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You Need to Hear This

Bilderbuch machen es (sich) selbst

Österreichische Bands, die zu allem Überfluss auch noch in ihrer Muttersprache singen, haben es wirklich nicht leicht. Umso beeindruckter sind wir von Bilderbuchs Musik.

Österreichische Bands haben es nicht leicht auf dem deutschen Markt. Im Schatten vermeintlich großer Liedermacher wie Falco oder Konstantin Wecker werden sie oft im wahrsten Sinne des Wortes missverstanden und in die Mundart-Schublade gesteckt. Dabei können sie doch nichts für ihren putzigen Dialekt! Zum Glück gibt es die Bilderbuch aus Wien. Die vier Jungs stehen zu ihren deutschsprachigen Texten—und schaffen auf ihrer neuen EP „feinste Seide" den Spagat zwischen Indie und Hip Hop-Einflüssen.

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Wir haben Maurice, den Sänger der charmanten Genre-Bender, im Vorfeld ihres letzten Berlin-Gigs im Lido getroffen und mit ihnen über peinliche Schulband-Auftritte, die Arroganz von FM4 und ihren Liebling Kanye West gesprochen. Ur-Leiwand!

YNTHT: Ich dachte, ich kenne euch schon von Anfang an, aber im Vorfeld des Interviews habe ich dennoch ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass es euch ja schon seit 2005 gibt.
Maurice: Das stimmt. Wir waren 14, 15 als wir uns zum ersten Mal in der Formation Bilderbuch getroffen und gespielt haben—als Schulband, so richtig klassisch, wie bei U2. Früher war das normal, heute geht man studieren, hatte eine Band in der Schulzeit, und dann kommt der Moment, in dem man eine Idee hat oder alleine Musik macht, und dann gründet man wieder eine Band, mit den Studienkollegen oder dem coolen Typen aus dem Club. Wir hingegen sind aber noch so eine klassische Schulband, die auch einen klassischen Weg geht. Trotzdem waren wir nie mit der Schule d'accord, waren immer auf Rebellion aus und sind auch nie wirklich gepusht worden. Wir haben auch auf keinen Schulveranstaltungen gespielt, ausser EINmal. Neben turnenden Kindern aus der Unterstufe. Es war schrecklich. Ein traumatisches Erlebnis.

Ihr seid ja aus Österreich. Dort gibt es natürlich eine ganz andere Infrastruktur, wenn es um Musik geht – besonders im alternativen Musikbereich. Wo macht sich das für euch besonders bemerkbar? Ihr seid ja auf beiden—sprich dem deutschen und österreichischen Markt—mehr oder weniger stark vertreten.
Das ist ein ganz großes Thema. Für jeden Österreicher bedeutet diese Frage zwei Stunden Diskussion. Diese Frage stellt man sich nämlich sehr oft in Österreich. Es gibt dort und da Nachteile. Deutschland ist viel konfuser, weil es größer ist. In Österreich gibt es ein Radio, das interessant ist für solche Bands wie Bilderbuch, nämlich FM4. Und dann gibt es auch diesen Radio-Dualismus, den es in keinem anderen Land, das mir bekannt ist, so stark gibt wie in Österreich. Das heisst, wenn du auf FM4 gespielt wirst, dann DARFST du nicht auf Ö3 gespielt werden. Wenn du auf Ö3 gespielt wirst, wirst du nicht mehr auf FM4 gespielt. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Im großen und ganzen ist das so ein bisschen die Kehrseite der Medaille des ansonsten tollen FM4.

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Der Sprung auf den deutschen Markt ist für eine österreichische Band noch viel schwerer, weil Österreich ja immer als die missverstandene kleine Schwester Deutschlands angesehen wird!
Das IST ja auch wirklich so!

Aber mit eurer letzten Single „Plansch" lauft ihr ja nicht nur auf FM4, sondern zum Beispiel auch auf FluxFM. Im Vergleich zu euren älteren Songs—die ja im klassischen Sinne „Indie" mit aussergewöhnlichen Texten waren—schlagt ihr mit „Plansch" ja eine ganz andere Richtung ein, mit Autotune, viel experimenteller. Ist das der Weg, den ihr nun verfolgen wollt?
Wenn man so lange eine Band hat wie wir, haftet einem der Begriff „Indie" fast wie Dreck an den Schuhen. Auch wenn es unbewusst passiert, man entwächst einem Genre auch, hört Musik und probiert. Bilderbuch hat immer gewagt und dass es sich jetzt in diese Richtung entwickelt hat, ist einfach nur Geschmackssache. Es kommt auch noch mehr in diese Richtung, es wird groovebetonter, langsamer, es gibt eine Autotune-Nummer. Autotune ist ja eh die Streitfrage schlechthin, und es ist cool zu sehen, wie man die Leute damit auch spalten kann. Oder ihnen einen Ball zuschieben kann, à la „das ist Autotune, aber trotzdem cool!" Ich finde immer, Bilderbuch muss deutschsprachige Musik auch weiterbringen, das ist der innere Druck, um den es eigentlich irgendwie geht.

