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You Need to Hear This

Chromeo haben keine Ahnung vom Flirten

Auch wenn ihr Ruf etwas anderes sagt, die Menschheit würde wahrscheinlich aussterben, würde sie auf Chromeo hören.

Fotos: Jan Kapitän.

Es gibt diese Menschen, die jeden, der ihren Weg kreuzt, sofort von sich überzeugen und mit ihrem Charme und ihrer an Widerlichkeit grenzenden Freundlichkeit umhauen. Normalerweise hat man, solange man diese Menschen noch nicht persönlich getroffen hat und auch umgehauen wurde, eine Abneigung gegenüber diesen. Normalerweise. Bei Chromeo ist das nicht so, die liebt man, obwohl sie Everybody’s Darling sind.

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Nicht erst seit ihrem aktuellen (und großartigen) Album White Women hat das Funk-Duo den Ruf, charmant, lustig und von Grund auf sympatisch zu sein. Doch seit diesem vor Sex, Funk und Rock'n'Roll strotzendem neuen Album haben sie sich zudem einen Namen als Meister des Flirtens gemacht. So weit ihr Ruf. Bei unserem Zusammentreffen mussten wir allerdings feststellen, dass ihre Flirttipps für normale Menschen alles andere als sinnvoll sind und die Menschheit wahrscheinlich aussterben würde, würde sie auf das Funk-Duo hören. Wer allerdings so viel Charme hat wie Dave 1 und P-Thugg braucht natürlich keine Moves, um zu flirten, das passiert alles ganz automatisch.

Dave 1: Hi, wie geht’s dir?

Noisey: Gut und euch?
Auch sehr gut.

Euer neues Album ist gerade rausgekommen. Würdet ihr sagen, dass es bis jetzt euer bestes Album ist?
Was sagst du?

Ich stelle hier die Fragen.
(lacht) Okay. Ja, absolut.
P-Thugg: Wir finden, es ist das vollkommenste. Wir haben am härtesten daran gearbeitet, es muss also einfach das beste sein (lacht).
Dave 1: Es ist eine Destillation von all dem, was wir vorher gemacht haben. Es ist auch ehrgeiziger, sowohl auf einer Pop-Ebene mit einem Song wie „Jealous (I Ain't With It)“ und auf einer musikalischen Ebene wie „Lost On The Way Home“. Beides wird auf das nächstes Level gehoben. Und ich denke auch, dass die Produktion besser ist, ordentlicher, größer.

Jetzt kann ich es ja sagen. Ich finde auch, dass es das beste ist.
Auf den anderen Alben sind eben Jams. Wir werden zum Beispiel immer „Needy Girl“ lieben oder „Fancy Footwork“. Wenn du das hörst, erinnert es dich sofort an früher. Aber wenn du schon länger Chromeo hörst, dann bist du auch mit dem Sound gewachsen und das ist das Album für den jetzigen Zeitpunkt.

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Wie war es, mit Solange zu arbeiten? Hat sie euch geschlagen.
Sie hat uns nicht geschlagen, aber einen Hit haben wir bekommen.

Haha, den Witz macht ihr wohl öfter.
Das ist tatsächlich das erste Mal. Noisey hat den Scoop.

Als ihr „Sexy Socialite“ geschrieben habt, hattet ihr jemanden im Kopf?
Lass uns einfach sagen, wir haben viel Zeit in L.A. verbracht, als wir am Album gearbeitet haben (lacht).

Hatte Random Access Memories letztes Jahr irgendeine Auswirkung auf euch?
Hm. Also es war cool zu sehen, wie uns jeder verglichen hat. Aber wir wussten bereits, dass Daft Punk ein Funk-Album machen wird. Wir kennen Nile Rodgers, also wussten wir, dass das passieren wird. Ich hatte persönlich ja gehofft, dass noch mehr Funk auf dem Album ist. Es ist schon viel Jazz, Experimental und Soundtrack-Musik drauf. Ich hätte mich über vier oder fünf „Get Luckys" gefreut. Das wäre cool gewesen.
P-Thugg: Ja, mehr Inspiration für uns (lacht). Und das hätte uns mehr Möglichkeiten gegeben, sich darin einzufühlen, was ihr Ansatz ist, Funk zu kontextualisieren. Es ist immer cool, zu sehen, wie andere Leute das machen. Es ist kein Wettkampf für uns.
Dave 1: Man kann mit ihnen sowieso nicht konkurrieren. Discovery ist der Grund, warum wir diese Musik machen. Wir waren HipHop-Kids, dann haben wir Discovery gehört und gemerkt: Oh Shit, das ist auch cool. Ich mag die Platte schon, aber es wäre cool gewesen, wenn sie sieben oder acht Jams hätte.

