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Interviews

Zentralheizung of Death des Todes sind unsere Lieblingsdilettanten

Sie sind Dilettanten aus Freude, Dilettanten aus Leidenschaft, Dilettanten aus Überzeugung—sie sind unsere Lieblingsdilettanten.

An dieser Stelle sollte ich euch wahrscheinlich über diesen vollkommen dämlichen, aber ebenso genialen Namen Zentralheizung of Death des Todes aufklären. Vielleicht sollte ich auch ausführlicher beschreiben, dass genau diese Band aus Erfurt, Leipzig und Berlin schon mit Ty Segall oder den Thee Oh Sees auf der Bühne stand, um euch einen Eindruck zu verschaffen, mit welcher musikalischen Ausrichtung man es zu tun bekommt.

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Ich erzähle euch aber lieber die Anekdote vom Schlagzeuger Christian „Kirmes“ Kühr, der sich am Tag vor Tourneebeginn, beim Versuch einen „Casper“ (die Skateboarder unter uns wissen, was gemeint ist) zu landen, die Bänder überdehnt hat, so dass er nicht mehr in der Lage war, seine Bassdrum zu bedienen. Daraufhin muss kurzerhand der Bassist hinter das Schlagzeug und „Kirmes“ wird auf einen Hocker in die erste Reihe der Bühne verpflanzt, um von dort aus die Kontrolle über die vier Saiten zu übernehmen.

Doch warum erzähle ich euch das? Diese Story sagt viel mehr über die juvenil unbekümmerte Attitüde der Zentralheizung of Death des Todes aus und wie sich diese auf ihre Musik auswirkt, als all die genrebehafteten Stigmatisierungen oder sinnlosen Vergleiche mit irgendwelchen amerikanischen Bands. Sie sind Dilettanten, und das ist auch gut so. Hier wird auf der Bühne gerülpst, mal der Text vergessen und stattdessen irgendetwas Unverständliches ins Mikrofon gebrabbelt. Obligatorisches Ausrasten an allen fünf Instrumenten ist sowieso angesagt. Sie sind Dilettanten aus Freude, Dilettanten aus Leidenschaft, Dilettanten aus Überzeugung.

Noisey: Christian, was ist denn mit deinem Bein passiert?
Christian (Schlagzeug): Wir haben am letzten Tag noch mal alles geprobt und es war ziemlich cool. Wir sind Skateboard gefahren und dann wollte ich kurz vor dem Reingehen noch einen „Casper“ machen. Das ist ein total beschissener Trick und dann bin ich halt hingeknallt. Dann ist es übelst fett geworden. Wir mussten uns das dann irgendwie überlegen, wie wir es jetzt machen. Uns kam die Idee, dass wir Schlagzeug und Bass eigentlich tauschen könnten, aber das war eher so: „Haha, das wird eh nicht klappen“. Dann wurde es aber ernst und ich hatte das Gefühl, alles prasselt auf einen ein, man hat übelst viel dafür gemacht, dass diese Tour stattfindet und Geld investiert und viel Zeit und Energie und dann soll es einfach am letzten Tag vor der Tour nicht stattfinden. Dann haben wir uns entschlossen umzulernen.

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Seid ihr so basisdemokratisch, dass jeder alles spielen könnte?
Marian (Gitarre): Nein.
Christian: Glücklicherweise hab‘ ich Gitarre als erstes gelernt.
Hans (Bass): Ich hab Schlagzeug als erstes gelernt.
Georg (Gitarre): Ich spiele eigentlich nur Gitarre.
Marian (Gitarre): Ich bin ein ziemlich gefragter Free-Jazz-Drummer (lacht).

Mit Would You Rather…? erscheint demnächst euer erstes Album. Ihr habt im Voraus aber auch schon Kassetten, 10“- und 7“-Platten veröffentlicht. Seid ihr dieses Mal anders an die Aufnahmen rangegangen, vielleicht mit dem Druck, etwas abliefern zu müssen?
Hans: Nein, wir haben das so gemacht wie immer. Wir haben geprobt, uns ein bisschen angepflaumt und dann haben wir die Sache einfach durchgezogen.
Christian: Wir haben auf Bandmaschine aufgenommen, das war auf jeden Fall auch etwas anderes, weil wir vorher immer digital aufgenommen haben. Ich fand, es war schon ein bisschen mehr Druck da, dadurch dass so ein Band auch relativ teurer ist. Ja und, alles war im roten Bereich.

