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The Noisey Guide to

Wie du dich in sozialen Netzwerken als Musiknerd ausgeben kannst, ohne einer zu sein

Nimm an vielen Musikveranstaltungen teil. Erstelle Notizen mit Bestenlisten. Schreibe auf Englisch. Expedit.

Beliebt zu sein und Freunde zu haben ist schon lange nicht mehr mit ,aus dem Haus gehen’ und ,sozial sein’ verbunden. Längst kannst du dir dein soziales Umfeld, eine Reputation und eine Schar an Bewunderern aufbauen, ohne überhaupt den aufgewärmten Schreibtischstuhl, den dir deine Eltern mal zum 13. Geburtstag geschenkt haben, verlassen zu müssen, oder aus dem Bett aufzustehen. Das Internet macht soziale Inkompetenz salonfähig und unangemessene Verhaltensstörungen in großen Gruppen passé.

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Du kannst deinen alten Schulfreunden, die dir früher das Pausenbrot weggenommen haben, spielend auf Facebook und Co. zeigen, dass du nicht mehr der alte, dicke Nerd bist, der du früher mal warst. Und falls du die andere Sorte Mensch bist, kannst du jenen, die du früher in die Mülltonne gesteckt hast, beweisen, dass du inzwischen noch cooler geworden bist und sie auch heute noch auf dem Pausenhof verhauen würdest. Alles ist möglich. Manches davon braucht viel Arbeit und Zeit, wie zum Beispiel professionelle Instagram-Bilder, die dich und dein Joy Division-Tattoo mit Maschinengewehr zeigen, damit alle wissen, wie badass du bist. Zu den einfacheren Aufgaben gehört es allerdings, der Welt vorzugaukeln, dass du ein großer Musiknerd bist, der ganze Bibliotheken an Musikwissen eingesogen hat, und dich in nullkommanix in jedem Gespräch über Musik in die Mülltonne werfen und das Pausenbrot hinterher schmettern könnte. Folge einfach diesen Schritten:

Nimm an vielen Musikveranstaltungen teil

Einigen Menschen ist das nicht bewusst, aber wer bei Facebook auf den „Teilnehmen“-Knopf drückt, unterschreibt einen verbindlichen, unsichtbaren Vertrag, der einen dazu verpflichtet, pünktlich und in annehmbarer Geistesverfassung an besagtem Ort aufzukreuzen, ansonsten saugen einem Dementoren die Seele aus dem Leib und zwingen einen, an zehn sehr viel unterträglicheren Facebook-Veranstaltungen teilzunehmen. Steht alles in den AGBs von Facebook, denen ihr zugestimmt habt. Nicht gelesen, oder wie? Da die meisten eurer Seelen aber sowieso verloren sind, kannst du diesen Preis für die Coolness ruhig eingehen. Drücke einfach bei allen coolen Events auf „teilnehmen“, ganz egal ob eingeladen oder nicht. Wenn du erstmal jedem in der Timeline unter die Nase gerieben hast, wo du überall hingehst, kannst du nach einiger Zeit auf die nächste Stufe übergehen und auf „Vielleicht“ drücken—immer. Das vermittelt all deinen Freunden das Gefühl, dass du einfach zu viele Angebote und Einladungen hast, weil du einfach zu szene bist, als dass du irgendwo fehlen dürftest, und dich deswegen leider nicht festlegen kannst.

Lade ein neues Chronikfoto hoch

Wo wir schon bei der Seele sind. Es ist allgemein bekannt, dass das Chronikfoto ein direkter Einblick in diese ist. Du kannst von dem Motiv direkt auf den Charakter einer Person schließen. Ist dort eine riesige Nahaufnahme von dem Gesicht oder anderen ansehnlichen Körperteilen der Person, weißt du, dass sie zuhause einen Spiegel über ihrem Bett hängen hat. Ist dort ein Foto von einem gemütlichen Beisammensein im engsten Freundeskreis zu erblicken, ist klar, dass diese Person wahrscheinlich Plastikhandschuhe zum Abwaschen trägt. Und ist dort ein Foto von oder mit dem/der Liebsten hochgeladen, eventuell sogar in Kuss-Pose, kannst du ohne schlechtes Gewissen sofort die Freundschaft kündigen, denn es handelt sich um einen schlechten Menschen. Wenn du deinen Freunden also vermitteln möchtest, dass du ein Musiknerd bist, der für die Musik lebt, solltest du dort ein musikbezogenes Foto hochladen. Verzichte aber lieber auf das Offensichtliche wie ein Bandfoto, eine Aufnahme deiner riesigen Vinylsammlung oder ein Ausschnitt aus High Fidelity. Entscheide dich besser für ein Foto von einem Moshpit, ein Bandshirt oder für die eher geschickt ironischen: einen Screenshot von dem U2-Album in iTunes oder ein nostalgisches Bild von dem Expeditregal im Ikea-Katalog.

