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Die Beschreibung das neuen Daft Punk-Albums an: mich selbst

Hier habt ihr ganz genau, was mit mir passierte, als ich mir ,Random Access Memories‘ anhörte.

Ich habe kein ADHS oder so was, aber wenn mich jemand bittet, mehr als eine Stunde lang ruhig in einem Raum zu sitzen, dann komme ich damit nicht besonders gut klar. Selbst wenn der mildernde Umstand gilt, dass ich da bin, um eines der heißersehntesten Alben der letzten Jahre zu hören, so komme ich trotzdem relativ schnell auf andere Gedanken.

Als gestern das von Columbia auferlegte Embargo über die Berichterstattung fiel, bin ich nochmal durch meine Notizen gegangen, die ich in deren Londoner Büro vor ein paar Wochen gemacht habe. Das Problem an der Sache ist natürlich folgendes: diese Notizen lesen sich wie das Gefasel eines inhaftierten Alkoholikers, der auf Entzug versucht, die Stimmen in seinem Kopf niederzuschreiben.

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Von den Bruchstücken aus folgernd, an die ich mich erinnern kann, fällt mein Fazit des Albums so aus: ja, das habt ihr gut gemacht Daft Punk, sogar ziemlich gut. Darüber hinaus habe ich mir gedacht, einfach meine ungekürzten Notizen hier zu posten, so dass ihr einigermaßen einen Eindruck davon bekommen könnt, was ich mir angehört habe. Ach ja, und wenn ein Psychologe das liest, dann kann er mir gleich sagen, was mit mir nicht mehr so rund läuft.

Track 1 - Give Life Back to Music feat. Nile Rodgers

Warum hängt in diesem Meetingroom dieses riesige Poster von Chris Brown? Warum zeigt er mit seinem Finger auf den CD-Player? Ist dies so etwas wie ein Test? Eine Möglichkeit für Columbia Daft Punks Good Vibes mit Chris Browns Frauenschläger-Vibes zu einem Paket zu schnüren? Und warum tun sie das? Ich habe Marketing noch nie verstanden. Oh richtig, der Song: Funk Riffs, üppig produziert, alles Live-Instrumente. Nicht sehr elektronisch — da sind ein paar Vocoder, laute Handclaps, aber all das ist nicht weit entfernt von geradem 70er Funk. SIND SIE ETWA DOCH MENSCHLICH?

Track 2 - The Game of Love

Da ist etwas so frühe-achtzigermäßiges an diesem Ding, nicht nur der Funk der späten Jahre, sondern auch die ewigen Fade-Outs, die Schlagzeug-Brücken, es ist wirklich wie bei Phil Collins. Wisst ihr, wenn ihr einen Film aus den 80ern seht und der Soundtrack ist auf frühen Synthesizern gemacht und das gibt dem Film auf eine ganz seltsame Art dieses Gefühl, veraltet zu sein, sogar bei wirklich beeindruckenden Filmen wie Rain Man oder so, aber dann in den wirklich emotionalen Momenten knarzt sich eine 808 rein und darüber bläst ein MIDI-Englischhorn. Es ist ein bisschen so.

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Track 3 - Giorgio by Moroder feat. Giorgio Moroder

OH MEIN LIEBER GOTT, DAS IST ERSTAUNLICH. Im Grunde ist es Giorgio Moroder, der legendäre Korg-Fummler und runde alte Mann, der sein Leben über diesen unglaublichen Soundtrack nochmal Revue passieren lässt. Ich versuche mal niederzuschreiben, was er sagt:

Als ich 15 oder 16 war als ich wirklich anfing Gitarre zu spielen wollte ich auf jeden Fall ein Musiker werden der Traum war groß ich hatte keine Chance als ich endlich die Schule abbrach und Musiker wurde und jetzt dachte ich dass alles was ich machen wollte Musik war. Es gab damals in Deutschland noch keine Diskotheken. Ich schlief im Auto. Das half mir dabei, die ersten zwei Jahre zu überleben. Ich kenne den Synthesizer — ich wollte ein Album über die Zukunft machen. Tschuldigung, da habe ich irgendwas verpasst, er war zu schnell. Oh, jetzt hört man nur noch den Click, jetzt eine Art Arpeggiator, sehr einfach. Dazu ein exaktes Bluesy-Woozy E-Piano Solo. Stellt euch vor, Daft Punk gehen zu Jools Holland und spielen dieses Stück. Ich frage mich, wer entscheided, welche Songs ein Jools-Solo bekommen. Ist es Teil des Vertrags, dass er einfach ins Set latschen darf, um ein Solo zu spielen? Oh Sorry, Yeah Yeah Yeahs, ihr könnt nur auftreten, wenn nach der Hälfte von „Sacrilege“ ein Dude, der mal bei The Tube gespielt hat, sich ans Klavier setzt. Oh, hier ist wieder Giorgio:

„Once you free your mind of the concept of harmony of music being correct. Nobody told me what to do.“

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Nachdem er das gesagt hat, gibt es ein paar kräftige Streicher. Am Ende gibt es ein paar ungleiche Synthies. Das macht nicht wirklich Sinn. Aber dann verbinden sich die Streicher mit den Synthies und es erschafft etwas vollkommen anderes und es fühlt sich an, als ob man den kleinen Daft Punk-Fötus rauskriechen sehen würde. Es klingt alles ziemlich clever, dann ist da irgendetwas mit einem Bass-Solo :(

Track 4 - Within feat. Chilly Gonzales

Bedenkt man, dass der letzte Track erst nach 9 Minuten richtig angefangen hat, ist das hier fast wie eine Interlude und das alles unter vier Minuten. Großartige Soli von verschiedenen Pianos (Flügel, elektrisches Piano, irgendeine Art komische Orgel). Ich denke, die erstaunliche Sache daran ist, dass all die Dinge, die man normalerweise hasst – Instrumentengewichse, Solos und all diese technische Musikalität – so vorzüglich glänzend produziert sind, dass man sie schon wieder lieben muss..

Track 5 – Instant Crush feat. Julian Casablancas

Die haben den Vocoder so stark eingesetzt, dass man nie darauf kommen würde, dass er es ist. Aber trotzdem besser als alles, was die Strokes in den letzten acht Jahren gemacht haben. Ich muss auch mal meine E-Mails checken – wäre es unhöflich, wenn ich hier mein iPhone zücke? Es ist ja nicht so, als würden Daft Punk hier gerade live spielen, aber der PR-Typ könnte bestimmt ein wenig schnippisch werden, so als würde ich der ganzen Sache nicht die notwendige Aufmerksamkeit liefern.

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Track 6 - Lose Yourself to Dance feat. Pharrell Williams and Nile Rodgers

Mehr Funk-Gitarren, Schlagzeugrhythmus von der Floor-Tom und der Bass-Drum. Pharrell singt „Loose yourself to dance“, was etwas ist, das wir wohl alle unterschreiben könnten. Ich habe meine E-Mails gecheckt – jemand bittet mic, ein Foto von Action Bronson zu verkleinern. Und ein Snapchat von einer Frau, mit ich seit über drei Jahren nicht mehr gesprochen habe. Ich habe es geöffnet, es war ihr Gesicht und dazu der gemalte Körper einer Katze. Was nicht besonders lustig ist, es sei denn man bringt es damit in Verbindung, dass wir früher hinter ihrem Rücken immer gesagt haben, dass sie wie ein Katze aussieht. Ist sie jetzt eingeweiht und macht mit? Oder vielleicht hat sie es gerade erst herausgefunden und das ist jetzt ihre Art, es uns heimzuzahlen. Oh fuck, der PR-Typ wird langsam hochnäsig, weil ich unaufmerksam werde.

