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Was dein Lieblingsalbum 2015 über dich aussagt

Wir haben nicht nur analysiert, was die beliebtesten Alben des Jahres 2015 waren, sondern auch, was dein Lieblingsalbum über dich aussagt.

Zum Ende des Jahres werden wir standesgemäß mit allen möglichen Listen, Rankings und Charts zugeballert, die uns die Ereignisse der vergangenen 12 Monate wohl organisiert nach Qualität, beziehungsweise Beliebtheit—was sich keinesfalls überschneiden muss—auflisten. Da wir natürlich Mitläufer sind, uns aber in unserer Freizeit auch gerne als Hobbypsychologen üben, haben wir nicht nur eure Lieblingsalben 2015 aufgelistet, sondern vor allem auch analysiert, was das jeweilige Werk über euch aussagt.

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A$AP Rocky—AT.LONG.LAST.A$AP

Bei keiner hippen Modeveranstaltung oder Vernissage-Eröffnung kann man einen Stein werfen, ohne A$AP Rocky zu treffen. A$AP ist überall, genau wie seine Fans. Der Realness-Faktor eines A$AP-Rocky-Fans ist also in etwa so echt, wie die H&M-Jacke, die er trägt, von Balmain ist: Du magst dir vielleicht fancy vorkommen, aber im Grunde ist es doch einfach Massenware—wenn auch ganz hübsche. Die richtig coolen Kidz hören A$AP Ferg und tragen Jogginghose!

Audio 88 & Yassin—Normaler Samt

Du bist eigentlich K.I.Z-Fan, nur in etwas prätentiöser. Will heißen: Du hast Geschmack, aber es ist dir dann irgendwie doch ein bisschen peinlich, als Lieblingskünstler eine Band zu nennen, die Platz eins in den deutschen Charts geht. Für dich gibt es nur einen Grund für Rap—und das ist der Untergrund!

Beach House—Depression Cherry

Willkommen im Jahr 2015. OK, das ist inzwischen fast vorbei, aber es scheint für dich schon ein Fortschritt zu sein, wenigstens in diesem Jahr anzukommen. Oder in 2014. Oder in 2013. Sogar 2010 wäre ein Schritt nach vorne. Denn scheinbar hast du noch nie was von dieser mystischen und träumerischen Musikrichtung namens „Dream Pop“ gehört und auch Beach House scheint dir bisher nur aus deinen Ferien ein Begriff gewesen zu sein, sonst wäre dein Lieblingsalbum nicht die mittlerweile vierte billige Kopie des ersten Beach-House-Albums. Damals, vor diesen xx, war das noch sowas wie „revolutionär“, aber mittlerweile ist es einfach nur noch so langweilig, dass es sich nicht mal als Sexmusik eignet. Bevor du jetzt also versuchst, in der Gegenwart anzukommen, muss ich dich noch auf eine Sache vorbereiten: Marienhof wurde abgesetzt.

Bilderbuch—Schick Schock

Entweder du bist Österreicher und ein ganz klein bisschen lokalpatriotisch, weil man das irgendwie nicht aus dir raus kriegt (hihi). Oder du bist kein Österreicher, solltest aber ehrlicherweise in Österreich wohnen. So eine hektische Großstadt ist einfach nichts für dich, da gibt es viel zu viele Optionen. Zum Beispiel Hautärzte. Oder Radiosender. Wenn du einen gefunden hast, bleibst du bei dem, ganz egal welche Leberflecke er dir wegmachen möchte oder welche Lieder dieser Sender spielt: Du vertraust ihm blind. Und seit Bilderbuch bei deinem Jugendradiosender des Vertrauens läuft, bist du einfach Fan. Das ist mal was ganz anderes. Und dann noch auf Deutsch. Du bist sogar extra in eine Großstadt gefahren, um ein Konzert zu sehen, denn du bist hinter Maurice‘ Hintern her (hihi). Allerdings warst du so betrunken, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst, wie du der genervten Noisey-Praktikantin ständig auf den Fuß getreten bist, sodass sie auch nichts mehr sehen konnte. Aber so ist das in der Großstadt eben, dann schon lieber Österreich.

