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Die Antilopen Gang macht immer noch Chabo-mäßige Scheiße

Die Antilopen Gang über ihr Signing beim Label der Toten Hosen, ihren Prinz Pi-Diss, Angela Merkel und ihr verstorbenes Mitglied NMZS.

Foto: © Gergana Petrova

Im August ließ das Rap-Trio Antilopen Gang verlauten, dass sie ihr Album Aversion beim Toten Hosen-Label JKP veröffentlichen werden. Da Die Toten Hosen heute weniger für Punk und Rebellion, als vielmehr für Radiomusik und CDU-Wahlsieg-Partys stehen, waren die Sorgesfalten auf den Stirnen der Antilopen-Fans tief. Was wird aus der geliebten Gang, die immer so beflissen dem Elefanten im Raum mit stumpfer Klinge tausende Wunden zufügte, um diese dann mit Salz und Dreck einzureiben? Sind sie am Ende doch so geldfixiert wie alle anderen? Machen die jetzt etwa kommerziellen Mainstream Pop-Rap? Eben diese albernen Fragen, die sich jeder Hörer nach dem ersten Hören des neuen Albums selbst beantworten kann. Sofern er nicht zu sehr damit beschäftigt ist, hasserfüllte Kommentare im Internet über den Niedergang der Gang zu posten.

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Dabei ist es doch viel interessanter, dass Danger Dan, Koljah und Panik Panzer die Broilers und eben Die Tote Hosen jetzt ihre Labelmates nennen dürfen. Als anerkanntes Punkrock-Label drei Rapper zu signen, erscheint auf der musikalischen Ebene abwegig. Doch die Antilopen haben etwas, was sie für eben solch ein Label mehr als qualifiziert: die nötige Attitüde. Grund genug, sich mal mit den Jungs zu unterhalten. Der Treffpunkt für das Interview ist natürlich ganz stilecht das Ramones-Museum in Berlin. Während Joey Ramone fröhlich singt, reden die Antilopen über eine schunkelnde Angela Merkel, Aufnahmen im Wandschrank, ihren Prinz Pi-Diss und das verstorbene Mitglied NMZS.

Noisey: Das Video zu „Der goldene Presslufthammer“ war der erste Vorgeschmack auf das Album. Gab es viele negative Stimmen, denen das zu poppig klang? Wie geht ihr damit um?
Danger Dan: Wir sind am Boden zerstört, das ist schrecklich (grinst).
Koljah: Das mit „poppig“ ist ein bisschen bescheuert. Wir hatten schon immer gesungene Hooks, waren Pop-Schweine und hatten Bock auf eingängige Musik. Wir haben nie Untergrund-Frickel-Rap gemacht, der nicht mit Pop kompatibel ist. Ich finde das eher witzig, wenn Leute das denken. Hätten wir das mit JKP nicht gemacht, hätte vielleicht keiner gedacht, dass wir unseren Sound angepasst haben müssen. Das ist Quatsch. Ansonsten gibt es noch viele Leute, die keine Ahnung von Reimen haben und behaupten, da wären schlechte Reime drin. Das stimmt natürlich alles nicht.
Danger Dan: Ich lese auch immer mal YouTube-Kommentare. Da gibt es Leute, die sagen, dass das total gehaltlose Scheiße sei. Wir freuen uns natürlich, wenn vielen Leute die Musik gefällt, aber wir freuen uns umso mehr, wenn Arschlöcher das scheiße finden. Da haben wir unsere Mission auch gut erfüllt, die auszusortieren.

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Wie kam es eigentlich zu dem Signing bei JKP?
Koljah: Ich bin ein alter Toten Hosen-Fan und hatte auch mal ein Lied namens „Die Toten Hosen“ gemacht, mit dem ich öffentlich meine Liebe gestanden habe. Das ist ja generell schon uncool und als Rapper besonders absurd. Dann hat uns JKP irgendwann in einem Radiointerview gehört und erkannt, wie gut wir sind. Patrick Orth hat uns eingeladen und dann haben wir relativ schnell gemerkt, dass wir uns da wohlfühlen, dass das Sinn machen könnte, da die Platte zu machen. Ein cooles Indie-Label, wo wir machen können, was wir wollen. Da steckt kein Arschloch hinter uns, das uns irgendwas erzählt. Das war eine gute Entscheidung.
Danger Dan: Die haben ein Faible für Bands mit Scheißnamen. Wir reihen uns gut zwischen den Toten Hosen und Broilers ein. Da fällt die Antilopen Gang nicht negativ auf.

