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Nazar über die Flüchtlingspolitik: „Was ist los mit euch?!“

Der Wiener Rapper Nazar wurde in seiner Rede gegen Fremdenhass sehr emotional. Wir haben sie transkribiert.

Nazar ist Österreichs erfolgreichster Rapper und auch in Deutschland eine vergleichsweise große Nummer (sein letztes Album Camouflage chartete in Österreich auf der Eins und in Deutschland auf der Zwei). Nun gibt es Top-10-Rapper dieser Tage wie Sand am Meer. Zum Glück ist Nazar aber keiner jener Künstler, die sich über ihre kommerziellen Erfolge definieren. Über seine Musik hinaus kennt man den Wiener vor allem dafür, dass er seine Rolle als öffentliche Person regelmäßig nutzt, um sich zu großen gesellschaftlichen Themen zu positionieren. Ob nun mit Schwarzkopf, einem Dokumentarfilm über Migranten in Wien, Interviews über falsch verstandene Religiösität im HipHop, oder mit, an den FPÖ-Politiker Heinz Christian Strache gerichteten, Statements bei seinen Konzerten.

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Vor wenigen Tagen hat Nazar erneut seine Stimme erhoben: Im Rahmen eines Auftritts auf der FM4-Bühne beim Wiener Donauinselfest redet er sich in Rage, als er über die Flüchtlingspolitik Europas sprach und watschte im Vorbeigehen auch jene Menschen ab, die lieber bei Facebook kommentieren, als ihren Protest auf der Straße auszudrücken. Natürlich ist Nazar kein Politiker—zum Glück—, denn sein Statement ist ungleich sprachgewaltiger und direkter, als es eine Politiker-Rede je sein könnte. Wir haben das Ganze für euch transkribiert:

„Mein Problem war heute vor der Show, ob es nicht vielleicht anfängt, zu regnen. Scheiße Alter, ich wollte nicht, dass ihr nass werdet. Das sind unsere Probleme!? Dicka, guckt mal, was jetzt gerade in Österreich passiert. Guckt euch die Welt an. Was ist in Europa los? Führen wir jetzt ernsthaft Gespräche, ob es richtig ist, wie viele Menschen man nach Österreich reinkommen lassen darf? Ob die in einem Zelt schlafen dürfen, ob die überhaupt hier schlafen dürfen, ob die auf der Straße schlafen müssen, ob wir sie ficken sollen, ob wir sie nicht ficken sollen? WAS IST LOS?! WAS IST LOS MIT EUCH?! Ihr scheiß Fotzen! Was ist los mit euch?

Wisst ihr, warum das genau mich so fickt? Vor 27 Jahren war ich einer dieser Menschen. Mit meiner Mutter, mein Vater ist verstorben, und meine Mutter hat mich genommen, hat meinen 5-jährigen Bruder genommen, und wir sind über die Berge nach Österreich gekommen. Damals haben die Menschen gesagt: ‚Hey, ihr seid in einer Scheiß-Situation? Alles cool, kommt hier her. Nazar ist krank, hier ist ein Krankenhaus, wir müssen ihn behandeln.‘ Dicker, ich kann das noch 1000 Mal erwähnen. Mit solchen Armen habt ihr mich aufgenommen. Heute habt ihr plötzlich ein Problem damit? WAS IST LOS? Was ist los mit uns? Ist das unser Problem? Haben wir zu wenig zu fressen? Können wir nicht mehr ficken? Haben wir keine Klamotten? Was ist los? Dicker, wir haben hier Geschäfte wie Primark, die geben dir für 20 Cent ein T-Shirt. Wie ist das möglich? Was ist los mit euch? Welcher Rapper mich wo ficken möchte, wer mich wie beleidigt—Dicker, in bin aus Favoriten [Anm. d. Red.: ein Viertel in Wien]—, das sind Kindergeschichten!

Ich hab eine große Bitte an euch: Ihr wisst alle, wir leben in diesem Internet-Zeitalter. Das ist alles schön und gut, ich liebe das Internet, Gott sei Dank gibt's das. Aber merkt euch bitte eine Sache: Damals ist man zu Menschen gegangen, hat ihnen auf die Schulter geklopft, und hat gesagt: Bruder, das hast du gut gemacht. Schwesterchen, das war super. Heute macht man ‚Gefällt mir‘. Damit zeigst du Zuneigung. Wenn du 'nen Typen nicht magst, nimmst du dir extra die Zeit—wie ein Vollidiot—, um ihn mit einem Kommentar zu beleidigen. OK, kein Problem, unsere neue Zeit. Wisst ihr, wir sind mittlerweile durch Facebook und das Internet alle alles geworden: Fußball-Teamchef, Politiker, Rassisten, Linke, keine Rassisten, Faschisten—alles sind wir geworden. Aber bitte merkt euch eines, denn das tut mir am meisten weh: Jeder von uns hat eine Meinung, die gibt er auf Facebook preis, in welche Richtung er sich bewegt, was er gut oder was er schlecht findet. Aber wenn es dann darum geht, mal auf die Straße zu gehen und zu sagen „NICHT MIT MIR!“, seid ihr zu Hause vor Facebook. WAS IST LOS? WAS IST LOS?!“

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