FYI.

This story is over 5 years old.

You Need to Hear This

Die DNA von Yeah Yeah Yeahs „Fever To Tell“

Vor 10 Jahren erschien das Debütalbum der Yeah Yeah Yeahs und es fing das Gefühl der Zeit besser ein, als es je ein anderes Album geschafft hat.

In unserer neuen Serie DNA erforschen wir Alben, die zu Meilensteinen geworden sind. Heute: „Fever To Tell“ von den Yeah Yeah Yeahs.

Wer über ein Album aus dem Jahr 2003 schreibt, hat das Gefühl, erst mal den historischen Hintergrund erklären zu müssen. Vor fast genau zehn Jahren erschien „Fever to tell“ in einem von Michael Bloomberg regierten New York City. George W. Bush war Präsident der USA, 9/11 erst ein paar Monate her und in Williamsburg/Brooklyn konnte man tatsächlich noch günstig wohnen. Heute heißt es immer „die Band kommt aus New York“ und keiner weiß so recht, was damit gemeint sein soll, außer vielleicht dass sie sich irre Mieten leisten kann.

Anzeige

Das Umfeld: Artsy fartsy Brooklyn

Damals hieß 'aus Brooklyn kommen', dass man einer Szene angehörte, die fruchtbar vor sich hin wucherte. So genannte Garagen-Rockbands wurden gefeiert, man kannte sich untereinander, probierte neue Formationen aus und fand sich zu immer neuen Bands zusammen. Karen O und Brian Chase kannten sich vom College in Ohio, zogen zusammen nach New York und angelten sich in einer Bar ihr drittes Mitglied Nick Zinner. Ihre WG-Mitbewohner in einem Williamsburger Loft waren damals Emily Haines and James Shaw, heute bekannt als Metric. Die wiederum hingen mit Leuten von Broken Social Scene rum und so weiter und so fort.

Das Business: es zuckte noch

Ach ja, 2003 waren Alben noch wichtig. Mehr als heute zumindest. Sie wurden noch ganz ordentlich auf CD gekauft, auch wenn sich dieses MP3 immer mehr durchsetzte. Genau einen Tag bevor „Fever to tell“ erschien, wurde die dritte Generation iPods vorgestellt—noch mit schwarz-weißem Display und bescheidenen Verkaufszahlen. 2003 war auch das Jahr, in dem MySpace online ging, die Plattform über die heute jeder lacht (wenn er sie kennt), die sich aber über Jahre hinweg als bestes Marketingtool für Bands im Netz etablierte.

Die Yeah Yeah Yeahs hatten damals wahrscheinliche eine Website, eventuell aber auch nur Flyer, ich war leider nicht vor Ort dabei. Es heißt aber, sie hätten einen Riesenhype ausgelöst mit ihren Konzerten und ihrem Auftreten, vor allem von Sängerin Karen O. Die frühen Yeah Yeah Yeahs spielten als Vorband für die Strokes und White Sripes und noch bevor ihr Debütalbum herauskam, waren sie auf dem Cover des NME—„The next big thing!“ und so. Fast die komplette Musikpresse und viele New Yorker Fans feierten sie. Die Band war selber ein bisschen erschrocken, hattes sie doch nur eine Hand voll EPs und Konzerte gespielt, und dann gab’s dafür sogar den Major Deal noch vorm ersten Album. Verrückt.

Anzeige

Das Gefühl: manisch-depressiv

Ich bekam damals von dem ganzen Vorgeplänkel nichts mit. Wie gesagt, ich war leider nicht in New York, sondern an der Uni, mittendrin im Studium und am Anfang meiner Zwanziger. Good Times, denkt man heute, aber diese Zeit strengte doch an, mehr als heute. Du brichst tollen Typen das Herz, auf die Praktikumsbewerbungen kommen nur Absagen und du hast einfach viel zu wenig Geld. In dieser Zeit des Lebens ist man auf Krawall gebürstet, so auch ich. „Fever to tell“ passte damals perfekt. Vorlaut, schüchtern, manisch, leicht depressiv, alles durcheinander—Hallo Spiegelbild! Ich spielte mir das Album auf miniDisc (mein erster iPod kam ziemlich spät) und hörte es in Endlosschleife. Karen O. war immer an meiner Seite und sie gab mir immer recht.

Die Produktion: rumpelnd, aber zeitlos

Es heißt oft, dass erste Alben die schlechtesten der jeweiligen Band sind. Ich kann das so nicht bestätigen. Und wenn ich „Fever to tell“ etwas vorwerfen würde, dann vielleicht nur, dass die drei einmal zu wenig über manche Lieder nachgedacht haben. Wahrscheinlich haben sie im Studio die Augen geschlossen und sich vorgestellt, sie ständen auf der Bühne. Übersteuert hier, verspielt da drüben, aber egal, das lassen wir jetzt so. Sie wären nicht die Ersten und nicht die Letzten, die das so machen würden, aber ein bisschen mehr Feingefühl an manchen Stellen wäre durchaus schön gewesen. Aber dann wäre die Energie auch nicht ganz so ungebremst in alle Wände gefahren, auch wieder Quatsch. „Date with the Night“ ist deshalb bis heute eins der euphorischsten, nach vorne peitschenden Lieder der Welt, die ganze Zeit Start und Stop, bis man erschöpft zu Boden fällt. Heute kannst du es bei „Rock Band“ nachspielen.

