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Wie selbst du zu einem berühmten DJ und Produzenten wirst

Ein kleiner Guide, wie man es im Internet zu einem gehypten Nachwuchs-Produzenten schafft—es ist echt einfach. Ich habe es erfolgreich ausprobiert.

Vergesst die Oberschenkellücke oder wahlweise den Waschbrettbauch, euer MacBook Air und den Bachelorabschluss in Kunstwissenschaften—wer heutzutage etwas auf sich hält, nennt sich DJ und Produzent. Über die vermehrt auftretende Spezies der selbsternannten DJs haben wir bereits das ein oder andere Mal berichtet. Immer mehr Bands versuchen sich am Pult und wollen es dabei einfach nicht kapieren, dass sie komplett versagen—von den Typen auf deiner Party, die unentwegt Drum’n’Bass oder Aviici auflegen wollen, sollten wir wahrscheinlich auch besser nicht sprechen.

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Doch das reicht dem gemeinen Profilneurotiker längst nicht mehr aus. Um physische Präsenz als DJ kümmert sich niemand mehr—die eigentliche Party findet doch auf Facebook statt. So brauchte es einen neuen Adelstitel, der sich selbst verliehen werden könnte und sich schließlich im Wort „Produzent“ fand. „Künstler“ dieser Verschmelzung aus DJ und Produzent schießen wie früher Punkbands aus dem Boden und scheinen, misst man es an den Indikatoren ihrer doch so substanziellen Social-Media-Existenzen, gewissen Erfolg zu erzielen. Welche Punkband kann sich schon damit rühmen, 2.000 Facebook-Likes ihr Eigen zu nennen und mehrere tausend Male auf SoundCloud gehört worden zu sein?

Doch irgendwas ist da doch faul. Um dem auf den Grund zu gehen, habe ich mir auch so ein Alter Ego zur Web-omnipräsenten Schwanzverlängerung zugelegt. Auftritt: Zigmund—2.000 Facebook-Likes an einem Tag, mein Track wurde über 33.000 Mal bei SoundCloud abgespielt. Jetzt willst du bestimmt wissen, wie du auch so ein unendlich steil gehender Typ wirst wie ich. Du hast aber noch nie was von Ableton Live gehört, weißt nicht wie man mit einem MIDI-Controller umgeht und dir sind VST-Plugins kein Begriff? Cool, ich habe nämlich auch keine Ahnung! Aber ich kann dir trotzdem erklären, wie selbst du in fünf Schritten zu einem berühmten DJ und Produzenten wirst.

1. Schritt: Namen generieren lassen

Im Prinzip gibt es für dich als DJ und Produzenten nur zwei Möglichkeiten, wie du dein Alter Ego taufen kannst. Entweder du nutzt deinen richtigen Namen, was schnell peinlich werden könnte, wenn du Kevin-Jamie Schultz heißt, oder du denkst dir einen aus. Bandmitglieder werden mir bestätigen können, dass dir ein richtig guter Name nur ein Mal in 1.000 Stunden einfällt und du in diesem Moment durch Alkohol oder welche Droge auch immer wahrscheinlich schon so neben dir stehst, dass du dich am nächsten Morgen nicht mehr an ihn erinnern kannst. Auf diesen Moment zu warten, könnte jetzt ein wenig zu lange dauern, deshalb empfehle ich den DJ Name Generator.

OK, es ist nicht alles Gold, was der Generator ausspuckt. Ocean Dennis, Chester The Gangster oder DJ Short klingen jetzt nicht unbedingt astrein, aber ich garantiere dir, dass du spätestens mit dem 543. Klick einen guten Namen gefunden hast. Da es in der deutschen Szene ja ziemlich angesagt ist, auch einen deutschen Namen zu haben, formte ich aus dem Vorschlag Minority Sigmund den Namen Zigmund. Das „Z“ habe ich noch hinzugefügt, um der ganzen Geschichte eine unverwechselbare Identität zu verpassen und damit man mich später auch bei Google findet.

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2. Schritt: Ghostwriting für deine Musik

Kommen wir zu einem nicht ganz unerheblichen Teil deines Daseins als neuem Hype in der Elektro-Szene: deiner Musik. Da wir uns ja bereits darauf geeinigt haben, dass deine musikalische Erfahrung in ungefähr so weit reicht, dass du zwei unterschiedliche Lieder auf YouTube mit nur sagenhaften zwei Sekunden Stille dazwischen verbinden kannst, lassen wir das Produzieren doch einfach Personen übernehmen, die das auch wirklich draufhaben. Ghostwriter kannst du nämlich nicht nur für deine Bachelorarbeit engagieren, sondern auch für deine musikalischen Unterfangen. Wenn David Guetta, Benni Benassi oder Paul Oakenfold so etwas verschleiern können, dann sollte das für dich mit deiner bis dato doch eher mäßigen öffentlichen Präsenz auch kein Problem sein.

Alles, was dein elektronisches Herz begehrt, bekommst du auf der Seite Producer Factory. Hier kannst du dir fertig produzierte Tracks von Ambient über Minimal und Deep House bis zu Dubstep in den Warenkorb packen—und falls du mal auf irgendeinem Goa-Trip hängengeblieben bist, dann findest du auch Trance-Songs. Überraschenderweise klingen die Produktionen sehr professionell, du kannst sie dir anhören, sobald du dich eingeloggt hast. Wenn dir die Auswahl jedoch immer noch nicht reicht und du dich eher den Genres Witch House, Cybergrind oder Clownstep angehörig fühlst, gibt es auch die Möglichkeit, dass dir die Ghostwriter einen „Custom Made Track“ nach deinen Wünschen zusammenschustern.

