FYI.

This story is over 5 years old.

Features

YGs ‚Krazy Life‘—aus dem Leben eines Bompton Gangstas

YGs ‚My Krazy Life‘ ist eines der stärksten Debütalben des amerikanischen Rap—HipHop-Geschichte on instant.

„Nigga, Nigga, Nigga!“

Dass jemand im Jahr 2014, nachdem mehr als 20 Jahre im amerikanischen Rap geniggert wird, ausgerechnet dieses Wort zu seinem Feature Sound macht, ist schon einigermaßen beeindruckend. Aber es funktioniert. Wenn ihr aktuell über einen Song stolpert, der aus jeder Menge Niggas, Bitch Niggas und Muthafuckin’ Niggas besteht, könnt ihr einigermaßen sicher davon ausgehen, dass ein junger Mann namens Keenon Daequan Ray Jackson a.k.a. YG dahinter steckt.

YG—kurz für Young Gangsta—machte Anfang September 2013 das erste Mal richtig Welle, als er den Song „My Nigga“ veröffentlichte. Ohne Album im Rücken und mit bis dato relativ überschaubarem Fame, dank ein paar seit 2008 veröffentlichten Mixtapes, arbeitete „My Nigga“ sich bis auf Platz 19 der amerikanischen Billboard-Singlecharts vor und verkaufte bis Ende des Jahres mehr als 1 Million Einheiten.

Anzeige

Zu verdanken hat YG den Erfolg nicht zuletzt seinem Kumpel DJ Mustard, der dem Young Gangsta ein Brett zusammengeschustert hat, das instantly in die Geschichte des amerikanischen Rap eingegangen ist. YG und Mustard werden regelmäßig mit Dr. Dre und Snoop Doog verglichen, einzeln gut, zusammen bombastisch. Eine These, die auf My Krazy Life quasi durchgehend belegt wird.

Auf der Originalversion des Songs steuert YG’s Labelchef Young Jeezy einen Vers bei, während der hierzulande ziemlich unbekannte Rich Homie Quan aus Atlanta den fies eingängigen Refrain liefert, der dafür sorgt, dass Weißnasen wie ich schwer unterdrücken müssen, im Club das N-Wort mitzugrölen.

Brett über Brett

Wie gesagt, „My Nigga“ ist ein massives Brett, irgendwo zwischen Luniz’ „I Got 5 On It“, C-Murder und 2 Pacs „Strictly 4 My N.I.G.G.A.Z“—HipHop-Geschichte vom ersten Takt an. Kein Wunder, dass unter den 1 Million, die sich die Single kauften und den mehr als 65 Millionen, die sich das Video bei YouTube ansahen, offenbar auch ein gewisser Lil' Wayne war. Und der dachte sich wohl, dass er auch gern mal wieder über so einen Mörderbeat rappen würde, schnappte sich Meek Mill und Nicki Minaj und lieferte zusammen mit YG und Rich Homie Quan einen Remix, der die Größe des Songs nochmal untermalte.

Der Remix erschien am 22. Januar, einen Monat später folgte das passende Video mit Cameo-Auftritten von Lil Durk, DJ Mustard, Ty Dolla Sign und jeder Menge anderen—der nächste deutliche Hinweis, dass das drei Wochen später folgende Album My Krazy Life einigermaßen unschlagbar werden würde.

Anzeige

Noch vor dem Remix war die zweite Single „Left Right“ erschienen, die es in den R’n’B/HipHop-Charts bis auf Platz 4 schaffte. Auch hier stammt der Beat von DJ Mustard und geht voll auf die zwölf. Wenn ihr im Club mal wieder die Leute mit einem Rapsong zum Durchdrehen bringen wollt, bitteschön. „Left Right“ ist ein massiver Banger bei dem DJ Mustard in guter alter Anheizer-Manier sogar selbst das Wort ergreifen darf: „Now let me see you drop that ass low and go Left, Right, Left, Right!“

Der letzte Beweis für die These, dass My Krazy Life mehr Banger hat, als fünf durchschnittliche Rap-Alben zusammen, war die Vorab-Single „Who Do You Love“ bei der nicht nur Drake eine Strophe rappt, sondern die vor Düsternis strotzend und dabei ebenso tanzbar den bisherigen Veröffentlichungen noch einen aufsetzte und dabei ein Ohrwurmpotenzial hat, das seinesgleichen sucht: „I’m that nigga, I’m that nigga—Bank of America account got six figures“.

Die durchgehende Narrative des Albums

Wenn man Drake ist, braucht man kein Konzeptalbum, man braucht Hits. Wenn man allerdings Wert auf die Inhalte seiner Texte legt, dann macht man es wie Kendrick Lamar und erzählt eine Geschichte—oder nimmt zumindest immer wieder einen roten Faden auf. YG folgt Kendricks Beispiel auf My Krazy Life.