Blur—The Magic Whip

Jaja, du bist Musikjournalist und damit eine sehr, sehr wichtige Person, schon klar. Und du durftest nach London fliegen, in ein Hotel, um dort Blur zu interviewen. Eigentlich wurde dir Damon Albarn versprochen, aber dann hast du doch nur den Bassisten bekommen, der laut Promoter „eine wirklich sehr interessante Persönlichkeit” ist und schon viele Erfahrungen mit „Drogen und so, alles” gemacht hat. Der fand dich natürlich nicht so cool, aber das macht nichts, weil du dir abends in der Kneipe umso cooler vorkamst, als du dir zusammen mit deinen wichtigen Musikjournalisten-Kollegen darauf einen runtergeholt hast, dass Damon Albarn kein Bock auf euch hatte. Aber immerhin er war nebenan und hat gewunken.

Bring Me The Horizon—That’s The Spirit

Früher warst du ein egozentrisches Emo-Kind, das sich täglich von schräg oben mit Duckface fotografiert hat, um das MySpace-Profilbild zu aktualisieren. Und immer, wenn man auf deine Seite gekommen ist, ballerte entweder Suicide Silence, Iwrestledabearonce oder eben Bring Me The Horizon automatisch aus den Boxen. Das waren halt deine Lieblinge und deine musikalische Abgrenzung von den ganzen Heul-Emos. Doch mit den Jahren wuchs das Schwarz aus den immer kürzer geschnittenen Haaren, die übergroß bunten Prints auf den Shirts wurden dezenter und du selbst hast gelernt, dass es nicht immer nur um dich selbst und deinen Phantomschmerz geht, sondern auch mal um Dubstep und Drogen. Glücklicherweise begleiteten dich BMTH parallel zu deiner persönlichen Reife mit ihrer musikalischen Wegentwicklung vom stumpfen Deathcore. Sempiternal war dann zwar schon ein schwerer Brocken, aber trotzdem ein ganz guter Soundtrack zum Bachelorarbeitschreiben. Dann kamen die ersten Singles von That’s The Spirit und du hast es gehasst—Linkin park 2.0!? Fickt euch, ihr Radio-geilen Kommerzpisser! Umso schwerer das Eingeständnis, dass du insgeheim vor dem verflucht guten Songwriting und den mitreißenden Refrains niederkniest, und jetzt einsehen musst, dass dein innerer Rebell inzwischen vom Mainstream totgebumst wurde.

Carly Rae Jepsen—Emotion

Du hast ein Geheimnis: Niemand weiß, das du im privaten Modus die ganze Zeit heimlich Carly Rae Jepsen hörst. Nicht, weil du eine 30-Jährige verstehen kannst, die Texte aus der Perspektive einer unsicheren 15-Jährigen singt und du dich mit den Texten sogar noch unerklärlicherweise identifizieren kannst, sondern weil dir perfekt produzierter Girly Pop eben verflucht viel Spaß macht.

Crack Ignaz—Kirsch

Du hast einen verdammt entspannten Sommer gehabt. Weil du sowieso nicht der Typ bist, der sich von dem Freund oder der Freundin in einen Pauschal-Urlaub zum Ballermann zerren lässt oder irgendeinen bescheuerten Ferienjob annimmt. Du hast lieber bei dir Zuhause auf dem Balkon gechillt oder bist mit dem Fernbus alte Freunde besuchen gefahren, um in verschiedenen Städten Deutschlands auf den warmen Stufen irgendwelcher Treppen zu sitzen, Radler zu trinken und gemütlich einen zu rauchen. Dein Sommer 2015 war eben wie deine gesamte Lebenseinstellung: Kirsch.

