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Childhood könnten ohne Probleme eine Zombie-Apokalypse überleben

Childhood ist wie jede Band, die ihr in eurer Uni kennengelernt habt. Nur, dass sie jetzt erfolgreich sind und ihren Namen nicht zum fünften Mal geändert haben.

Fotos: Zora Beer

Ben Romans Hopcraft und Leo Dobsen gehören zu den Typen, mit denen wir zu Unizeiten gerne befreundet gewesen wären oder sogar waren. Die Jungs, die allen erzählten, dass sie in einer Band sind, bevor sie tatsächlich anfingen, zusammen Musik zu machen, die man auf Konzerten und Festivals traf—wohlgemerkt immer im Zweierpack—und die immer etwas zu spät und wahlweise verkatert zur Vorlesung über das Bild des Nerds in der Populärkultur erschienen. Auf Partys konnte man mit ihnen darüber reden, wie großartig The Vines mal waren und warum Morrissey der größte Gentleman von allen ist. Danach klaute man zusammen noch schnell den Porzellanhund aus der WG nebenan, nur um nachts mit ihm Gassi zu gehen und ihn offiziell „Hasso“ zu taufen, denn alle Dinge und vor allem Dalmatiner aus Porzellan brauchen einen Namen.

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Mit der Uni sind die Jungs aus Nottingham inzwischen durch und Childhood, deren Bandname sich über die Jahre nicht ein bis fünf Mal änderte, gibt es immer noch. Ihr Debüt Lacuna wurde nicht nur von uns so heiß erwartet wie das Christkind zur Weihnachtszeit und wäre vor einem Jahrzehnt vom NME zum besten Album des Jahrhunderts gekürt worden. Ob das dieses Jahr passiert, ist noch abzuwarten, aber verdient hätten die Jungs es.

YNTHT: Wie steht ihr zu Zombies?
Leo: Ich liebe sie. Ich weiß nicht, woran es liegt. Ich steh einfach total drauf.
Ben: Ich so gar nicht.
Leo: Vielleicht würde ich gerne mitten in einer Zombieappocalypse stecken. Das wäre ziemlich cool.

Wie sähe das so aus?
Leo: Zuerst würde ich mir wahrscheinlich ein Schloss oder eine Burg suchen, mit einem Graben drum herum und da leben. Irgendwo auf dem Land. Waffen hätte ich natürlich auch da, obwohl ich nicht wirklich gut damit bin. Würde das wirklich passieren. Wäre die Zombieappocalypse da und in vollem Gange, wäre ich schon tot. Ich wäre der erste, der stirbt.
Ben: Leo will eigentlich von Aliens entführt werden. Er würde sich dann in eines der Alien verlieben und so. Er hat immer diese Ideen und stellt sich dann mental drauf ein, aber wenn es passieren würde, also tatsächlich passieren, hätte er nicht so viel Spaß daran.
Leo: Wahrscheinlich hast du recht. Ich möchte aber immer noch lieber von Aliens entführt werden, als nie von Aliens entführt zu werden.

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Würdest du Ben mitnehmen?
Leo: Nein. Ben würde nicht mitkommen wollen.
Ben: Auf gar keinen Fall. Ich mag Menschen. Manchmal jedenfalls. Ich würde sie den Aliens immer noch vorziehen.

Aliens hätten auf der anderen Seite abgefahrene Sci-Fi Technologie.
Ben: Die haben wir auch. Nimm nur mal die Programme, mit denen man inzwischen Musik aufnehmen, mixen und mastern kann. Das ist Wahnsinn.

Ihr habt tatsächlich eure ersten Demos mit Logic bei dir im Zimmer aufgenommen, oder?
Leo: Ich habe für meine Sachen immer GarageBand benutzt. Die klangen dann allerdings nur noch rough.
Ben: Richtig schlimm. Ich erinnere mich an den einen Song. Da konnte man außer White Noise nichts hören. Bei mir haben wir dann aber mit Logic gearbeitet. Ich hatte so ein Dictaphone und das schloss ich an den Computer an und weil ich natürlich keine Gesangskabine oder so bauen konnte, sang ich alles mit einer Decke über dem Kopf ein.
Leo: Wir sind wirklich professioneller geworden.