Einer der Songs auf dem Album heißt „Chatroulette“. Haben euch die ganzen onanierenden Männer da so nachhaltig beeindruckt, dass ihr ihnen unbedingt einen Song widmen musstet?
Georg: Die sind sehr inspirierend, würde ich sagen (lacht).
Marian: Als ich das das erste Mal gesehen habe, war ich übelst hart geflasht, ich wusste noch nicht was auf mich zukommt.
Georg: Wir haben’s im Studio angemacht—ein Schwanz nach dem anderen.
Christian: Da kam halt natürlich gleich so ein Inder, der halt gerade abgespritzt hat.
Marian: Eine Zeile geht halt: „Did you see your first cock on Chatroulette? “. Der Gedanke ist, dass die neue Generation, die im Internet aufwächst, ihre ersten Genitalien natürlich dort sieht.

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Was waren denn eure besten Erfahrungen auf Chatroulette außerhalb von Penissen?
Christian: Ich hab‘ das mal alleine gemacht, nachdem Marian mir davon erzählt hat und es diesen Song auch schon gab. Wenn man das alleine macht, dann ist das sowieso irgendwie gruselig, weil da der übelst absurde Scheiß zu sehen ist. Ich finde es viel gruseliger, eine Mutter mit ihrem Kind dort zu sehen, die einfach nur in die Kamera starren. Dann weiß ich, im nächsten Moment sehen sie einfach irgendeinen Pimmel von irgendeinem fetten Typen, der das wahrscheinlich geil findet, dass da noch ein Kind sitzt und eine Mutti.

Christian, du betreibst ebenfalls die Booking-Agentur Eine Welt aus Hack. Wolltest du dir damit in Erfurt eine eigene Szene aufbauen?
Christian: Der Gedanke ist aus dem Kollektiv I Love Marbach aus Erfurt entstanden. Wir haben alle was mit Musik gemacht und es sollte eigentlich ein Label werden. Dadurch, dass wir aber 40-50 Leute waren und jeder sein kleines Mitspracherecht behalten wollte, ging das nicht. Ich habe mir einfach gedacht, ich fange an, Bands zu buchen. Dann war das aber so, dass ich nicht mehr zur Schule gegangen bin und so ein Blablabla-Ding und dann musste ich irgendetwas mit meinem Leben machen. Ich traf Grinni, die gerade ihr Studium in Liverpool abgeschlossen hatte, und dann haben wir uns gedacht, lass uns irgendetwas machen. Es ging vordergründig darum, Konzerte zu machen. Dann hat sich nach und nach herauskristallisiert, dass es eine schwierige Angelegenheit ist, davon überleben zu können, vor allem in der Nische. Deswegen habe ich angefangen, für Bands Europatourneen zu buchen, aber nie mit dem weitläufigeren Gedanken, die damalige Szene zu unterstützen. Es ging darum, neue Leute kennenzulernen und vor allem weg von diesem I Love Marbach Records zu kommen.

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Ihr seid dort ja ziemlich gut aufgestellt—habt ihr euch nicht mal überlegt, auch ein eigenes Label zu gründen und euch wie anfangs selbst zu veröffentlichen?
Christian: Ja, das ist immer schon eine Überlegung gewesen. Wir suchen halt eine Person, die sich Vollzeit darum kümmern kann. Das war auch der ursprüngliche Gedanke—noch mehr in die Kunstrichtung zu gehen, Ausstellungen zu organisieren, Kunstdrucke und Artworks für Bands zu machen—einfach alles zu verbinden und zu vernetzen.

Mir ist bei der Recherche aufgefallen, dass es gar keine Facebook-Seite von Zentralheizung of Death gibt. Warum?
Christian: Wir haben halt keinen Bock drauf.