D’Angelo—Black Messiah

Du bist ein smoother Typ. So smooth, du kannst wie ein Pinguin auf dem Bauch die Straße entlang flutschen und dabei ein schiefes, aber sexy D’Angelo-Grinsen aufsetzen, wenn du kein Bock mehr hast zu laufen. Jedenfalls fühlt sich das für dich so an, wenn du durch deine Hood läufst, in der es glücklicherweise noch angesagt ist, Hut und dünne Accessoire-Schals zu tragen. Dass du eigentlich noch gar nicht verstanden hast, was das Wort „Sex“ bedeutet, als D’Angelos erstes Album herauskam, hindert dich allerdings nicht daran, große Reden zu schwingen und allen zu erzählen, wie le-gen-där das damals war. Jetzt, 14 Jahre nach seinem letzten Werk, bist du überzeugt davon, dass du deinen Messias gefunden hast, der dich zu einem unwiderstehlichen Motherfucker macht. Du hast 14 Jahre damit verbracht, deine Akne zu überwinden und das Wort „Sex“ zu verstehen, D’Angelo hat 14 Jahre damit verbracht, auf seine Drogenprobleme klar zu kommen. Im Prinzip der gleiche Scheiß.

Drake—If You‘re Reading This It’s Too Late

Wo bist du nur? Zahlreiche Frauen warten darauf, dass du auf einem weißen Pferd zu ihnen angeritten kommst und sie aus ihrer Quarterlife Crisis befreist und sie endlich diejenigen sein können, die auf Instagram #CoupleGoals-Bilder posten. Du bist sensibel, ohne jämmerlich zu sein. Mit dir kann man im Club die Nächte durchtanzen (und dabei stehst du nicht nur an der Bar rum, sondern tanzt tatsächlich auch selber!) oder auch einfach mal zuhause bleiben und sich den Nacken massieren lassen. Wir haben davon gehört, dass du existieren sollst—nur wo?

Fatoni & Dexter—Yo, Picasso

Du bist eigentlich Audio 88 & Yassin-Fan, aber du kommst aus München.

Gzuz—Ebbe und Flut

Es stimmt schon, dass dich Haftbefehl, Kollegah, Bushido und Farid Bang erst zum Deutschrap gebracht haben, aber mittlerweile nimmst du denen das Gangsterleben nicht mehr ab. Eh alles Fake. Dabei bist du doch so bedacht darauf, echte Geschichten von der Straße zu hören, die du zusammen mit deinen Freunden beim Rumlümmeln auf dem Spielplatz laut aufdrehen kannst und am nächsten Tag mit glänzenden Augen die härtesten Punchlines im Klassenzimmer zitierst. Als dann die 187 Strassenbande in dein Leben trat, pumpte endlich wieder Streetcredibility durch deine Audio-Venen. Jetzt guckt dich jeden Tag beim Aufwachen schon Gzuz stolz von der Zimmertür an und sieht dir beim Wachsen zu.

Jamie xx—In Colour

Du gehst nicht gern ins Berghain, aber du warst schon mal da. Du nimmst nicht gern Drogen, aber du hast alle schon probiert. Du hast noch nie bei Fab eingekauft, aber dein Zimmer sieht zufällig aus wie in dem Lookbook. Du findest The xx peinlich, hörst sie aber heimlich. Du gibst vor zu verstehen, warum alle „Good Times“ feiern, hörst aber eigentlich nur billige Synths und schrecklichen Dancehall, der dich an deine peinliche Jugend erinnert. Und an die wirst du nur ungern erinnert. Trotzdem hast du das In Colour-Cover als dein Facebook-Banner hochgeladen. Denn Jamies Debüt ist das einzige Album, das für dich einfach genug zu hören und gleichzeitig cool genug ist, um dem Image des Berliner Elektrofans und der „Ich hab das alles schon durch“-Ausrede gerecht zu werden.

Julia Holter—Have You In My Wilderness

Vor ein paar Jahren warst du dir ganz sicher, dass Julia Holter mal ganz groß wird. In deiner Wahrnehmung ist sie das auch irgendwie geworden, weswegen du dich immer wieder vor den Kopf gestoßen fühlst, wenn sie jemand nicht kennt. Dabei kennt sie wirklich niemand. Und weißt du was? Zu recht. Dieses Rumgenöhle sollte auch dir langsam auf den Sack gehen, schließlich wartest du seit Tag Eins darauf, dass endlich etwas passiert, aber scheinbar wohnt sie immer noch in ihrem One-Bedroom-Apartment und ist arm, sonst würde sie nicht so viel rumweinen. Kleiner Tipp: Hör lieber Grouper.