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Außerdem: Der Titel von Random Access Memories deutet ja schon darauf hin, dass es um Nostalgie geht. Unser Fokus ist aber das Jetzt. Ich denke nicht, dass Quincy Jones besser als Skrillex ist. Du denkst das vielleicht, aber ich denke das nicht. Wenn Herbie Hancock sehen würde, dass es Kids wie Skrillex gibt oder sogar noch Jüngere, die ganze Alben von diesen massiv klingenden Sounds am Computer machen können, würde er sagen: Das ist genau das, was ich immer wollte—für die Technologie.
P-Thugg: Vor allem Herbie Hancock. Es geht darum zu lernen, wie Technologie funktioniert.
Dave 1: Auch wenn du Stevie Wonder, der sich alles selbst beigebracht hat und in sich geschlossen ist, in den 70ern gesagt hättest, dass die Kids 2014 Sounds auf ihren iPads machen können, hätte er gesagt: Das ist großartig.
P-Thugg: Es ist die gleiche Parallele. Als Herbie Hancock angefangen hat, mit Computern und Drummashines zu arbeiten, hat er das Niveau seiner Musik runtergeschraubt.
Dave 1: Das ist es nicht mal. Ich denke, er hat sie vereinfacht, aber sie war ja auf eine andere Weise intelligent. Leute denken vielleicht, dass das Niveau schlechter wird, aber Musik wird nicht dumm.

Ich denke, das hat wiederum viel mit der Nostalgie zu tun.
Ja. Aber ich mag Nostalgie nicht. Ich hasse es, wenn Leute sagen, dass Rap 1992 besser war. Ich liebe Rap aus ’92, aber ich liebe auch Rap aus dem Jetzt. Diese Nostalgie-Sichtweise mag ich gar nicht. Ich finde, das ist gefährlich.

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Ich bin mir auch sicher, dass daher oft der Trugschluss kommt, dass das erste Album das beste ist.
Das kann schon mal passieren, wenn Leute faul werden. Unser erstes Album war zum Beispiel nicht das Beste. Das kann ich dir sagen. Unser erstes Album war das schlimmste (lacht). Bands entwickeln sich weiter. Ich verstehe diese ganze Sache nicht, obwohl unsere Musik total 80er ist und wir Songs haben, die sogar von Nostalgie handeln—z.B. „Old 45“, unser erster Song über Nostalgie—sind wir nicht nostalgisch. In den 80ern wäre es ja gar nicht möglich gewesen, weil jeder die Musik gemacht hat. Wir hätten nicht mal eine Chance gehabt. Als Prince gerade auf seinem Höhepunkt war, wären wir seine Roadies gewesen, die seinen Shit hinter ihm hertragen. Wir haben nur eine Chance, weil es jetzt sonst niemand macht. Und wir machen es mit einer modernen Perspektive. Wir blicken nicht zurück. Wir freuen uns, dass wir jetzt dieses Gespräch führen können.
P-Thugg: Es ist auch zu einfach, in die Vergangenheit zu gucken und zu sagen, Musik war damals viel besser. Du hast ja auch schon einen gefilterten Überblick, aus dem du wählen kannst. Du musst heutzutage noch selbst filtern, bei alten Sachen nicht. Da erinnert man sich sowieso nur an das Beste.
Dave1: Es ist keine gute Einstellung und es ist auch nicht fair für die Leute, die heutzutage Musik machen. Wenn du diese Einstellung auf Politik überträgst, wirst du ein richtige abgefuckter Reaktionär. Warum sollte man so also in der Musik denken?
P-Thugg: Wenn Leute mal die Top 10 2014 anschauen, sagen sie bestimmt: Das war damals so gut. Es gab in den 80ern auch eine Menge Scheiße, aber keiner erinnert sich mehr. Wir entscheiden uns dafür, uns nicht daran zu erinnern. Die Proportionen waren in den 80ern genauso.
Dave 1: Ich denke, Zeit erlaubt es dir, Musik mehr zu wertschätzen, aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Und ich denke, das ist cool. Als wir angefangen haben, Funk und Soul zu hören, konnten wir es neu entdecken, weil wir nicht damit aufgewachsen sind. Wir waren also noch nicht von der Auffassung verdorben. Für uns war das total futuristisch und intelligent. Also entschieden wir uns, der Musik Hommage zu erweisen und es auf eine moderne Art zu rekontextualisieren.