Viele Künstler, die deutsch singen, begründen dies damit, dass sie sich in ihrer Muttersprache einfach am besten ausdrücken können und ihnen die Texte im Vordergrund stehen. Ihr benutzt ja auch sehr viel Bildsprache, ist das also auch eure Motivation?
Das stimmt schon, aber dieses typische deutschsprachiger Musik, dass einem der Text im Gesicht klebt wie ein Stück Zeitung im Wind, das wollen wir nicht. Wir wollen einfach irgendwie schaffen, dass deutschsprachige Musik sich nicht anbiedert. Am meisten stört mich, dass deutsche Texte sich immer gleich mit Goethe messen müssen, statt dass man einfach mal drauf scheißt und gute Popmusik macht—nen Mittelweg findet, ohne gleich ins extrem hiphop-ige abzurutschen.

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Was würdet ihr sagen, hat euch inspiriert bei der Arbeit an „Plansch"—was hört ihr selbst so in Sachen Musik?
Wenn wir ehrlich sind, ist das viel HipHop. Das tun wir aber schon seit dem My Beautiful Dark Twisted Fantasy-Album von Kanye West. Wenn ich das sage, bin ich halt ein typischer Indie-Europäer, der jetzt auch HipHop hört, und das nervt mich eh schon, aber es ist halt einfach so, dass dieses Album so unglaublich gut ist und diese beiden Genres—Indie und Hip Hop—so zueinander führt, wie es noch kein Artist zuvor getan hat. Dieses Crossover-Prinzip hat uns extrem wachgerüttelt und dort hat es auch angefangen, dass man die Musik der eigenen Band auf eine andere Ebene bringen und trotzdem das Konzept „Band" behalten will—es soll ja weiterhin eine natürliche Entwicklung sein. In diesem Zusammenhang haben wir auch angefangen, vermehrt am Computer Musik zu machen, um den Sound auch interessanter zu machen. Die vielen Voice-Effekte, die wir nun verwenden, entstanden schlicht und einfach aus Spielereien.

Was kommt nach „Plansch"? Ist ein Album geplant?
Als eine Band, die schon zwei Alben veröffentlicht hat, stellten wir uns im Zuge der VÖ von „Plansch" die Frage: „Wie kann man sich selbst zunächst vom Druck befreien?" Man geht zurück zum Anfang. Wir sind eine Band, wir haben eine gute Zeit, Mike kommt auf ein Bier bei mir vorbei, wir haben eine Idee und arbeiten an einem Lied, bis es gut ist. Und dann gucken wir mal, sammeln weitere Ideen, machen ein nächstes Lied. Wir reden gar nicht von einem Album, sondern sagen: „Dieses Lied ist cool, dieses Lied wird releast." Jeder elektronische Act kann ja jeden Furz, den er produziert, auf Soundcloud stellen und bekommt dort Klicks. Das können Bands in dieser Form nicht, weil sie selbst aufnehmen müssen. Deshalb haben wir begonnen, vermehrt selbst aufzunehmen und arbeiten jetzt weder an einem Album noch einer Ep, vielmehr an einer Sammlung von Liedern. Wichtig ist, sich dem System zu stellen, auch wenn es dann in Sachen Release-Promo vielleicht ein bisschen anstrengender wird. Wir wollen ja alles immer gut machen, und neben der Musik soll das Artwork natürlich auch gut aussehen.

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Das Artwork habt ihr ja in Sachen „Plansch" gut hinbekommen. Wo habt ihr das Video eigentlich gedreht?
Im Garten eines Freundes. Das Video sieht nach viel mehr aus, ist aber ein ganz gemütliches Filmchen. Unser Regisseur und Freund leistet da immer ganz gute Arbeit. Die Zusammenarbeit ist immer sehr intensiv und persönlich, da die Band immer auch zur Filmcrew gehört, welche wiederum auch nur aus ein paar Freunden besteht. Wenn weniger Geld da ist, muss dafür mehr Herzblut da sein.

Die EP Feinste Seide von Bilderbuch könnt ihr euch bei iTunes kaufen!

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