Justin Bieber—Purpose

Du erklärst mit halb-ironischem Lachen, dass auch du jetzt ein „Belieber“ geworden bist. Diese aufgesetzte „Ist mir egal, ich steh zu meinem schlechten Musikgeschmack, weil ich ach so selbstbewusst bin”-Attitüde ist jedoch so aufgesetzt und fake, wie die Gucci-Caps Neuköllner Teenager. Insgeheim hattest du auch schon „Baby“ gefeiert, damals hattest du aber noch nicht die Eier, das in die Welt hinaus zu posaunen. Oder fandest du Biebs doch schon immer scheiße und sagst jetzt nur, dass du ein Belieber bist, weil alle Purpose feiern und dabei so tun, als wäre es peinlich? Verdammt, leg dir mal ne Meinung zu, und zwar eine richtige. Justin Bieber zu lieben oder zu hassen, ist zu einfach.

Kamasi Washington—The Epic

Wenn man Hipster in Entwicklungsstufen wie Pokemons einordnen würde, dann wärst du das Bisflor unter den Hipstern. Du gehst nicht mehr auf Kunst-Happenings oder Pop-Up-Store Eröffnungen—du gehst auf private Hauskonzerte und isst Humus, während du den unmelodischen Klängen eines Xylophon-Kontrabass-Ensemles lauschst und dieses verklärte Jazz-Lächeln auf dem Gesicht trägst. Dieses „Ja, ich habe die Musik verstanden”-Lächeln. Kann sein, dass du mehr verstanden hast als wir restlichen Bisasams—aber am Ende gibst auch du nichts anderes von dir, als deinen eigenen Namen.

Kendrick Lamar—To Pimp A Butterfly

Du bist ein sogenannter elitärer HipHop-Hörer. Natürlich kannst du dir auch Straßenrap anhören mit lustigen Punchlines und, hey, du fühlst das auch. Doch tief in dir drin weißt du genau, dass du eigentlich zu intelligent (oder zu alt) dafür bist und blickst auf den originären Rapper und seine Rapfans von oben herab—aber dafür mit viel Liebe. Ein bisschen wie bei den Affen im Zoo. Die meisten von ihnen belustigen dich sogar ein wenig, was aber auch okay ist, weil sie das gar nicht alles ernst meinen. Das sind ironische Ebenen, die die da einbauen, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Eben wie bei den echten Affen im Zoo. Die machen das zwar auch nicht absichtlich, aber für dich elitäres Arschloch ist das dann eine Sozialstudie. Wahrscheinlich heißt du sogar Jan Böhmermann.

K.I.Z.—Hurra Die Welt Geht Unter

Du hörst gern Musik. Oder du hörst gar keine Musik. Du liebst Hip Hop. Oder du hörst nie HipHop—außer eben K.I.Z. Du bist im Alter zwischen 2 und 99 Jahren. Du beziehst Hartz IV oder bist ein verzogener Wohlstandsbengel, der gerne aus der Reihe tanzt. Ein richtiger Hippie oder auch ein rotziger Starßen-Atze. Stimmt's?

Kurt Vile—B’lieve I‘m going down

Du hörst gern „echte” Musik, nicht diese komische Autotune-Kacke oder diese maschinelle Utzutz-Scheiße. Allerdings bist du ein bisschen zu wischiwaschi, um mit Hardcore, Metal oder Rock’n’Roll irgendetwas anfangen zu können. Wahrscheinlich hast du auch einen wischiwaschi Name, sowas wie Erich, mit weichen ch und nicht mit dem harten k oder dem coolen c. Du hörst leidenschaftlich gern die neue Kurt-Vile-Platte, aber auch die alte, und die davor auch. Dass du nicht ständig verprügelt wirst, liegt nur daran, dass auch die Hardcore- und Autotune-Idioten hin und wieder so ein weichgespültes Zeug brauchen, damit ihre Ohren nicht explodieren, und es somit akzeptiert wird, Kurt Vile zu hören. Nur bist du der einzige, der sonst nichts hört. Vermutlich bringst du auch überdurchschnittlich viel Zeit in deinem Auto und weinst doppelt so viel wie ein normaler Mensch.

