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Interviews

YG hat den ganzen Scheiß wirklich erlebt—und nun erzählt er euch davon

YG steht über den Dächern Berlins im Nieselregen und will einen Burger mit viel Käse. Perfekte Bedingungen für ein Interview.

Foto © Philipp Boegle | VICE

YG steht auf einem Dach über Neukölln und will einen Burger mit viel geschmolzenen Käse. Das ist ein Problem, denn es gibt hier zwar Burger, aber keinen Käse. Der Typ, der den Burger besorgen soll, ignoriert den deutlichen Wunsch nach „melted cheese“ vom Comptoner Gangster-Rapper allerdings ohne mit der Wimper zu zucken und macht sich auf den Weg einen Burger ohne Käse zu besorgen. „Oh, oh“, denke ich, „mal sehen, was passiert, wenn er ohne Käse wieder kommt.“ Entweder weiß dieser Kerl nicht, mit wem er es zu tun hat oder er ist ein verdammt cooler Hund.

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Kann aber auch daran liegen, dass der Young Gangsta so sympathisch rüberkommt und allen Anwesenden das Gefühl gibt, der netteste Kerl der Welt zu sein. Vielleicht ist er das ja auch und es sind wirklich nur die äußeren Umstände gewesen, die ihn in die Obhut der Bloods getrieben haben—einer der härtesten Gangs auf den Straßen von L.A. „I hate doin' interviews, cause gangstas don't like talkin'“—so rappt YG auf seinem Album My Krazy Life und das sind die Voraussetzungen für das Interview, das wir führen werden. Ich bin also irgendwo ziwschen den Polen: „Das wird eh nichts!“ und „Jetzt habe ich erst Recht Bock auf ein Interview“.

Doch im Gespräch ist gar nichts mit Gangsta—YG hört mit zu, antwortet bereitwillig und gibt mir das Gefühl von Offenheit, Aufmerksamkeit und Intimität. Letzteres allerdings auch körperlich, YG kommt mir während des Gesprächs so nahe, dass wir uns mehrmals fast mit den Gesichtern berühren. Zum Glück tragen wir beide eine Cap, deren Schirme wie ein Airbag wirken, wenn YG mir ein bisschen zu nahe kommt. Was er andauernd tut. Vielleicht ist er aber auch betrunken und kann sein Gleichgewicht nicht halten. Egal, denn sprechen kann er noch.

Noisey: Ich habe gehört, du warst noch nie vorher in Berlin—
YG: [unterbricht] Ich war mal in Deutschland, aber nur zwei Tage oder so. Das war aber nicht so … [zeigt auf den Blick über Berlin]

Ganz nett hier oben, oder?
Alter, es ist total nice. Nicer than a Motherfucker.

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Foto © Jan Kapitän | VICE

Wie nimmst du all die Sachen wahr, die um dich herum passieren, seit du dein Album My Krazy Life veröffentlicht hast?
Es geht bergauf, Mann, es fühlt sich gut an! Ich befand mich in einer Situation, in der es wirklich nicht gut für mich aussah. Verstehst du mich? Ich habe alles independent gemacht, obwohl ich einen Labelvertrag unterschrieben hatte, ich habe alles allein gemacht. Bis zu einem Zeitpunkt, wo ich bereit war, mein Album zu veröffentlichen. Vier Jahre bin ich independent gewachsen. Ich habe mein ganzes Geld in dieses Projekt gesteckt, habe Videos produziert, Fotoshoots, Radio-Promotion gemacht. Das war hässlich, mein ganzen Geld ging da rein. Verstehst du? Aber dann habe ich ein paar Leute wie Sycamore hier kennengelernt und wir sind ins Studio gegangen, mit der Idee, einen Klassiker zu produzieren. Wir wollten, dass die Welt das anerkennt, respektiert und darüber spricht, so dass es sich zu einem Klassiker der Rapmusik entwickelt.

Es sieht so aus, als wäre der Plan aufgegangen.
Gaaaanz genau. Das ist ja, was ich sagen will. Wir sind dafür dankbar. Weißt du, in dieser Generation schaffen die meisten Künstler das nicht. Kendrick, ScHoolboy Q, ich—wir haben die besten Alben gemacht. Und wir kommen alle aus derselben Gegend, wir kommen alle von der West Coast. Wir schaffen hier was für die Coast und alle sehen das und erkennen das an. Das ist gut!