Der Song „Meet The Flockers“, Nummer sechs auf dem Album und nur zwei Minuten kurz, fällt beim ersten Hören zwischen all den Club-Bangern kaum auf. Aber dann setzt sich der reduzierte Beat, der nur auf einer verzerrten Bassline und Claps basiert, zunehmend fest. Der Inhalt: Wie raube ich ein Haus aus, für Anfänger, eine eins-zu-eins Anleitung. Ihr könnt quasi mit dem Song auf den Ohren bei euren Nachbarn einbrechen und einfach das machen, was YG und Tee Cee euch erzählen. Allerdings solltet ihr—im Gegensatz zu YG—auf euren Kumpel hören. YG ignoriert dessen Ratschlag, sich Socken über die Hände zu stülpen, die beiden werden erwischt, eingebuchtet und überall YGs Fingerabdrücke.

Anzeige

Das wird sich rächen, wie wir ein paar Tracks weiter in der Interlude „Thank God“ erfahren (s.u.). YG sitzt ein, seine Fingerabdrücke sind ein verdammtes Problem und 5000 Dollar vonnöten, um ihn auf Kaution rauszukriegen. YGs Kumpel ruft seine Mutter an, da er nur 2000 Dollar hat.

Der Bompton Lifestyle

Das eigentlich beeindruckende am Album My Krazy Life ist eben trotz all der Banger die Ernsthaftigkeit auf der zweiten Ebene. Diese offenbart sich erst nach einer ganzen Weile—meist versteckt YG sie hinter einer dicken Schicht aus Bitches, Beef und auf den ersten Eindruck typisch oberflächlicher Angeberei.

Dahinter steckt allerdings weit mehr. YG bedient nicht nur hohle Klischees, sondern erzählt etwas, das er erlebt hat. „My music represents the culture of the West Coast, the lifestyle, the L.A. lifestyle, the Bompton lifestyle“, erzählt er in eine Kurzporträt mit Google Play.

Das beginnt schon mit dem ersten Song „BPT“, der YGs Karriere in einer der bekanntesten Gangs von Los Angeles beschreibt, den Bloods. „BPT“—ein Song voller Referenzen an Dr. Dre—ist kurz für Bompton, wie YG seine Hood nennt, den berühmten LA-Stadtteil Compton, der Dank N.W.A.’s Debüt schon 1988 weltbekannt wurde und spätestens seit Kendrick Lamar wieder als bedeutendste Rap-Brutstätte der Welt gilt.

Bompton aus dem einfachen Grund, dass YG Mitglied der Gang Bloods ist. Bloods steht in tödlicher Rivalität zur Gang Crips, Compton = Crips / Bompton = Bloods. So geht es in Referenzen und Abkürzungen weiter: „TTP“ steht für Tree Top Piru—eine Untergruppierung der berühmten Blods—und der ebenfalls im Refrain und überhaupt ständig erwähnte „4 Hunnid" a.k.a. „400“ ist YGs Block in der Spruce Street. Referenzen, mit denen man 12.000 km von L.A. entfernt kaum was anfangen kann, die aber deutlich machen, worum es dem Young Gangsta geht: Authentizität.

Anzeige

Hier weiß jemand nicht nur, wovon er rappt, sondern ist so nah dran, dass er auf einem Hitalbum darüber rappt. Das Thema bleibt über's gesamte Album, immer mit dem Verweis auf seine Familie, seinen inhaftierten Vater, seine alleinerziehende Mutter und Konflikte, die aus seiner kriminellen Karriere entstanden. Auch wird YG 4 Hunnid nicht müde, in Interviews über seine eigenen vier Monate hinter Gittern, diverse Festnahmen und seine zahllosen Kumpels im Knast zu sprechen.

„If I ain’t bringing back that money, my whole family is fucked“, rappt er in seinem Song „Really Be (Smokin N Drinkin)“, auf dem ihm Kendrick Lamar unterstützt und man darf ruhig annehmen, dass er diese Zeile ernst meint. So wie die Warnung seiner Mutter, mit der er sein Album beginnt: „Keenon Daequan Ray motherfucking Jackson! I hope you ain't outside hanging with them gangbangers. You gon' end up in motherfucking jail, like your damn daddy.“

Wie das Album beginnt, endet es dann auch, der letzte Song ist „Bompton“. Dieses Mal ausgeschrieben, ansonsten ziemlich exakt die Zusammenfassung des Albums in knapp unter drei Minuten. Die ersten drei Worte: „Nigga. Nigga. Nigganigganigganigga.“ Der Rest sind Aufzählungen aus dem Leben eines Bompton 4 Hunnid-Gangstas—und eine Abgrenzung zum Leben eines Rapstars: „I hate doin’ interviews, cause criminals don’t like talkin’.“ Wer YG je in einem Interview gesehen hat, weiß, das auch diese Aussage authentisch ist.