Lana Del Rey—Honeymoon

Eigentlich hattest du ja panische Angst davor, dass Lana ihre Drohung, nach Born to die keinen Bock mehr auf Musik zu haben und eine alternative Karriere als Tierpräparatorin, Whiskey-Sommelieuse oder sonst einem Lana-del-Rey-igen Beruf zu ergreifen, wahr machen könnte. Deswegen hast du auch Honeymoon—obwohl du Ultraviolance schon nicht mehr ganz so toll fandest (aber immer noch ziemlich toll)—gekauft, gestreamt, ja förmlich inhaliert, wie Lana del Rey ihre Parliament-Zigaretten. Lana del Rey ist sowieso wie Rauchen: Wenn man einmal damit angefangen hat, ist es schwer damit aufzuhören, auch wenn man weiß, dass es eigentlich gar nicht so gut ist.

LGoony—Grape Tape

Das Einzige, was dir wichtig ist, sind deine Spotify-Playlisten, alles andere verdient, ausgelacht zu werden. Deshalb kannst über das seriöse Männlichkeitsgehabe deutscher Rapper nur müde lächeln, schaust dir trotzdem stundenlang Interviews mit ihnen an und hörst lieber Gucci Mane, Rick Ross und Young Thug. Was Money Boy mit seiner Gang abzieht, findest du ganz interessant und kannst dazu auch ordentlich abfeiern—solange du total breit bist. Aber das, was dieser LGoony da macht, das findest du selbst mit klarem Kopf krass. Sagen ja auch diese ganzen Rapmedien, dass der neuen Wind reinbringt. Muss also wohl auch stimmen.

Mac De Marco—Another One

Mimimimimimimimimimi. Das bist du.

Paul Kalkbrenner—7

Irgendwann in deinem Leben ist dein Musikgeschmack eingefroren. Unglücklicherweise hatte genau in diesem Moment Paul Kalkbrenner eines seiner sieben identischen Alben rausgebracht. Seitdem bist du in deinem Leben gefangen wie in einem schlechten Kalkbrenner-Loop. Bis zum Ende deines unbedeutenden Daseins wirst du immer die gleichen Snacks aus dem Supermarktregal ziehen, in der Mittagspause zum immer gleichen Imbiss gehen, dir von den gleichen Freunden die immer gleichen Witze erzählen lassen und nicht verstehen, warum man so etwas scheiße finden kann. Außerdem gibt es ja auch Dinge, die sich in deinem Leben ändern, zum Beispiel die Preise für deine Kalkbrenner-Tickets – die verdoppeln sich nämlich jedes Jahr.

Schnipo Schranke—Satt

Sonntags musst du immer zu deinen Eltern, Mittagessen. Und du bist nicht mal verkatert, weil du gerade an einem wichtigen Paper schreiben musst, das für deine Zukunft entscheidend sein kann, Lebenslauf und so. Deshalb dominieren Hausmannskost und Word-Formatierungstricks dein ganzes Leben, Höhepunkte und Abstürze kannst du dir gerade einfach nicht leisten. Aber das wird sich bald ändern! Ganz bestimmt! Deshalb kicherst du immer kurz in dich rein, während du den Rosenkohl mit dem Silberbesteck deiner Eltern zerkleinerst—wenn die wüssten, dass du gerade an „Pisse“ gedacht hast.

Slayer—Repentless

Du bist alt und verstehst diese Metalszene von heute nicht mehr. Nicht nur dein Kopf fragt sich, wo all die langen Haare geblieben sind. Warum sehen die auf Konzerten jetzt alle wie Hardcore-Kids aus? Und warum schreien die immer „Slayaaa!“, wenn sie besoffen sind? Als ob sie diese großartige Band wertschätzen können! Wütend schüttelst du dann immer innerlich die Faust und zupfst empört an deiner liebevoll bestickten Metalkutte. Wenigstens deine Helden verstehen dich noch und haben dir ein Album geschenkt, das dich zufrieden in der Vergangenheit leben lässt.

