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Deutschtrap braucht die Welt. Oder ist es eine Falle?

Dank Casper, Money Boy und Cosmo Gang hat sich Trap längst auch im Deutschrap eingenistet. Die Frage ist: Brauchen wir Trap? Eine Analyse.

Der digitale Bürger vergisst schnell, doch das Internet vergibt bekanntlich nichts. Vor gut einem Jahr, am 2. Februar 2013, veröffentlichte der Internetkomiker Filthy Frank ein Video mit dem Titel „DO THE HARLEM SHAKE“ auf YouTube. Der Rest ist unrühmliche Internetgeschichte, nachzulesen in allen Webarchiven. Doch weil plötzlich jeder den „Harlem Shake“ durchbumste, wurde er nach ein paar Wochen ganz schnell angeekelt von der Bettkante gestoßen. Damit könnte das Meme eine beschleunigte Allegorie für den Song und seinen Sound sein, um den es in diesem Artikel gehen soll: Trap.

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Als der amerikanische Produzent Baauer, gerade gesignt bei Diplos neuem Label Jeffree's, im Mai 2012 einen Song namens „Harlem Shake“ herausbrachte, haben längst schon ein Haufen anderer bleichgesichtiger Beatnerds Trap für sich entdeckt.

EDM-Trap ist die mit seinen (sanfteren) Drops, ratternden Snares und HiHats auf 140 BPM die konsequente Weiterführung von Dubstep. Weil der Molly-dippende amerikanische College-Student nach Ekstase schrie, und Trap-Produzenten genau das lieferten, glauben noch heute viele, dass Trap ähnlich wie Dubstep und der „Harlem Shake“ schon längst wieder durchgenudelt ist. Der Rausch hält eben nur kurz an, danach wird ausgeschlafen.

Dagegen steht der ursprüngliche Trap, von dem sich Produzenten wie Hudson Mohawke oder Flosstradamus inpirieren ließen, auf einem langjährigen Fundament: Schon UGK und Three Six Mafia bedienten sich der allgegenwärtigen 808-Kickdrum—dem musikalischen Grundgerüst des Traps. Als T.I. 2003 sein Album Trap Muzik herausbrachte, fiel zum ersten Mal der Begriff im popkulturellen Zusammenhang. Unter den Dealern in Atlanta galt die Trap—die Falle—als der Ort, wo weißes Pulver gekocht, in Päckchen verpackt und für Scheine getauscht wird. Dieses Lebensgefühl transportierten zunächst Südstaatenrapper wie Young Jeezy oder Gucci Mane vor allem in den Clubs von Houston bis Miami. Erst Anfang der 2010er Jahre hievte Lex Luger Trap vom regionalen zum nationalen Phänomen empor. Aber auch im Rest der HipHop-Welt wollte und konnte man sich der Strahlkraft eines Wacka Flocka Flames nicht entziehen.

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Natürlich schaut da die hiesige Rapszene auch in Richtung Südstaaten. Deutschrapper versuchen sich immer wieder an Trapsongs. Doch neben der noch relativ unbekannten Cosmo Gang, ist der einzige… äh … Protagonist, der diesen Sound wirklich durchzieht, Money Boy.

Letztes Jahr lieferte er mit seiner Trap Haus-EP so etwas wie eine Hommage an Gucci Manes berühmte Trap House-Tapes. Das Problem ist, dass Money Boy, egal was er darstellen will, nicht als ernsthafter Künstler angesehen wird. Sein fast manischer Gebrauch von Stautussymbolen und Slangbegriffen lässt ihn wie eine Karikatur wirken. Natürlich wird da die Musik nicht losgelöst von ihm betrachtet. Money Boy macht Trap? Na dann kann das ja nur Schwachsinn sein.

Trap ist in aller erster Linie Clubmusik und nicht für die Kopfhörer. Bekanntlich ist es der feuchte Traum der meisten deutschen Rapper in den Clubs gespielt zu werden. Vor allem Straßenrapper wie Farid Bang, Summer Cem oder Fler stürzen sich auf diesen Sound, weil er diese unbändige Energie transportiert. Dennoch ist es alles andere als einfach, Trap auf deutsch gut zu machen. Da wäre das Problem mit den Produktionen. Eigentlich kann jeder Beatmaker einen Trapbeat bauen, Lex Luger produzierte seine Beats mit Fruity Loops, seiner Nacheiferer können diesen Sound also ganz einfach imitieren. Dadurch werden die Produktionen allerdings sehr beliebig.

Natürlich gibt es auch hierzulande Produzenten wie Juh-Dee, Gee Futuristic, Abaz oder PhreQuincy, die es verstehen, einen Trapbeat mit Samples sauber zu arrangieren. Das nächste Problem liegt häufig bei den Rappern selbst.

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„Ich schicke meine Trapbeats haupstächlich in die USA oder Frankreich,“ erzählt Gee Futuristic. „Deutsche Rapper sind häufig nicht so drin in dieser Musik und rappen dementsprechend wie auf anderen Beats.“ Ein Trapbeat wird in der Regel bei 70 BPM angesetzt, der Rapper hat also viel mehr Raum mit Stimme und Flow zu spielen. Diese Freiheit kann aber vor allem die überfordern, die sich jahrelang an ein Korsett von schnelleren Beats gewöhnt haben. Bei Trap geht es um die Performance und nicht um die Technik. „Die Leute importieren die Beats und die Songs, aber nicht das Lebensgefühl“, sagt PhreQuincy, der eine Zeit lang im Süden der USA gelebt hat.

Casper ist allerdings jemand, der dieses Lebensgefühl kennt. Er wuchs die ersten Jahre seines Lebens in einem Trailerpark in der Nähe von Atlanta auf. Er selbst bezeichnet Flockaveli,den Erstling von Wacka Flocka Flame als seinen Illmatic, also als das Opus Dei für einen Rapfan. GeeFuturistic produzierte mit ihm den Song „Nie genug“, eine sehr trippige Mischung aus Trap und Cloud Rap. Casper weiß, wie er seinen Flow an Künstler wie Migos oder A$AP Ferg anlehnen kann, weil er diese selber feiert.

Nun hat nicht jeder Rapper in Deutschland Wurzeln im Dirty South. Und das konsequente Kopieren von Amikünstlern kann im schlechtesten Fall einen Money Boy und im besten Fall die Cosmo Gang hervorbringen. Das Internet wird überspült mit schrecklichen und austauschbaren Trapsongs. Im Deutschrap brauchen wir davon bestimmt nicht mehr. Es liegt vor allem an den deutschen Rappern, wenn sie schon Trap machen wollen, dem Genre ihre eigene Note zu verleihen. Denn der Sound birgt mit seiner Energie und Freiheit viel Potenzial für den ein oder anderen Clubabriss. Mit Haftbefehl hätten wir da auch einen potenziellen Kandidaten parat.

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