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Denkt ihr, ihr würdet die Musik gar nicht machen, wenn ihr damit aufgewachsen wäret?
Nein, warum auch? Es gäbe ja gar kein Grund, das wäre ja langweilig. Wir waren 15, 16 Jahre alt, als wir das erste Mal „Rapper’s Delight“ gehört haben.
P-Thugg: Es war wie eine Studie, etwas, das wir erforschen mussten.
Dave 1: Wir kannten Jamiroquai, bevor wir Funkadelic kannten. Wir kannten Snoop, bevor wir wussten, wer George Clinton ist. Und deswegen war es interessant für uns. Es war wie ein versteckter Goldschatz. Wir haben recherchiert, gelernt und unsere Musik zum Examen gemacht. Es war aber nur interessant, weil wir so viel entdecken konnten.

Wenn man sich nur eure Musik und eure Lyrics betrachtet, scheint ihr im Nachtclub zu leben. Was macht ihr denn tagsüber?
Nein, so ist das nicht. Es ist so witzig, dass Leute das denken, weil wir wirklich nie Party machen. Wir verbringen Tag und Nacht damit, an Chromeo zu arbeiten.
P-Thugg: Du siehst hier auch keinen Tropfen Alkohol.
Dave 1: Aber es ist so cool, dass man diese Illusion kreiieren kann. Wir gehen nie in Clubs, nur ins Studio. Um 1 ist Schluss.

Das ist ja lustig.
Ja, es ist seltsam, oder? Aber das ist doch oft so. Mädchen waren total verrückt nach Michael Jackson. Michael Jackson war aber kein Womanizer. Man kann Illusionen kreiieren, was wirklich cool ist. Das ist Teil der Magie.

Seid ihr trotzdem gut darin, Flirttipps zu geben?
Tatsächlich werden wir das seit diesem Album oft gefragt.

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Naja, ratet mal warum…
Wir machen das auch, aber wir machen es auf eine lustige Art. Wir sind ja nicht Cosmopolitan oder Teen Vogue. Aber wir machen es, aber nichts davon sollte zu ernst genommen werden. Willst du ein paar Tipps?

Ja, sicher. Was hast du denn auf Lager?
Nein, du musst uns Fragen stellen.

Was ist ein guter Move?
Der beste Move ist, keinen Move zu machen.

Ist das neu?
Ja, das ist das neue Ding. Kein Game ist das neue Game, kein Move ist der neue Move.

Vielleicht denkt ihr das auch nur, weil ihr in der Illusion lebt.
Das könnte natürlich sein. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich noch Jungfrau bin. Okay, nächste Frage (lacht).

Ihr bekommt mit dem Album extrem viel neue Aufmerksamkeit.
P-Thugg: Ja, mit diesem Album erst.

Fühlen sich alte Fans schon verraten?
Nein, weil wir keine neue Musik machen.
Dave 1: Als „Jealous“ herauskam, haben sich ein paar Leute auf Facebook aufgeregt. Aber die gleichen Leute haben dann gesagt: „Okay, ich habe den Rest des Albums gehört, es seid noch ihr.“ Nur weil „Jealous“ etwas poppiger ist. Aber wir haben das gebraucht.

Ihr habt vorher auch kurz die Technologie angesprochen, als wir über Nostalgie gesprochen haben. Könnt ihr mir von dem „Computer“ erzählen, den ihr offensichtlich immer noch benutzt?
P-Thugg: Wir benutzen einen Pentium II mit Windows 95. Es ist ein Computer von 1992.

Wie sieht der denn aus?
Er sieht sehr alt aus (lacht). Eine riesige quadratische Box mit nur 11 GB auf dem ganzen Computer. So haben wir angefangen.

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Ist das etwa keine Nostalgie?
Nein, das ist keine Nostalgie, das ist Faulheit (lacht). Wir haben einfach alles darauf gelernt und sind so schnell damit. Wir brauchen das ganze neue Zeug nicht. Wir haben unser eigenes System. Es ist wirklich Faulheit. Warum sollten wir etwas anderes lernen auf einem anderen Computer und dann langsam arbeiten mit Möglichkeiten, die wir nicht brauchen.

Was passiert also, wenn der Computer kaputt geht?
Ich habe noch ein paar.

Hast du die auf Lager gekauft?
Ja, die kosten jetzt 35 Dollar. Ich habe ein paar gefunden. Es war sehr schwer, aber es gibt noch ein paar davon.

White Women ist bei Warner erschienen. Kauft es euch bei Amazon oder iTunes.

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