Tocotronic—Das rote Album

Du magst Kunst und liest gerne postmoderne Literatur. Du redest gerne von Diskursen und Identitäten. Mit deinen Freunden verbringst du Nächte in Kneipen, um deine Privilegien als weißes Mittelstandskid zu dekonstruieren. Und jede Woche kaufst du eine Motz, weil du dich dafür schämst, dass Mama und Papa dein Studium finanzieren.

Wanda—Bussi

Kennst du diesen einen Film von Woody Allen, in dem Owen Wilson in das Paris der 20er Jahre zurückreist, weil das die Epoche ist, in der er am liebsten gelebt hätte? So geht es dir auch, nur dass es bei dir das Wien der 80er ist, als Falco noch Koks von Mamorplatten zog und fröhlich über grenzwertige sexuelle Erfahrungen musiziert werden konnte. Das hier ist aber 2015 und das einzige, was Wanda und Woody Allen gemeinsam haben, sind Sexfantasien mit Familienangehörigen.

The Weeknd—Beauty Behind The Madness

Du bist eine alte Seele. Auch wenn du gerne im Club mit deinen Freunden ausrastest, geht dir eigentlich richtig das Herz auf, wenn die „Rausschmeißmusik“ einsetzt und die wabernden Klänge von „Crew Love” aus den Boxen schallen. Während die anderen ihre Jacken holen und ihren Aufriss bei der verschwitzten, gestempelten Hand aus dem Club zerren, stehst du allein auf der Tanzfläche und grölst „Cause they lovin’ the crewwwww“ und du fühlst jedes einzelne „Uhhhuhhh” mit jeder Faser. Eigentlich war dir klar, dass du The Weeknd verlieren würdest, als er dieses Lied mit Ariana Grande veröffentlichte und begann, Interviews für die Vogue zu geben. Dann kam Beauty Behind The Madness heraus. Für dich ein Werk, wie der letzte schöne Urlaub mit deinem Freund/Freundin, bei dem man weiß, dass es eigentlich schon vorbei ist. „The Hills” ist wie dieser schöne Sonnenuntergang, den ihr schweigend miteinander beobachtet habt, „Angel“ ist wiederum wie der Moment, als dir auffiel, wie sehr du es verachtest, wie sie/er in sein/ihr Brötchen beim Frühstück beißt. Du bist süchtig nach dem bittersüßen Geschmack der Frucht, kurz bevor sie anfängt zu faulen und gerade am süßesten schmeckt. Es ist also nur logisch, dass Beauty Behind The Madness dein Lieblingsalbum ist. Genieß es, solange du noch kannst.

Xatar—Baba aller Babas

Ein bisschen hattest du schon den Glauben an deutschen Rap verloren. Die Inhalte? Ideenlos. Die Beats? Lieblos. Die Rapper? Nicht ernst zu nehmen. Missmutig hast du deine perfekt gezupften Augenbrauen zusammengezogen deine Kopfhörer aufgesetzt, aus denen Pusha T und Tupac dröhnt. Bis Xatar auf der Bildfläche erschien und dir ein Goldzahnbestücktes Lächeln auf’s Gesicht zauberte. Jetzt kannst du endlich wieder alle hassen und dein Abo im Fitnessstudio hat wieder einen Sinn.

Young Fathers—White Men Are Black Men Too

Du verstehst Kunst, ne?

Zugezogen Maskulin—Alles Brennt

Du bist ein verzogener Arztsohn, der sich die ganze Zeit auf Indymedia rumtreibt, um über die neuesten Fascho-News Bescheid zu wissen, obwohl er eigentlich endlich mal in die Uni gehen sollte. Das Soziologie-Studium will ja nicht noch ein Semester mehr in die Länge gezogen werden. Aber wenn Demo ist, ist nunmal Demo.