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Was ist mit Compton los, wieso kommen von N.W.A. über Kendrick zu dir so viele berühmte Rapper aus dieser Stadt?
Was hast du gesagt—COMPTON?

Bompton habe ich gesagt.
Bompton?

Na klar.
Will ich doch hoffen.

Also?
Ich weiß es nicht, es ist einfach—weißt du—es gab da schon vor Ewigkeiten gute Rapper. Es ist einfach…, ich weiß nicht, was es ist. Ich kann’s dir nicht sagen.

Habt ihr was im Leitungswasser?
Es liegt an den Straßen, das ist Bompton, Alter. Das ist unser Lifestyle, es liegt an dem Shit, den du siehst. Die City of Compton ist groß, weil es so viele Viertel gibt, aber zugleich ist sie klein, von der Einwohnerzahl. Das ist keine große Stadt. Aber irgendwie ist sie halt doch riesig, verstehst du mich?

Du meinst, man kennt sich? Kennst du Kendrick aus deiner Jugend?
Ja, ich kannte Kendrick, bevor er loslegte. Ich war ein Top Dawg, ich war mit bei denen im Studio, ich war Teil des Studios, also ja.

Der große Wendepunkt in deiner Karriere war vermutlich, als letzten September dein Song „My Nigga“ erschien und extrem erfolgreich wurde.
Yeah, yeah, yeah.

Hat dich das überrascht oder wusstet du, dass du hier einen Hit hast?
Wir wussten, dass das Ding auf den Straßen einschlagen würde, aber niemand hätte gedacht, dass der Song weltweit in den Radios gespielt wird. Der Inhalt dieses Songs ist tough, es geht um my niggas. Die Leute hätten niemals gedacht, dass der Song auch nur halb so erfolgreich werden würde, niemand hätte gedacht, dass das im Radio gespielt wird. Drei, vier Wochen nachdem wir ihn veröffentlicht haben, waren wir richtig schockiert. DAMN, wir haben damit echt nicht gerechnet, der Scheiß war einfach crazy.

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Was bedeutet es für dich, dass ein Song mit diesem Text auf der ganzen Welt erfolgreich werden konnte und im Radio gespielt wird?
Im Grunde bedeutet das nur, dass man als Künstler, dass ich als Künstler, machen kann, was ich will. Niemand kann uns sagen, was wir nicht machen können.

[Der Burgertyp bringt den Burger. Natürlich ohne Käse, weil es keinen Käse gibt, aber auch OHNE GURKEN UND OHNE TOMATEN. YG klappt den Burger auf, sucht verzweifelt nach Käse, Tomaten und Gurken „Where’ dem pickles at??“ Dann schickt er den Typen und seinen Burger wieder weg, mit dem klaren Auftrag, wenn es schon keinen verfickten Käse git, wenigstens einen Burger mit TOMATEN und GURKEN zu besorgen.]

Wie kam es dazu, dass Lil Wayne auf den Track aufgesprungen ist?
Ich bin Fan von Lil Wayne, ich bin mit Lil Waynes Musik aufgewachsen, er ist einer meiner Lieblingsrapper. Und ich glaube, er wusste das. Als wir uns entschieden, eine neue Version von dem Song zu machen—da war er schon ein Hit—da wussten wir, dass Lil Wayne bestimmt nicht nein sagen wird. Er meinte dann sofort: Klar, ich mach mit!

Es ist bei My Krazy Life sehr auffällig, wie viele krasse Club-Banger da drauf sind. Wie wichtig sind dir persönlich die Beats auf dem Album?
Es ist sehr wichtig. Ich wähle alle Beats selbst aus, ich stelle sicher, dass die Beats funktionieren. Verstehst du, ich bin ein Teil davon. DJ Mustard ist der Produzent, aber ich habe den Weitblick, Sycamore [zeigt auf seinen Freund] hat auch den Weitblick, verstehst du, Sycamore hilft mir. [Dreht sich zu Sycamore] Mann, du hast mir mit all den Singles geholfen, Bro. [Wieder zu mir gewandt] Sycamore hat mir bei all den Singles geholfen, er hat mir beim „My Nigga“-Vers geholfen, beim „Who Do You Love“-Vers, bei der Hook. Er hat bei dem ganzen Scheiß geholfen. Jeder spielt seine Rolle, ich, Sycamore und DJ Mustard.
Sycamore: Ist so.
YG: Bei den Singles—entweder habe ich sie nicht richtig geballert oder mein Vers war whack. Und Sycamore war derjenige, der mir geholfen hat, die richtige Strophe zu machen. Er hat mir gesagt: Das ist der Teil, an dem du arbeiten musst.