Kommen aus der Zeit der Improvisierten Dinge auch all die kleinen, interessanten Sounds, die man auf eurem Album entdecken kann? Das Klicken bei „Pay For Cool“ zum Beispiel.
Ben: Leider nein. Das war Dans Idee. Danny Carey, unser Produzent, kam eines Tages ins Studio gerannt und hatte diese riesige Sektflasche dabei. Er war total aufgeregt. Wenn er einen Einfall oder eine Idee hat, kann man ihn nicht davon abringen, also sagten wir uns, okay lass ihn halt machen.
Leo: Er rannte wie ein Kind im Studio rum und sammelte alles ein, was so da war und Geräusche machen konnte. Teetassen, Löffel, Flaschen, alles mögliche. Damit stellte er sich dann vor's Mikro und nahm gefühlt eine Millionen verschiedene Flaschen und Gegenstände auf, die er so gegeneinander schlug, dass eben Klänge rauskamen. Danach packte er noch Effekte drüber und mixte sie unheimlich genau in den Song. Absolut perfekt. Es ist dieses organisierte Chaos mit ihm. Er hat immer diese verrückten Ideen und man denkt sich, okay jetzt hat er den Faden der Sache verloren, aber tatsächlich verfolgt er einen genauen Plan. Den versteht nur bis zum Ende keiner außer ihm.

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Also ging das nicht von euch aus.
Ben: Das wäre jetzt cooler, das zu behaupten. Wir wollten natürlich ein Schlagzeug drauf haben. Es war allerdings seine Idee, das mit Weinflaschen zu machen, anstatt auf die normale Art und Weise.

Das ist das beste. Nicht gerade drauf zu, sondern um mehrere Ecken zu gehen, bis man beim endgültigen Song angekommen ist.
Ben: Ja. Es ist großartig, wenn ein Song von etwas getragen wird, was nicht wirklich zum Song gehört. Das passiert tatsächlich mit vielen unserer Lieder. Bei „Right Beneath Me“, der so etwas langsamer und verträumter ist. Da sind die komischen Geräusche so toll. Das Intro haben wir da nur aus Versehen produziert und für mich ist es das, was ihn im Endeffekt ausmacht. Vielleicht werden wir ständig von zufälligen Sounds gerettet.

Das mit euch und der Band ist auch mehr zufällig passiert. Boy meets boy, they start a band.
Ben: Dazwischen haben wir uns noch verliebt (lacht). Am Anfang war es mehr so ein Scherz. Ich sagte Leo irgendwann etwas verlegen, dass ich einen Song geschrieben hätte und er war völlig überrascht und meinte, singst du? Es hat eine Weile gedauert, bis wir die Sache ernst nahmen. Wir sind von Natur aus diese akward Typen.
Leo: Am Ende, da waren wir beide schon fast fertig mit dem Studieren, erkannten wir, dass wir das mit der Musik machen sollten. So wirklich.

Was habt ihr so studiert?
Ben: American Studies.
Leo: History of Art.

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Habt ihr davor schon irgendetwas Musikalisches gemacht oder fing das erst mit der Band an?
Leo: Ich hatte schon immer irgendwie eine Gitarre und mit Elf hatte ich dann auch Mal Unterricht, aber gespielt hatte ich nicht so wirklich bis das mit Childhood anfing.
Ben: Du warst ein furchtbarer Gitarrist am Anfang.
Leo: So was von.
Ben: Schlechte Gitarristen werden die besten Gitarristen.

Ich denke, John Squire wäre stolz auf dich.
Ben: Witzig, dass du das sagst. Die Stone Roses haben wir nie wirklich bewusst gehört. Die Musik, die wir so hören, ist extrem vielseitig. Jede Menge verschiedene Stile eigentlich. Man könnte es wohl auf alternative Gitarrenmusik runterbrechen.

Wie ist das mit euch genau passiert? Hast du Leo auf dem Campus gesehen und dir gedacht, der sieht cool aus, mit dem möchte ich befreundet sein?
Ben: Er war immer dieser merkwürdige Typ mit der komischen Frisur.