Anzeige

Main Bitches und Side Bitches

Der siebte Song auf My Krazy Life ist „My Nigga“. Bis dahin bekommen wir, was wir erwartet haben. Danach nimmt das Album eine interessante und einigermaßen unerwartete Wendung und sie beginnt in den Beats. „Do It To Ya“ beginnt mit einem dieser eingängigen, minimalistischen Klavier-Riffs, aus denen Hits gebaut sind. Es vereint mehr Soul in vier Takten als das bisherige komplette Album. Natürlich geht es in dem Song um die Damenwelt. Aber er ist eine Spielerei, kein Ernst. YG singt über Sex und er singt über Affären—„Side Bitches“, wie er sagt.

Einen Song weiter wird’s dagegen sehr viel ernster, nun ist die „Main Bitch" dran, YGs Ex-Freundin. Auch in „Me & My Bitch“ geht es um Sex, aber es geht auch um Liebe, ums Zusammenleben, um Betrug, um Enttäuschung. Getragen wird der Song von sanften Klavierakkorden, einem gezupften Gitarrenriff und einem gefühligen Refrain von Tory Lanez. Soul, der Drake zum Weinen bringen würde. Okay, das ist auch nicht so schwer.

I’m Sorry Ms Jackson

YGs Mutter nimmt viel Raum auf dem Album ein. Die Intro spricht sie höchstpersönlich (s.o.), in der Folge wird sie regelmäßig erwähnt—das Verhältnis zwischen Miss Jackson und ihrem Sohn Keenon spielt eine bedeutende Rolle in seiner Persönlichkeitsentwicklung. Der Young Gangsta, gefangen zwischen dem, was seine Mutter sich erhofft und den Erwartungen seiner Gang-Brüder. Höhepunkt auf dem Album sind die oben bereits erwähnte „Thank God“ Interlude und der anschließende Song „Sorry Momma“. In „Thank God“ singt R.J., eine sehr gefühlvolle, soulige Liebesnachricht aus der Sicht von YG an seine Momma. Die Zeile soll tatsächlich im Gefängnis aufgenommen worden sein, was die Hintergrundgeräusche erklären würde—vermutlich der Grund, warum nur eine Interlude daraus geworden ist. Sie wird abgelöst vom kurzen, aber intensiven Vers, einer Nachricht an Miss Jackson, die ein Freund von YG auf die Mailbox seiner Mutter rappt.

„I’m sorry Miss Jackson, I hate to call in this fashion…“ Zuerst entschuldigt sich der Freund bei YGs Mutter für den späten Anruf, wobei die Referenz zu Outkast natürlich mehr als gewollt ist. In der Folge erzählt der Freund vom schiefgegangenen Raubüberfall, den wir bereits aus den Song „Meet the Flockers“ kennen und bei dem YG festgenommen wurde. Ein offensichtlich nicht allzu seltener Vorfall und typischer Konfliktstoff zwischen YG und seiner Mutter. Damit wird der Bogen zum folgenden Song gespannt, der über einem fast schon cheesy Klavier alle Konflikte zwischen dem Young Gangsta und seiner Momma auflistet und im Grunde nichts anderes ist als eine große Entschuldigung für all die Scheiße, die er ihr angetan hat. Ty Dolla Sign fährt hier als Sänger richtig groß auf—„Momma, let me take some weight off your shoulders“ untermalt von einem Saxophon.

Anzeige

YG und Mustard haben mit My Krazy Life ein Album geschrieben, das perfekt zeigt, wo der HipHop 2014 steht und was er 2014 kann. Mustard sieht sich häufiger den Vorwürfen konfrontiert, den selben Beat immer und immer wieder zu bauen und ja, viele Songs auf My Krazy Life sind ähnlich—aber DJ Mustard hat hier und da deutlich experimentiert und neue Dinge ausprobiert. Außerdem sind seine Beats einfach für YG gemacht. My Krazy Life ist kein Album für die Zukunft wie Kanyes Yeezus, wenig futuristische Beats wie Angel Haze’s „A Tribe Calles Red“, aber es ist das perfekte Rapalbum für unsere Zeit, der nächste Compton-Banger nach Good Kid m.a.a.d City. Ein anderer Vergleich, der auch schon gefallen ist: The Chronic. Man liegt damit nicht so weit daneben.

YG My Krazy Life bekommt ihr bei Amazon oder iTunes. Kauft es!

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.


MEHR VON NOISEY

Aus dem Nichts nach ganz oben—Chief Keef ist das Wunderkind Chiraqs

Chief Keef ist der Justin Bieber des Gangsta-Rap—oder sowas ähnliches. Allerdings bewaffnet bis an die Zähne, Bang Bang eben.

#ThumpsUp—Die Musikvideos der Woche (6)

Ein bisschen Club, ein bisschen Pop: Musikvideos von Arca und zappelnden Babys, LSD-Trips mit Tobias., Maschinenmusik von Ben Frost, Pow-Wow-Step mit Angel Haze und Flume, der Phon.o Lichtjahre voraus ist.

Hier erfährst du, wie du am besten in eine Flasche pisst und wann du die Musik aussuchen darfst.