Anzeige

„Fever to tell“ war eins der ersten Alben, die David Sitek produzierte, danach erst fing seine lange Erfolgsliste an—inklusive Foals, Santigold und Beady Eye. Er war zeitgleich noch bei TV on the Radio und zog irgendwann von Williamsburg nach Los Angeles, weil ihm in New York alles zu viel wurde. Karen O. hat das ein paar Jahre nach „Fever to tell“ auch probiert, kam aber mit eingezogenem Kopf zurück, auf der Suche nach den „Dämonen von damals“ und wahrscheinlich auch dem Sound. Die neueren YYYs sind synthetischer, glatter und poppiger als sie es damals waren.

Die Energie: ungebremst gegen die Wand

Ruhige Momente zum Beispiel, Pausen zum Ausruhen, gibt es auf diesem Album kaum. Wenn Lieder entspannt beginnen, dann drehen sie sich innerhalb weniger—und dann drehen sie durch. So richtig ruhig wird es erst ganz am Ende, dann aber so abrupt und erschöpft, dass man zusammen mit Karen O. fast in Tränen ausbricht. Die Gründe sind wie überall auf dem Album nicht sehr tiefgründig, auch Karen O. will manchmal einfach nur auf den Arm.

Alle Lieder dieses Album sind relativ kurz, das ganze Album hat nicht mal 40 Minuten, inklusive Warten auf den Hidden Track. Aber was gesagt werden musste, das wurde gesagt, mehr als deutlich, damit Karen O. am Ende das Mikro theatralisch zu Boden fallen lassen kann…um es dann für eben jenen Hidden Track nochmal aufzuheben: „Poor Song“, eins der schönsten Liebeslieder, die jemals geschrieben wurden.

Anzeige

„Poor Song"

Baby I'm afraid of a lot of things but
I ain't scared of loving you
And baby I know you're afraid of a lot of things
But don't be scared of love… 'cause
People will say all kinds of things
But that don't mean a damn to me
'Cause all I see is what's in front of me
And that's you

Well I've been dragged all over the place
I've taken hits time just don't erase
And baby I can see you've been fucked with too
But that don't mean your loving days are through
'Cause people will say all kinds of things
But that don't mean a damn to me
'Cause all I see is what's in front of me
And that's you

Well I may be just a fool
But I know you're just as cool
And cool kids, they belong together

Die Bedeutung für die Band: Wohlfühlalbum

„Fever to tell“ war für die YYYs mehr als ein Hype und mehr als der Auftakt einer Karriere. Es verkaufte sich fast eine Million Mal, war in den USA und UK erfolgreich und fast hätte es sogar einen Grammy gewonnen. Die drei Alben, die beinahe immer im Abstand von drei Jahren folgten, waren manchmal auf dem gleichen Level wie das Debüt, manchmal aber auch darunter. Karen O. sagt, dass sie bei allen Aufnahmen schrecklich gelitten habe, die Band immer kurz vor der Trennung, sie selbst vorm Nervenzusammenbruch, nur beim ersten, bei „Fever to tell“, da lief noch alles glatt, da war noch alles gut.

Für mich war „Fever to tell“ nicht weniger als die Rettung, in Kombination mit anderen Alben, klar, aber die Texte hätte ich mir am liebsten auf den ganzen Körper tätowiert. Und es wären Tattoos, die ich heute nicht bereuen würde. Im Gegenteil: Ich erwische mich oft genug bei dem Gedanken, dass dieses neue Album von jener neuen Band auch nicht besser sein kann als das, was da 2003 um die Ecke kam. Dann höre ich mir lieber ein zehn Jahre altes Album an, denke an damals und fühle die Energie, die heute genauso gut funktioniert, auch ohne Wut im Bauch. Ein bisschen ist es auch wie Tagebuch von damals lesen… Ha, Praktikum. Die Zeiten sind zum Glück rum! Und das Herz des tollen Typen von damals ist auch wieder in Ordnung und gehört jetzt außerdem mir. Karen O. hatte nämlich Recht mit ihrem letzten Satz auf dem Album: „And cool kids, they belong together“

Anzeige

Julia hat sich tatsächlich eine Textzeile der Yeah Yeah Yeahs tätowieren lassen. Bei Twitter erfahrt ihr vielleicht, welche das ist: @juliefahrenheit

**

Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter.


MEHR VON NOISEY

Die DNA von Kanye Wests „The College Dropout“

In unserer neuen Serie DNA erforschen wir Alben, die zu Meilensteinen geworden sind. Folge 1: Das Album, das Kanye zu Louis Vuitton Don machte.

Ein kurzer Film über Vinyl

Tom Ravenscroft und DJ Thristian Richards erkunden mit uns die Geschichte des Vinyls.

Musikvideos nach Schema F: Großstadtjugend in der Natur (mit Gegenlicht)

Nein, ihr guckt euch nicht alle Videos doppelt an. Die sehen alle so aus.