Steckt da eine bewusste Anti-Haltung dahinter?
Christian: Ich kann nur meinen Standpunkt dazu äußern. Dadurch, dass ich Konzerte veranstalte, gucke ich oft einfach nur, wie viele Likes eine Band hat und wie wird das aufgefasst, was die machen. Eigentlich geht mir diese Haltung übelst krass auf den Sack. Es geht überhaupt nicht darum, was das noch für Musik ist. Man promotet dann nicht mehr irgendwas, weil man es gut findet, sondern weil man denkt, es funktioniert gut, weil es so viele Likes hat.
Hans: Ich habe mal nach einer Show etwas ziemlich Dummes gehört, als wir mit einer anderen Band gespielt haben. An dem Abend war nicht so viel los und da meinte einer von der anderen Band: „Ach naja, vielleicht kriegen wir wenigstens drei Likes“. Ich dachte mir nur so würg.
Marian: Das ist ziemlich bescheuert. Ich habe auch privat kein Facebook.
Christian: Ich finde auch diese Kultur, dass man nicht mehr auf Internet-Seiten geht, übelst beknackt. Leute denken, eine Band zu kennen, weil sie ihre Facebook-Seite kennen. Man kann da nicht wirklich was posten. Es fühlt sich nicht so richtig echt an.
Marian: Es ist ja auch übelster Sackgang, dass dadurch alles gleich aussieht.

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Auf eurer Internetseite ist das ja genau der Gegenteil. Alles bunt, Gif-Animationen und längere Blogeinträge.
Christian: Ja, genau.

Dann ist mir auch noch aufgefallen, dass ihr gar kein offizielles Video zu einem Song habt. Arbeitet ihr dran oder steckt da etwa auch etwas dahinter, dass ihr keine Videos machen wollt?
Marian: Nein, das wollen wir eigentlich schon gerne machen.
Hans: Wir haben nur keine Zeit gerade.
Christian: Wir haben sonst auf Tour eigentlich immer jemanden dabei gehabt, der gefilmt hat, Christoph Blankenburg.
Marian: Der hat dieses Video gemacht, was am nächsten an ein offizielles Video herankommt, „Summerguts“. Der macht auch übelst geile Animationen, vielleicht sollten wir auch ein Animationsvideo machen.
Georg: Ja, aber man darf auch nicht zu viel verraten (lacht).
Marian: Wohooo.
Hans: Muss spannend bleiben.

Allein euer Name zeigt ja schon dieses typisch ambivalente Verhältnis von deutschen Bands zu einer musikalischen Identität zwischen Deutsch und Englisch auf. Ist das ein Thema für euch und wie verortet ihr euch da?
Marian: Wir hatten auch schon mal einen Song, der hatte teilweise deutsche Texte, „Ich riech nach Fleisch“.
Georg: Ich finde, Englisch hat auch einfach einen schöneren Klang.
Christian: Ich finde, es klingt nur gut, wenn es krasse deutsche Worte sind und in unserer Musik passt so etwas pathetisches irgendwie nicht.
Marian: Das stimmt, man kann mit der Sprache immer nur eine bestimmte Stimmung bedienen, finde ich.
Christian: Manchmal lassen sich Sachen auf Englisch auch einfacher auf den Punkt bringen als auf Deutsch.

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Habt ihr mal überlegt, euch selbst herauszufordern und eine der wenigen deutschen Garagenbands zu werden, die auf Deutsch singen und das dann auch gut machen?
Christian: Darüber nachgedacht haben wir, glaube ich, noch nicht. Chuckamuck sind doch so eine Band? Ich habe momentan aber zumindest das Gefühl, dass man sich, wenn man das machen würde, in dieses Messer/Die-Nerven-Ding einreihen müsste. Ich meine, die sind alle cool und die Leuten von den Nerven sind auch Kumpels von uns, aber gerade im Moment würde ich nicht auf die Idee kommen, deutsch zu singen, weil es sich zu sehr so anfühlen würde, als würde man etwas mitnehmen wollen von dem, was diese Bands vorleben.

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