendeine Weise an das erste Madonna-Albumcover erinnerte, das schwarz/weiße auf dem nur ‚MADONNA‘ stand und das ‚O‘ in orange war. Ich sah beide Cover nebeneinander und musste darüber lachen, es war wie eine Rap-Version von Die Schöne und das Biest. Also habe ich ein kleines oranges Viereck in die obere Ecke gemacht, einerseits, weil es etwas Charakteristisches brauchte und andererseits, weil es dann mit den Farben von Madonna zusammenpasste.“

Zum Release würdigte die überwältigende kritische Rezeption das selbstbewusste Einsetzen von kurzen Tracks und die Rückkehr zum Melodischen seitens Madlibs und Dooms auf dem bescheidenen 45-Minüter. Später, in einem Gespräch mit HipHopDX, bezeichnete Doom Madlib als eine seiner größten Inspirationsquellen und lobte die Beziehung:

„Madlibs Plattensammlung ist verrückt und das Nigga-Beat-Ethos ist einfach nur krank. Manchmal werden Produzenten total technisch und labern dann so Kram wie: ‚Mach die Snare hier mal ein bisschen lauter, ja, nein, jetzt wieder ein bisschen leiser‘. Aber dieser Nigga hier? Er ist eher so drauf: ‚Lass uns ein Album machen. Ich mach' die Beats. Hier, das ist der Loop, lass mich noch schnell die Drums rüberlegen‘. Der Nigga macht den Scheiß einfach und hat dann hunderte, tausende solcher Beats.“

MM…Food und die Rückkehr des Metal Face

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Nach Operation: Doomsday machte MF Doom im Jahre 2004 ein triumphales Comeback mit dem auf Rhymesayers veröffentlichten MM…Food. Das Album war ein weiteres thematisches Unterfangen, bei dem er alles unter kulinarischen Gesichtspunkten anging. Auch wenn es von der Presse nicht so gut angenommen wurde, lobten die Fans MM…Food vor allem für die lyrische Vielfalt und die etwas verspieltere Seite von Doom, sowie seine stark vermissten eigenständigen Produktionen mit solchen Meilensteinen, wie „Hoe Cakes“ oder „Rapp Snitch Knishes“.

MM…Food sah Doom auch wieder mit dem Künstler Jason Jägel eng zusammenarbeiten. Zusammen mit Frank 151 half Doom zwei illustrierte Text-Animationen zu kuratieren, die das Beste aus den mühselig handgemachten Visuals zelebrierten.

Dangerdoom und der Flirt mit dem Mainstream

Im Jahre 2005 pickte Doom sich eine weitere Rosine aus dem Kollaborations-Pool heraus und arbeitete mit dem talentierten Produzenten Danger Mouse zusammen. Zu zweit veröffentlichten sie die LP The Mouse And The Mask unter dem Alias Dangerdoom auf Lex Records. Das Projekt wurde zu einem Zusammentreffen von kommerziellem Durchblick und Rap-Nerd-Pedanterie, mit einer bunten Mischung aus Gastauftritten, vom Absurden wie Aqua Teen Hunger Force—die den schmutzigen aber zufriedenstellenden Refrain für „Sofa King“ offerierten—bis zu Mainstream-Namen wie Cee-Lo—der die Hook für „Benzie Box“ ablieferte—oder Talib Kweli—der „Old School“ beehrte. Aber vor allem die lang erwartete Kollaboration zwischen Doom und dem ebenfalls kryptisch textenden Ghostface auf „The Mask“ erhielt viel Aufmerksamkeit.

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JJ Doom und darüber hinaus

Foto von Klaus Thymann

Nach dem kommerziellen Erfolg von The Mouse And The Mask und nachdem Doom ins Vereinigte Königreich zog, veröffentlichte das britische Label Lex Records im Jahre 2009 das Album Born Like This unter der Kurzform Doom. Obwohl es ein wesentlich düstereres Werk als das ist, was die Madvillain- und Dangerdoom-Konvertiten gewohnt waren—geschnürt mit trostlosen Anspielungen auf Charles Bukowski und untermalt mit Themen der Desillusionierung und des Anti-Establishments—wurde das Album sein erstes Solowerk, das in die Charts einstieg, genauer auf Platz 52 in die amerikanischen Billboard-Charts. Obwohl Born Like This eine etwas trübselige Richtung einschlug, haben sich einige Doom-Debüts daraufhin ineinander verschlungen, wie zum Beispiel seine ersten Auftritte außerhalb der Staaten, musikalische Techtelmechtel mit Thom Yorke oder den Gorillaz und eine weitere EP in Gestalt von Gazzillion Ear. Spult man noch weiter zum heutigen Tage vor, dann wurde vor kurzem ein weiteres kollaboratives Projekt mit dem Lex-Kollegen Jneiro Jarel als JJ Doom angekündigt, wodurch sich die eingefleischten MF Doom-Fans wieder Hals über Kopf in ihn verlieben werden.

Im nächsten Kapitel von Doom findet sich eine glorreich düstere Kollaboration mit The Child Of Lov auf „Owl“, so wie ein Zusammenschluss mit dem Produzenten Clams Casino aus New Jersey auf „Bookfiend“, die Neubearbeitung des bisher unveröffentlichten Track „Bookhead“. Und wo kannst du „Bookhead“ das erste Mal hören? Ja, wir werden das Video, bei dem der legendäre Street-Künstler Steve „ESPO“ Powers Regie führte, exklusiv auf You Need To Hear This veröffentlichen.

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