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YG mit seinem Freund Sycamore | Foto © Jan Kapitän | VICE

Er ist also die Person, die dir offen sagen kann, wenn etwas nicht gut genug geworden ist?
Yeah, weil er aufrichtig ist. Und er kennt sich mit Musik aus, er kennt sich mit HipHop aus. Er hat das Game studiert. Er ist mein persönlicher Berater.

Wie wichtig sind deine persönlichen Erfahrungen auf den Straßen von Bompton für deine Lyrics?
Sehr wichtig. Wenn ich durch die Scheiße nicht gegangen wäre, könnte ich darüber nicht rappen. Durch all die Scheiße, über die ich rede, bin ich gegangen oder ich war dabei und habe sie gesehen. Der ganze Scheiße auf dem Album, das habe ich alles erlebt. Wenn das nicht mein Lebensstil wäre, wüsste ich nicht, was ich machen würde und worüber ich reden würde. Keine Ahnung.

Du warst auch mal im Gefängnis.
Ja.

Und trotzdem gibst du in deinem Song „Meet The Flockers“ eine ziemlich detailgetreue Anleitung zum Ausrauben eines Hauses. Meinst du, dass das junge Fans deiner Musik beeinflusst?
Ja, vermutlich tut es das! Weil manche Leute nicht zuhören, was ich sage. Aber ich teile da eine echte Erfahrung aus meinem Leben. Ich sage nicht, dass du das auch machen sollst. Ich gebe dir einfach, was ich durchgemacht habe, auf einem anderen Level. Auf „Meet The Flockers“ gebe ich dir die Anleitung, wie man ein Haus ausräumt, aber ich sage nicht: Raube ein Haus aus.

Meinst du eher, dass man es nicht tun sollte, weil du am Ende in Knast landest?
Nein, nein! Ich sage auch nicht, dass du es NICHT tun solltest. Ich sage weder tu es, noch tu es nicht. Ich erzähle dir, durch was ich gegangen bin. Ich gebe dir die Anleitung, weil ich dieser Anleitung gefolgt bin. Ich empfehle keinem Motherfucker, dass er ein Haus ausrauben soll. So wie es auf dem Skit vor „Meet The Flockers“ heißt: „Meanwhile at a home invasion near you, these niggas is robbin’ your shit“. Ich erzähle dir nur, was ich gemacht habe. Weißt du, in Hollywoodfilmen siehst du, wie sie Leute umbringen oder Banken überfallen. Aber wenn du das nachmachst, ist das dein Problem. Die sagen dir nicht: Überfall eine Bank! Wenn du vor Gericht sitzt und dem Richter sagst, dass der Film dich beeinflusst hat, eine Bank zu überfallen, wirst du das Verfahren definitiv nicht gewinnen. Also lass es hier bloß nicht so aussehen, als würde ich den Leuten sagen, dass sie ein Haus ausrauben sollen. Weil ich das nicht mache! Ich mache Rap und ich bin African American, wenn ich diesen Scheiß sage und weil ich diesen Scheiß mache, wird mir das Schlimmste vorgeworfen. Einfach aufgrund meiner Herkunft und Hautfarbe. Wenn diese anderen Motherfucker Hollywoodfilme machen, ist das okay. Alle finden das cool. Aber eigentlich ist es derselbe Scheiß, nur auf einem anderen Level. Und das ist nicht richtig, verstehst du. Wenn das bei mir falsch ist, dann ist das bei denen auch falsch. Oder?

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Eigentlich ist es in Hollywood noch schlimmer, denn du erzählst aus deinem Leben.
Genau! Und diese Typen wollen nur Geld machen mit dem Scheiß. Und ich stehe hier und erzähle dir, was für eine Scheiße ich gemacht habe. Scheiß, den ich erlebt habe.

Du hast diese Zeile auf deinem Album, in der du sagst: „If I don't make it with this rap shit, nigga, I might be homeless“.
Ja, das ist wahr. Ganz genau.