Keine Angst, dass einer eurer Songs auf einer CDU-Wahlsieg-Party gespielt wird?
Koljah: Ich würde das ja ehrlich gesagt feiern, wenn Angela Merkel zu einem Song der Antilopen Gang auf einer CDU-Party schunkelt. Traumhafte Vorstellung (grinst).

Mir ist aufgefallen, dass die Beats teilweise instrumental sehr fett aufgezogen wurden. War das eine Sache, die ihr jetzt durch das Signing bei JKP realisieren konntet?
Danger Dan: Das war eher durch die Zeit möglich. Wir hatten die Zeit einen Sound zu finden und auszuarbeiten, der sich durch die Platte zieht. Ich bin ja Instrumentalist und habe jetzt endlich die Erlaubnis bekommen, mit Instrumenten zu spielen. Dann war ich so scheiße, dass wir einen Freund gefragt haben, ob er mal Gitarre oder Bass spielen kann. Ich meine, wie lange haben wir jetzt daran gearbeitet, ein Dreivierteljahr?
Koljah: Nein, vier Monate.
Danger Dan: Nein, nein, wir waren doch bis vor drei Wochen…
Panik Panzer: Wir waren nur noch im Studio, da ist nix mehr passiert.
Danger Dan: Na gut. Wir sind uns unschlüssig. Wir haben zwischen drei und neun Monaten daran gearbeitet.
Panik Panzer: Es war jetzt nicht so, dass wir durch das Ding mit JKP gesagt haben: „Boah! Korrekt, holt uns mal ein Orchester!“ Es ist immer noch eine Low Budget-Produktion, wir haben das produziert. Zwei befreundete Musiker haben Gitarre, Bass und Schlagzeug eingezockt und das war es.
Koljah: Dank JKP konnten wir aber bei Roe Beardie in Köln ins Studio zum Abmischen gehen. Das ist ein HipHop-Urgestein, das hätten wir uns selbst so nicht leisten können. Das hörst du der Platte auch an. Sie wurde vernünftig abgemischt.
Danger Dan: Alles in allem ist die Platte zum Großteil auf einem Laptop für 350€ entstanden, dessen kaputten Akku ich schon weggeschmissen hatte. Das ist also immer noch Chabo-mäßige Scheiße. Wir haben im Wandschrank aufgenommen, weil wir keine Gesangskabine haben. Es gab also kein Kapital, was irgendwie reingesteckt hätte werden können.

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Ich bin mir nicht ganz sicher, aber habt ihr auf der Platte Gastsänger drauf?
Danger Dan: …nee.

Ihr habt alles selbst eingesungen? Wer schreit denn bei „Ibiza“ am Ende so krass Hardcore-mäßig?
Danger Dan: (zeigt auf Panik Panzer) Der Typ da.

Krass. Singst du auch in einer anderen Band?
Panik Panzer: …nee, soll ich das mal machen? Ich mach' das so untechnisch, dass ich das live nicht länger als zwei Lieder durchhalten würde. Du musst dieses Screamen wahrscheinlich auch eher technisch machen.
Koljah: Das war auch das Allerletzte, was wir für die Platte aufgenommen haben.
Panik Panzer: Meine Stimme war dadurch komplett gefickt.

Wer singt dann bei „Anti-Alles-Aktion“?
Danger Dan: Ich. Leider habe ich zu spät gemerkt, dass ich eigentlich auch ein guter Punk-Sänger geworden wäre. Ich habe ja schon immer als Musiker gearbeitet, beispielsweise mit Gesangstrios jamaikanische Volkslieder gespielt. Ich kann singen, aber dass ich dabei auch so eine geile Punk-Attitüde haben kann, wusste ich nicht. Sonst hätte ich wahrscheinlich jetzt auch eine andere Band. Die hieße dann „Rumpelkammer“ und würde guten Drei-Akkorde-Punk spielen (grinst).