Und das sagst du?
Ben: Zeiten haben sich geändert. Er dachte wahrscheinlich das gleiche über mich.
Leo: Stimmt. Ich dachte, du siehst aus wie ein Verrückter.
Ben: Oh, das dachte ich auch über dich, aber irgendwie mochte ich diesen Typen. Da war diese eine Woche, in der alle weg waren, und Leo war der einzige, den ich irgendwie ein bisschen kannte und der noch da war. Also hingen wir miteinander rum und stellten fest, dass wir beide auf Musik stehen und eine Gitarre hatte er auch noch. Ob du es glaubst oder nicht, es ist nicht so einfach, an der Uni wen zu finden, der eine Gitarre hat und auf die gleiche Musik steht wie du. Selbst mein Freundeskreis in London konnte mit meinem Musikgeschmack nicht so viel anfangen. Wenn man also mal jemanden gefunden hat, der auf deine Musik steht, sollte man ihn nie nie nie gehen lassen.
Leo: Es war echt Glück.
Ben: Oder Schicksal. Wer weiß das schon.

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Seid ihr dann zusammen auf Konzerte gegangen?
Leo: Ja, unser erstes war Real Estate oder the Maccabees?
Ben: Das war witzig. Wir kennen die schon seit Jahren. Unser alter Keyboarder ist der Bruder des Gitarristen. Tatsächlich ist er bei uns ausgestiegen, um bei denen mitzumachen. Von den Maccabees lernte ich, wie es ist, in einer Band zu sein. Zu Schulzeiten war ich in einer Band und als ich so 16 war, gingen wir mit ihnen auf Tour und das war bis dahin das beste, was ich je erlebt hatte. Es war grandios.
Leo: Wir sind gefühlt auf einhundertfünfzigmillionen Konzerten gewesen. Unsere eigenen zählen da nicht mal mit rein.

Wie war euer erster Gig so?
Leo: Der war in Nottingham.
Ben: Gleich danach hast du deine Gitarre verloren.
Leo: Ich hatte sie da liegen lassen und jemand hat sich ein schönes Weihnachtsgeschenk gemacht. Ich hatte echt Angst. Also davor, weil ich noch nie auf einer Bühne gestanden hatte.
Ben: Du warst so betrunken.
Leo: Nein, war ich nicht.
Ben: Oh stimmt, das war ich.
Leo: Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns als Band eingespielt hatten. Live-technisch.
Ben: Ich denke, das war der beste Gig.
Leo: Da lag Aufregung in der Luft.
Ben: Wir wurden nicht bezahlt. Ich war mir sicher, dass wir so 1000 Pfund bekommen würden. Ich meine, hey, wir waren schließlich Rockstars.

Wie viele Leute waren da?
Ben: So 120. Die meisten waren natürlich Freunde von uns.

Das ist anständig für einen ersten Auftritt.
Leo: Schon. Bei unserem zweiten waren dann nur noch so fünf da.
Ben: Da waren wir so schlecht.

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Reden wir noch ein wenig über eure Einflüsse.
Ben: Es sind tatsächlich nicht so sehr die Stone Roses. Ich mag sie und höre sie auch, aber der Rest der Band nicht so wirklich. Sie repräsentieren allerdings einen Sound, den wir interessant finden. Wir stehen also nicht im Speziellen auf sie, aber sie kommen aus einer Zeit, deren Musik wir alle mögen und mit der wir aufgewachsen sind.

Wer wäre dann euer musikalisches Vorbild?
Ben: Todd Runderen. Ich respektiere Musiker wahnsinnig, die es einfach so machen, wie sie es wollen. Alles selber aufnehmen, selber produzieren. Unabhängige, eigenständige Musiker. Das finde ich inspirierend.
Leo: Stimmt. Ich wäre gerne so kreativ wie David Bowie.
Ben: Komm schon. Das ist frech. Jeder wäre gern so kreativ wie Bowie. Zugegeben, wenn ich es wäre, hätte ich Angst vor mir selbst. Performancemäßig wäre ich gerne Michael Jackson.
Leo: Nah?
Ben: Wie kann man so singen und tanzen? Er ist wahrscheinlich der einzige in der Geschichte der Pop-Musik, der das so hinbekommen hat. Das ist ein Talent.

Wo wart ihr als Michael Jackson starb?
Leo: Irgendwo in Amsterdam. Out of my mind. Das war der unpassendste Moment, das gesagt zu bekommen.
Ben: Das ist furchtbar. Ich war auf dem Glastonbury, also ging es mir da ähnlich wie dir.

Ihr solltet euch was Besseres einfallen lassen, wenn eure Kinder euch nach dem Tag fragen.
Leo: Da muss ich lügen.
Ben: Ich war völlig klar … und nüchtern.