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Erstelle Notizen mit Bestenlisten

Tatsächlich verbindet etwas Einzigartiges jeden Musiknerd auf Facebook. Sie sind die einzigen Nutzer, die die Funktion der „Notiz“ kennen. Das sind kleine Textfelder, in die du ähnlich wie bei einer Statusnachricht, etwas belangloses bis lebenswichtiges reinschreiben kannst, mit dem Unterschied, dass es Notiz heißt und irgendwo in den unsortierten Reitern deines Profils besser aufzufinden ist. Von Teenagern im Alter von 13 bis 17 wird diese Funktion manchmal auch als Tagebuch missbraucht, aber der einzig wahre Sinn hinter diesen „Notizen“ sind natürlich die Bestenlisten am Ende des Jahres, über die sich ein fleißiger Musikfan das ganze Jahr den Kopf zerbricht. Da diese entweder keine offizielle Plattform haben, auf der sie ihre wichtige Meinung kundtun können, oder der Meinung sind, dass diese Plattform ihre herausstechende, fundamentale Meinung nicht genug zur Geltung bringt, legen sie also extra eine Notiz an, um ihre „Fans“, wie sie ihre Freunde auch manchmal nennen, mit Informationen zu füttern. Ein neues Profilfoto kann jeder, wenn du ein echter Musiknerd sein willst, brauchst du die legendäre Endjahres-Notiz.

Lass dir einen Catchphrase einfallen

Natürlich postest du ständig neue Musik auf deinen Profil, Twitter oder Facebook. Um dem Ganzen allerdings ein wenig Kredibilität und Substanz zu geben, solltest du dir einen guten Catchphrase einfallen lassen, mit dem du die geteilten Stücke betitelst. Schreibst du zu jedem neuentdeckten Track etwas wie „Track of the day“ oder „Tune“ wissen deine „Fans“ schließlich gleich, was sie heute zu hören haben. Du kannst dir auch ein eigenes Bewertungssystem einfallen lassen und Stufen wie „whack“ oder „episch | epic“ einfallen lassen, die du bei jedem Post hinzufügst. Wenn du das nur vehement durchziehst (du kannst dir jegliche Meinung bei dem Musikblog deiner Wahl abschauen oder einfach alles feiern), wird schon bald die Pitchfork-Punkteskala in Vergessenheit geraten sein.

Schreibe auf Englisch

Auch wenn unter den 1000 Facebook-Freunden nur vier englischsprachige Leute sind, die deine Posts wahrscheinlich nicht mal in ihrer Timeline erspähen können, kommt es wichtiger und internationaler rüber, wenn du all deine Posts und Tweets in Englisch hältst. Selbst wenn du einen deutschen Artikel postest, kündige das auf Englisch an. Kommentiert darunter jemand auf Deutsch, antworte trotzdem vehement auf Englisch, damit deine bilingualen „Fans“ auch keinen deiner literarischen Ergüsse verpassen und immer an deinen Lippen hängen können. Falls dir mal jemand unterkommt, der eine ernsthafte Diskussion über Musik anfangen möchte und dich nach deiner Meinung fragt, weiche am besten geschickt aus oder reagiere auf alles mit „Srsly?“. So kannst du ohne irgendwas zu sagen, dem anderen gleich das Gefühl geben, dass er was Dummes gesagt hat und du jetzt keinen Nerv mehr hast, dich auf diese Diskussion einzulassen.

Like alles, was musikbezogen ist

Im realen Leben kann es natürlich manchmal unangenehm werden, wenn du über Witze lachst, die du nicht verstanden hast, aber hier, im Internet, vor deinem Bildschirm, kannst du dich in Sicherheit wiegen und großkotzig alle bescheuerten Witze und Kommentare deiner Musikfreunde liken, auch wenn du davon eigentlich kein Wort verstanden hast. Wie immer ist Google dein Freund, aber da der Musiknazi am anderen Ende vom Computer nicht direkt hart mit dir ins Gericht gehen kann und deine Unwissenheit mit ein paar gezielten Fragen entlarven kann (das ist schließlich sein Hobby), musst du dir keine Sorgen machen und kannst willkürlich Musikkommentare und -Postings liken und damit Sympathiepunkte bei den anderen Musiknerds sammeln.

Poste öffentlich, gib dein Profil zum Abonnieren frei

Auch dieser Schritt ist ein Teil davon, dein Auftreten irgendwie wichtiger als es ist erscheinen zu lassen. Wenn ich eines von meinen Kommilitonen aus dem Wirtschaft-Studium gelernt habe (abgesehen davon, dass Spieltheorie dein Leben zerstören kann), dann, dass du nur wichtig und kompetent wirst, wenn du so tust, als wärst du es. Meistens merken nur Leute, die dir nahestehen, dass du großkotzig wirst, Außenstehende und Leute, die dich noch nicht kennen, werden schlicht und einfach denken, dass du eine wichtige Person bist, wenn man dich abonnieren kann und du auf Englisch schreibst. Also poste deine wertvollen Musiktipps öffentlich, um potentiell nur deinen überschaubaren Freundeskreis zu erreichen. Think big und so. (Das funktioniert im Übrigen nicht in Spieltheorie-Prüfungen.)

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