Es fällt auf, dass viele Songs einen deutlichen Punk-Anstrich haben. Woher kommt dieser Einfluss?
Koljah: Wir mögen Punk und haben Bock drauf. Es gibt viele textliche Referenzen auf Punkbands. Die Hook bei „Anti-Alles-Aktion“ ist beispielsweise wörtlich von Knochenfabrik zitiert. Das ist ein Einfluss, den wir jetzt ein bisschen stärker ausgepackt haben. Weil wir uns wohl damit fühlen.

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Versucht ihr, ähnlich wie Punkbands, auch eine klare Message zu transportieren?
Panik Panzer: Ich glaube früher haben wir uns dagegen gewehrt… zumindest wollten wir es nie so offen und direkt sagen. Jetzt trauen wir uns, nicht durch Ironie oder Doppelbödigkeit eine Message zu bringen, sondern direkt.
Danger Dan: Der Mut, sich nicht hinter Ironie zu verstecken, sondern auch zu der eigenen Haltung zu stehen. Da ist der Punk-Vergleich gar nicht so falsch, wir haben eine gewisse Punk-Attitüde, die da durchkommt.
Koljah: Ob Punk unbedingt immer eine Message transportiert, ist noch einmal eine andere Diskussion. Es geht uns nicht darum, den Leuten etwas auf den Weg zu geben, den Zuhörer zu agitieren und Tipps zu geben, sondern wir haben einfach mal Bock gehabt, unsere Meinung zu sagen. Okay, „Charmäleon“ ist schon ein ziemlicher Kopf-hoch-Song.
Danger Dan: Ich glaube, du verinnerlichst das mit so einem Lied eher selber, als dass du Bock hast, irgendjemandem Mut zu machen oder sowas. Ich gehe nicht davon aus, den Bildungsauftrag zu haben, Leuten etwas beibringen zu müssen oder das überhaupt zu können…
Koljah: … und nicht zu wollen!
Danger Dan: Wenn ich der übelst schlaue Mann wäre, der allen etwas beibringen könnte, wäre das voll geil.
Koljah: Das ist doch der Fall (lacht).
Danger Dan: Weiß ich nicht. Na gut.

Woher kommt die Wut, die in vielen eurer Texte mitschwingt?
Danger Dan: Es ist schon viel Wut dabei, doch woher kommt sie… es wäre ja falsch, nicht wütend zu sein. Ich fände es eher verwunderlich, immer nur heile Welten zu besingen.
Koljah: Ich bin weniger wütend, als vielmehr gelassen. Wir stehen eben allem kritisch gegenüber, auch uns selbst. Daher die kritische Perspektive, die Wut ist bei mir manchmal ein bisschen aufgesetzt (lacht). Ich bin eigentlich nie wütend, sondern eher gechillt. Ich streite mich auch nicht.
Panik Panzer: Du bist aber schon manchmal garstig.
Koljah: Garstig ist vielleicht ein besserer Begriff.
Danger Dan: Also ich bin dumm genug, bin wütend, traurig, verzweifelt, angewidert, einsam (lacht).

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Das Albumcover zeigt ein buntes Bild einer heilen Welt, auf dem fett „Aversion“ prangt. Einfach, weil der Kontrast cool aussieht oder weil ihr diese Utopie ablehnt?
Koljah: Beides. Wir haben uns dabei ein bisschen an den Zeugen Jehovas orientiert, die völlig absurde Paradiesvorstellungen haben. Das ist schon fast wieder eine Karikatur, da sieht das fröhliche Lächeln wie eine Fratze aus. Wirkt schon ein bisschen psycho. Die Aversion richtet sich auch gegen die heile Welt, die wir mit diesem Album zertrümmern.

2009 habt ihr noch gegen die Uni gewettert, was kotzt euch heute an?

Koljah:

Die Isis.