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Einziger Haken an der Sache ist, dass das natürlich nicht ganz kostenfrei ist, aber wir sind hier ja auch nicht bei Kinox.to. Die Preisspanne für einen Track bei Producer Factory liegt zwischen 60 und 1200 britischen Pfund. Ehrlich gesagt war mir das ein wenig zu teuer— Zigmund hat aber zum Glück ziemlich gute Connections im Biz und hat mal eben einen Producer-Kumpel beauftragt.

3. Schritt: Corporate Identity etablieren

Steht die Musik erst einmal, dann kannst du dir einen Kopf um dein Image machen. Heutzutage ist die Bildbearbeitung ja glücklicherweise einfacher als je zuvor, deshalb mein Tipp: nimm irgendein Bild (bestenfalls eins mit Creative Commons, damit später nicht der Abmahnanwalt an deiner Haustür klingelt) oder Foto und knall es durch Instagram—ein bisschen mehr vom Sutro-Filter hat doch noch nie geschadet.

Überlegst du noch, welches Motiv deiner Corporate Identity gut zu Gesicht stehen würde? Ich habe ein paar Designvorschläge für dich, die immer funktionieren. Entweder du verkörperst den Geheimnisvollen und porträtierst dich mit viel Schatten in schwarz-weiß, du mimst den introvertierten Nerd und stellst irgendein technisches Detail in den Mittelpunkt oder du gibst dich als den Naturverbundenen aus, so wie dieser Zigmund, von dem jetzt alle reden.

4. Schritt: SoundCloud hacken

Wahrscheinlich wird mich der Chaos Computer Club jetzt auf die Schwarze Liste schreiben, weil ich das folgende Prozedere „hacken“ nenne, aber irgendwie fühlt sich das für mich als Laie so an, denn es ist schon ein wenig komplexer als die guten alten PlayStation-Kombinationen L2+R1+Kreis+Dreieck+Select+Start, damit Lara Croft größere Möpse im Spiel bekommt. Um also mit eurem EDM-Herz-König eure Freunde im Social-Media-Quartett bei den SoundCloud-Plays zu übertrumpfen, müsst ihr euch das Programm Cloud Dominator runterladen.

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Einmal geöffnet und schnell eingerichtet, gebt ihr in dem Programm die URL eures SoundCloud-Stückes an und müsst nun nur noch festlegen, wie oft der Track von anderen Nutzern abgespielt werden soll. Je nachdem wie viele Plays ihr euch wünscht, ackert nun das Programm eine Weile und generiert über Proxy-Server die Aufrufe eures SoundCloud-Streams. Dieser Zigmund, der jetzt so hart gefeiert wird, hat es in 3 Stunden von 0 auf 33.000 Plays geschafft.

5. Schritt: Facebook-Likes kaufen

Bekanntermaßen gilt ja das alte Sprichwort: des einen Like ist des anderen Freud. Deshalb brauchst du als Künstler natürlich auch noch das heutzutage wahrscheinlich wichtigste Dokument nach deinem Personalausweis, eine Facebook-Fanpage. Ganz wichtig dabei ist, dass du an das Ende deiner URL noch das Wörtchen „official“ klebst—du bist ja jetzt Profi.

Leider wird dich aber niemand ernst nehmen, wenn nur deine 42 Second-Life-Freunde aus den Techno-Kellerlöchern der Stadt hinter deine Facebook-Seite den Daumen hoch gesetzt haben, weswegen wir auf die Silvio-Berlusconi-Art etwas nachhelfen sollten. Aufmerksamkeit in Form von Likes bekommst du am einfachsten und am sichersten über Ebay. 2.000 Likes für 15€—klingt nach einem fairen Deal, oder? Ein bisschen teurer wird es, wenn die Fans dann auch noch aus Deutschland kommen sollen. Dieser Zigmund, der gerade so steil geht, hat auch an einem Tag 2.000 Likes bekommen, scheinbar fährt man in der Türkei voll auf ihn ab.

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So absurd sich das alles anhört, in der Musikindustrie ist gerade der letzte Schritt traurige Wahrheit und leider schon gang und gäbe. Es hat sich eine komplette Schattenindustrie entwickelt, die für ihre Like-, Klick- und Share-geilen Kunden die nicht ganz saubere Vermarktung übernimmt und Millionen von inaktiven Facebook-Profilen erstellt, deren einzige Daseinsberechtigung in der almosenhaften Verteilung von Daumen nach oben besteht. Das traurige ist, dass sich diesem Wettbewerbsdruck sogar teilweise gute Musiker nicht entziehen können.

Leute, hört auf mit diesem Scheiß! Wer sich Freunde und Fans bei Facebook kauft, der hat wahrscheinlich im echten Leben keine richtigen oder muss irgendwie Probleme mit seinem Selbstwertgefühl haben. Nicht alles was glänzt, ist Gold—und schon gar nicht im Internet.

Ach ja, ein letztes Wort noch. Wenn ihr diesen Noisey-Artikel nicht liked, dann kaufen wir uns die Likes halt!

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