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Wer auch immer das Albumcover gemacht hat, war auch nicht mehr ganz klar.
Ben: Es hat was Sexuelles, oder? Da kann man Brüste sehen, wenn man so will. Vielleicht denke auch nur ich das.
Leo: Es gibt da diesen Künstler Robert Beatty, der schon jede Menge Cover gemacht hat. Wir mochten seine Sachen, schickten ihm also das Album und sagten, lass dir was einfallen. Was dabei rauskam, war großartig. Wir liebten es sofort.

Die ganze Band? Sofort? Keine Diskussionen? Das glaube ich euch nicht.
Ben: Na ja, wir haben vorher schon eine Richtung, in die wir gehen wollten, mit ihm besprochen. Farbtechnisch und so. Daran sieht man, wie verschieden Leo und ich arbeiten. Ich hatte so zwei Skype-Dates mit dem Typen.
Leo: Damit habe ich doch angefangen.
Ben: Nein, du warst nicht da. Ich saß alleine mit meinem Laptop in meinem Zimmer. In meinem Haus, in dem du nicht wohnst.

Früher dachte ich, wenn man als Band bei Rough Trade ist, hat man es geschafft.
Ben: Wir sind nicht wirklich bei Rough Trade.

Die kümmern sich aber um euer Management und vertreiben das Album.
Ben: Zugegeben, als wir jung waren, dachten wir das auch. Geoff Travis ist so etwas wie ein Gott für mich. Es ist dann nun doch alles anders. Du denkst immer, wenn du als Band unter Vertrag genommen wirst, wird das eine riesige Party und alles läuft von da an alleine. Im Endeffekt ist es echt ernüchternd. Du hast da noch nicht wirklich was erreicht oder geschafft, nur einen Wisch unterschrieben und danach hast du etwas mehr Geld auf dem Konto. Im Kopf sehen diese Klischee-Fantasy-Momente immer unglaublich gut aus und danach bist du dann ein Rockstar oder so. Wirklich geschafft hat man es aber erst, wenn man eine tatsächliche Karriere hat und auch glücklich damit ist.
Leo: Ja. Das hast du so schön gesagt.
Ben: Deswegen schreibe ich auch die Texte.

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Zum Abschluss noch eine Masterfrage.
Ben: Jetzt bin ich gespannt.

Wenn ihr den Soundtrack zu einem Film machen könntet—kann auch ein Zombie-Film sein—wie sähe das aus?
Leo: Oh da würde ich auf jeden Fall was zu einem Zombiefilm machen wollen. Es wäre allerdings einer dieser Filme, die das Genre neu definieren.
Ben: Das ist ambitioniert.
Leo: Hast du Warm Bodies gesehen?

Natürlich.
Leo: So was in der Art vielleicht.
Ben: Der Film hieße dann Warm dead bodies walking around. Okay, da ich absolut keine Ahnung von Zombies habe, würde ich sagen … Ist In einem anderen Land von Hemingway schon verfilmt worden? Das Buch ist heftig. Er beschreibt Szenerien so wahnsinnig lebhaft. Da gäbe es jede Menge brillante Bilder und das fände ich spannend, die zu untermalen. Wie kommst du überhaupt auf die Frage?

Wenn man sich Lacuna anhört, gibt es Songs, die einem sofort Bilder und Szenen in den Kopf setzen. „Sweater Preacher“ ist zum Beispiel so einer.
Wenn ich den Song höre, denke ich eher an eine durchfeierte Nacht und den Weg im Morgengrauen nach Hause. Da ist er der perfekte Soundtrack für.
Ben: Das ist interessant. Tatsächlich geht es aber um einen Prediger, der bei mir um die Ecke wohnt. Ich sehe ihn andauernd über die Welt und Jesus predigen und die Leidenschaft, mit der er das macht, ist einfach großartig. Da ist dann dieser afrikanische Typ, der in ein Mikrophon schreiend, fast weinend auf seinen Knien predigt. Dafür respektiere ich ihn. Er hat so viel Vertrauen in seinen eigenen Glauben. Ich habe das nicht so wirklich, etwas, an das ich derart glauben würde. Ich weiß manchmal nicht mal, an was ich überhaupt glauben soll, deswegen ist dieser Typ umso cooler.

Childhoods Album Lacuna erscheint am 3. Oktober bei Marathon Artists/Pias. Bestellt es euch bei Amazon oder iTunes.

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