Foto © Jan Kapitän | VICE

Du hast ein sehr großes Risiko auf dich genommen.
Das Risiko war groß. Bevor ich angefangen habe zu rappen… Meine Familie hatte überhaupt nichts. Doch dann hatte meine Ma eine Idee und plötzlich begannen sie und mein Paps Geld zu machen. Aber sie gerieten in Probleme mit den Cops, der Regierung und dem Gesetz und mein Paps musste in den Knast. Sie haben die ganze Kohle von meiner Mutter genommen, sie hat unser Haus verloren, wir mussten bei meinem Opa einziehen. Damals fing es wirklich an mit der Scheiße bei mir, da war ich 16 Jahre alt. Ich hing auf der Straße ab, begann mit dem ganzen Gangbanging, habe angefangen zu klauen, das ganze Programm. Die Erfahrungen auf dem Album sind aus dieser Zeit, als ich so 15, 16 war und kurz danach. Ich habe da richtig viel Scheiße gebaut, weißt du. Und wenn ich am Ende keinen Plattenvertrag bekommen hätte, keine Ahnung, meine Leute, meine Familie wäre am Arsch. Weißt du, meine Mutter ist halbblind, sie kann kaum arbeiten, sie hat gesundheitliche Probleme. Mein Vater wurde wegen einer schweren Straftat verurteilt, er bekommt nie mehr einen richtigen Job. Meine Familie, Alter… Meine Schwester ist die einzige, die was für die Familie bringen kann. Sie ist Krankenschwester, arbeitet bei einem Arzt, wenn ich nicht hustlen würde und fähig wäre, für meine Familie zu sorgen, müsste meine Schwester die Hauptlast tragen. Natürlich könnte sie das niemals schaffen, weil alle im Arsch wären. Wenn ich das hier nicht machen würde, wären meine Leute gefickt. Echt.

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Hast du nur diese eine Schwester?
Nein, ich habe Schwestern und Brüder. Ich habe einen kleinen Bruder, meine Schwester, noch eine Schwester, eine Stiefschwester und einen Bruder. Aber die eine Schwester, mit der ich zusammen aufgewachsen bin, sie ist Krankenschwester, sie ist zur Schule gegangen, hat eine Ausbildung gemacht. Sie hat ihr Leben und ihre Karriere im Griff, weißt du.

Es klingt, als wärt ihr sehr eng. Stimmt das?
Ja, wir sind sehr eng.

Was sagt sie zu deiner Karriere und zu den Dingen, über die du rappst?
Sie liebt meine Songs. Sie freut sich für mich. Weißt du, sie hing in den Straßen mit mir ab, sie war bei all den Partys, sie hat uns rumgefahren, wenn wir drauf waren. Sie war von Anfang an dabei und sie war gar nicht der Typ Mensch dafür. Sie hatte Angst. Aber ich und meine beiden Cousins, wir haben sie negativ beeinflusst, wir haben sie dazu gebracht zu tun, was wir getan haben. Und meine Schwester war nicht so, aber sie hat mitgemacht. Wegen uns. Deshalb hat sie die ganze Scheiße auch durch. Wenn sie mitkriegt, dass ein Nigga es schafft und da rauskommt, weiß ich, dass sie sich freut.

Ich habe gelesen, dass hier der Interlude „Thank God“ eine bestimmte Geschichte steht.
Pass auf: Der kleine Bruder von Ty Dolla $ign sitzt im Knast. Er hat lebenslänglich bekommen und Ty wollte ihm helfen, da irgendwie rauszukommen. Momentan versuchen sie in Berufung zu gehen. Sie haben inzwischen Handys im Knast und damit hat er den Song aufgenommen und bei YouTube hochgeladen. Du kannst ihn im Video sehen, wie er auf den Tisch haut und mit dem Bleistift einen Rhythmus schlägt und diesen Song singt. Als ich und Mustard das gesehen haben, habe ich ihm gesagt, dass er einen Beat dazu machen soll und ich würde es auf dem Album unterbringen. Und das habe ich getan.

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Der Song ist krass.
Die Leute fühlen das. Als er das aufgenommen hat, ging es ihm nicht darum, auf ein Album zu kommen, er hat es aus seinem Herzen heraus gemacht. Und es rausgehauen. Ich habe das zufällig gesehen. Ich wollte das auf meinem Album, weil mein Album auf wahren Geschichten beruht. Und das ist true shit, echte Gefühle.

Ayke fand YG im Gespräch nicer than a Muthafucka! Falls er mal wieder einen Gangstarapper trifft, wird er euch über Twitter informieren: @suethoff

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