Track 7 - Touch feat. Paul Williams

Wind-Effekte und Synthesizer-Gewaber geht über in einen Doctor Who Bösewicht, der „Touch, I remember touch“ sagt und dazu verrückte Sounds, wie bei den Clangers. Dann geht es in einen Nat King Cole/Smile-Vibe über, es ist wie Magic FM. Aber dann, wie man es von Paul Williams erwarten würde, dem Typen, der für die Carpenters und Three Dog Night geschrieben hat, hört man die beste Hochzeitskapelle der Welt: Hörner und trödelnde Flöten. Das ist wieder ein Song für die Langstrecke und wir fließen mit Streichern davon, schweifen umher wie in einem Richard Burton-Streifen und dann ertönt dieser Kinderchor. Es ist wie als Wall-E sich an all das erinnert, was einmal auf der Erde war. Ich muss mich hinlegen.

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Track 8 – Get Lucky feat. Pharrell Williams and Nile Rodgers DAS IST DER TRACK, DEN ICH SCHON IM VORAUS GEHÖRT HABE. ZUR FEIER GÖNNE ICH MIR EINEN SCHKUCK TEE. SCHEIßE, DAS ZEUG IST KALT! Track 9 - Beyond OI OI, HÖRE ICH DA EIN WALDHORN? Track 10 - Motherhood
BONGOS! ES SIND TATSÄCHLICH BONGOS! Es bleibt offiziell kein weiteres Instrument, das noch nicht gespielt wurde. In diesem Song singt selbst nach zwei Minuten noch niemand, nur Flöten-Triller und anschwellende Streicher. Ich bin langsam drin. Es hört sich an, wie die Art von Musik, die ich auf einer Dschungelwanderung hören wollen würde. Nur das und meine Machete auf einer großartigen Entdeckungsreise. Ohh, dann kommt auf einmal dieses schräge Raumschiffgeräusch, wie aus Per Anhalter durch die Galaxis. Keiner hat das erwartet. Es hört sich an, als würde ein Käfer aus Metall von einem religiösen Herrscher zerquetscht werden. Es spielen nun keine Instrumente mehr und es wird langsam unheimlich. NEIN, WARTE. JETZT KOMMEN WIEDER SYNTHESIZER. UND BONGOS. UND EIN SHAKER. Und jetzt regnet es, also nicht in real, sondern auf der Platte. Track 11 - Fragments of Time feat. Todd Edwards Eine der anderen Journalistinnen hat schon angefangen mitzuwippen, und ich sitze direkt hinter ihr. Jetzt geht es genau darum auf dem Weg ins Paradies zu sein. Es ist sehr soulig, was natürlich klar ist, denn es ist kein geringerer als Todd fucking Gott Edwards am Mikrofon. Um ehrlich zu sein, füllt es mich mit Sonnenschein in meinem Herzen und großartigen Vibes, wenn ich mir vorstelle, dass der Song als Single ein paar Male am Tag bei Radio 1 hoch und runter läuft. Es ist echt nett, dass sie von diesen monumentalen, orchestralen Stücken zu diesem (relativ) simplen Four-to-the-Floor-Soul gehen können. Track 12 - Doin’ It Right feat. Panda Bear Oh, das ist der erste, der etwas nach UK-Bass klingt, relativ softer Bass mit schroffen Handclaps, aber der Gesang erinnert stark an Animal Collective. Ah, stimmt, es ist ja auch Panda Bear. Cool. Track 13 - Contact feat. DJ Falcon Es gibt ein weiteres gesprochenes Sample am Anfang. Klingt wie eine Mondlandung oder so. Und schon geht‘s weiter mit einem weiteren krassen Drum-Sample und einer Menge raketenstartartiger Synthesizersounds. Dazu eine vorzügliche Verzerrung Marke Mitte der 00er – schnall dich an Kissy Sell Out. Es fühlt sich so an, als würden sie gerade ein neues Genre erfinden. Das Schlüsselcharakteristikum ist ein Kreischen, das immer höher und lauter wird und droht, jeden Moment aus dem Lautsprecher zu entkommen, um dich zu töten. Ich nenne es Homocyde. Nein, das klingt scheiße, ich werde mir später nochmal was Besseres überlegen.

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