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Ein Typ hat die Welt glauben lassen, H&M würde Nazibands erfinden

Wir haben mit dem Typen gesprochen, der H&M und die komplette Metal-Gemeinde an der Nase herumführte.
Emma Garland
London, GB

Die letzten 24 Stunden waren verdammt surreal. Als ich morgens aufwachte, sah es so aus, als wäre H&M, der omnipräsente Textilriese und unsere bevorzugte Quelle für billige Gürtel, dafür unter Beschuss geraten, Online-Profile für einen Haufen nichtexistenter Metalbands erfunden zu haben—inklusive Künstlerbiografien, Nazi-Ästhetik und was sonst noch. Und das alles nur, um ein paar T-Shirts an Mann und Frau zu bekommen?

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In einer Meldung, die ursprünglich bei Metal Injection aufgetaucht und seitdem auch von Fact, Complex und unzähligen anderen Seiten weiterverbreitet worden war, wurde H&M dafür kritisiert, „eine der unüberlegtesten Marketingkampagnen der jüngeren Vergangenheit ins Leben gerufen zu haben.“

Den Berichten zufolge verkauft H&M momentan eine T-Shirt-Serie mit Logos vermeintlicher Underground-Metalbands. Wenn man dann nach besagten Bands im Internet sucht, landet man immer wieder bei einem Kollektiv namens Strong Scene Productions. Auf ihrer Facebook-Seite findest du dort tatsächlich die Bands von den H&M Patches und Shirts (MORTUS, MOTMROS, LANY, MYSTI TRIANGLE), inklusive Konzertposter (250 oder 300 US-Dollar für ein eintägiges Underground-Festival), Bandbiographien („The purpose of Mortus is to serve the almighty Sathanas and spread the black semen of the holy goat onto all lands") und Artwork mit den Models aus der H&M-Kampagne. All das wurde allerdings innerhalb der letzten Woche kreiert.

Metal Injection berichtete dann, dass einige dieser Bands zur National Socialist Black Metal (NSBM) Szene gehörten—will heißen, tief im braunen Sumpf stecken. Wenn es sich dabei also tatsächlich um einen Marketing-Coup von H&M handeln sollte, dann hat dort irgendjemand gehörig in die Scheiße gegriffen. Wenn man andererseits aber bedenkt, dass H&M letztes Jahr ungefähr zur gleichen Zeit gezwungen wurde, wegen Antisemitismusvorwürfen eine Reihe Shirts wieder einzustampfen, die mit einem Davidsstern und einem Totenkopf in der Mitte illustriert waren, scheint es nicht total unwahrscheinlich, dass jemand aus der Marketingabteilung den Research-Aspekt seines Jobs mal wieder sträflich vernachlässigt hat. Aber auch so, irgendwie passte das alles nicht so richtig zusammen.

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Wir haben bei H&M nachgefragt, ob das alles wirklich Teil einer viralen Kampagne ist, um die T-Shirts zu promoten. Laut einem Sprecher von H&M haben sie „keinerlei Verbindung zu Strong Scene Production“. Das Unternehmen hat mit der Erschaffung dieser Bands also rein gar nichts zu tun. Es handelt sich dabei vielmehr um eine großartige Parodie von den Menschen hinter Strong Scene Production—waschechten Metalfans, die einen Blick auf H&Ms neuste „Metal-inspirierte“ Kollektion geworfen hatten—mit den ausgedachten Bands und den Patches/Logos, die nach dem Muster „generischer Metal-Ästhetik“ funktionieren—und die Schnauze voll davon hatten, wie Klamottenläden aus der Fußgängerzone mehr schlecht als recht ihre Musik kommerzialisieren. Also entschlossen sie sich, H&M einen tiefgründigen und extrem genialen Streich zu spielen. Sie ließen die Bands „Wirklichkeit“ werden (inklusive Discogs-Einträgen!), machten einige davon ziemlich rechts und verteilten das Ganze dann über das Internet, wo sich die restliche Welt ihr eigenes Bild machen konnte.

Henri Sorvali von den finnischen Metalbands Moonsorrow und Finntroll ist einer der Menschen dahinter. Ich habe mich mit ihm in Verbindung gesetzt, um mehr über den prächtigen Shitstorm zu erfahren, den er und seine Mittstreiter einem der weltgrößten Klamottenläden aufgehalst haben.

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Beitrag von Strong Scene Productions.

Noisey: Jetzt mal ehrlich, Henri, gibt es eine der Bands von Strong Scene Production wirklich?
Henri Sorvali: Nein, jede einzelne Band wurde nur anhand der Logos aus der H&M-Frühjahrskollektion erschaffen.

Ist das eine Reaktion auf die Kommerzialisierung des Metal durch große Textilketten?
Zum Teil, ja. Wir wollten aber auch zeigen, dass man generell keine Subkultur kommerzialisieren kann, ohne die ganzen verschiedenen Aspekte davon zu kennen. Eine gute Kenntnis über dein Produkt ist beim Marketing essenziell und Strong Scene unterstützt Selbstreflektion und Bildung für jeden zu diesem Thema. Und nein, ich arbeite nicht für H&M, wie in einigen Gerüchten behauptet wurde!

Das scheint ein ziemlicher großer Aufwand zu sein, nur um H&M eins auszuwischen. Warum die ganzen Mühen?
Der Sinn und Zweck dieser Gruppe (die aus zig Menschen der unterschiedlichsten Musik- und Medienbereiche Skandinaviens besteht) war es, eine Diskussion darüber anzustoßen, dass die Metalkultur mehr ist, als nur „cool“ aussehende Logos und schicke Klamotten. Dass die verschiedenen Subkulturen viel mehr ästhetische und ideologische Aspekte zu bieten haben, als das, was manche Firmen versuchen, darzustellen. Die Metalszene ist sehr unterschiedlich, manchmal auch kontrovers. Sie ist in gewisser Weise ein Wolf, den man nicht einfach an die Leine legen kann, damit er dann wie ein Hund alles tut, was man ihm sagt. Strong Scene ist ein Kollektiv, das keinerlei politische oder ideologische Intentionen hat. Wir versuchen nur, die Diskussion auf das Level zu holen, auf dem sie geführt werden sollte. Du kannst uns gerne als die einmaligen „Yes Men“ des Metals sehen.

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Du spielst selber in einer Metalband—Finntroll. Gibt es irgendeine Verbindung zwischen den Themen eurer Alben (Kämpfe gegen Trolle, etc.) und dem Trollen, das wir hier gesehen haben?
Auch wenn es ziemlich schlau wäre, damit für Finntroll Werbung zu machen, haben beide Sachen nichts miteinander zu tun. Nenn es meinetwegen Trollen, wir nennen es Culture Jamming. Finntroll machen ihr eigenes Ding!

Die Kritik der Metalszene auf den Verkauf von Metallica -und Slayer-Shirts könne der Sprecher von H&M nicht teilen. Schließlich würden sie „dem Wunsch vieler Kunden entsprechend“ offiziell lizensierte T-Shirts verkaufen. Dabei würden sie den Fokus auf keine bestimmte Musikrichtung legen, sondern „immer wieder neue Bands und Musikrichtungen“ aufgreifen. Außerdem fühlten sie sich „durch das überwiegend positive Feedback auch darin bestätigt“.

Emma kannst du bei Twitter folgen—@emmaggarland

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