Panik Panzer:

Joah, könnten wir so machen: „Fick die Isis, fick die Isis!“

Danger Dan:

„Die Isis ist nichts…“

Panik Panzer:

Die Zeit ist reif dafür… also ich kotze mich selbst am meisten an. Das ist auch durchaus ernst gemeint. Ich bin mein eigenes Feindbild.

Danger Dan:

Ich finde auch, dass er mich von allen Menschen um mich herum am meisten ankotzt. Zwischendurch mag ich ihn aber auch wieder. Es sind immer die Menschen, die mich direkt umgeben, die mich am sauersten machen können. Ich finde aber auch traurig, wenn schöne Kneipen schließen und scheiß Kneipen aufmachen. Das berührt mich sogar richtig. Politisch gesehen ist in Berlin gerade die ganze Flüchtlingsangelegenheit, die sich immer weiter zuspitzt, echt traurig. Ich konnte diese Leute, die in der Ohlauer Straße auf dem Dach standen, von meiner Haustür aus sehen. Das fand ich eine krasse Tragödie. Weil du das eben nicht ausblenden kannst. Die ertrinken nicht im Mittelmeer, sondern die Busse mit den Familien fahren direkt an dir vorbei und die Kinder winken heraus. Das hat mich schon sehr sauer gemacht.

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Wie ernst war eigentlich der Song über Prinz Pi gemeint?

Panik Panzer:

Das war auf jeden Fall nicht bierernst zu nehmen.

Koljah:

Meine Strophe besteht ja nur daraus, zu sagen, was er macht. Ich beschreibe ihn ja nur auf eine lustige Art. Da war ich zum Beispiel auch nicht wütend, nicht einmal garstig, sondern ein bisschen frech (

grinst

).

Danger Dan:

Das standen ganz einfach monetäre Gründe dahinter. Wir hatten die Hoffnung, mehr Shirts zu verkaufen, wenn wir uns an Prinz Pi hochziehen. Deswegen werden wir auch weiterhin über jeden Rapper, der unseren Namen in der Öffentlichkeit nennt, ein Lied schreiben. Damit wir noch bekannter werden und mehr verkaufen.

Koljah:

Dann schnell auf YouTube und monetarisieren. Das Video ist auf unserem Channel relativ weit vorne und hat Werbung vorgeschaltet.

Panik Panzer:

Bei mir wird es wieder so sein, dass ich mich weigern werde mitzumachen und am Ende dann traurig bin, nicht draufgewesen zu sein. Dann schreiben mir die Beiden nochmal vier Zeilen, die ich dann bringe. Dann bin ich immer der, mit den letzten vier Zeilen.

Habt ihr während der Aufnahmen auch mal daran gedacht, wie es mit NMZS gewesen wäre?
Danger Dan: Tatsächlich hat er einen großen Raum auf diesem Album. In fast jedem Lied gibt es eine Anspielung. Den konkreten Gedanken hatte ich nicht. Mit ihm gäbe sicher noch andere Parts und abstruse Dinge, die er immer so gemacht hat, wie: „Ich nehme die Zeit, forme daraus eine Kugel, esse sie und plötzlich bin ich Batman“ oder sowas. Da hätte er das Album bestimmt mit seiner genial Comic-esken Art in eine andere Richtung gelenkt.
Koljah: Das Album resultiert ja auch daraus, dass er nicht mehr da ist. Die Entscheidung, zu dritt ein Album aufzunehmen, hatte damit zu tun. Mit ihm hätten wir wahrscheinlich etwas ganz anderes gemacht. Zu viert ein Album zu machen, ist auch wieder was anderes. Vielleicht hätte es noch drei Jahre gedauert, bis wir als Antilopen Gang ein Album gemacht hätten. Ich weiß es nicht. Ich frage mich weniger, wie es mit ihm gewesen wäre, sondern eher, wie er es finden würde, ob er es feiern würde. Ich glaube schon.
Danger Dan: Der hat ja jeden Dreck gefeiert.
Koljah: Er hat jeden Scheiß gefeiert (alle lachen).
Danger Dan: Er konnte vielem was abgewinnen. Ich weiß nicht, ob es nicht ein Rap-Album gab, was er nicht gefeiert hat.

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