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Warum es Rick Ross einfach nicht versteht

Rick Ross hat ganz offensichtlich Vergewaltigung verherrlicht. Das dürfen wir nicht hinnehmen.

Also vielleicht habt ihr es schon gehört, Reebok hat Rick Ross rausgeschmissen, nachdem er in seinem Song „U.O.E.N.O.“ diese Zeile rappte:

Put Molly all in the champagne. She ain‘t even know it. I took her home and I enjoy that. She ain‘t even know it.“

Dass er damit quasi zur Vergewaltigung aufruft, dürfte selbst dem verpeiltesten Maybach-Music-Jünger nicht entgangen sein. Das Schlimme an dieser Line ist, dass sie so echt wirkt. Die Vorstellung, dass dich jemand willenlos macht und es dann ausnutzt, ist ein ziemlich schrecklicher Gedanke. Aus diesem Grund hat Reebok völlig Recht, dass sie ihn rausgekickt haben. Die doppelte „Entschuldigung“ bezüglich der Textstelle bestätigt lediglich, wie unwissend Rick Ross eigentlich ist, wenn es um die Gefahr hinter seinen Worten geht.

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Als er wegen der Textstelle kritisiert wurde, gab er eine Entschuldigung ab, die genauso dümmlich war, wie man es von jemandem erwartet, der dachte, es wäre eine gute Idee über Vergewaltigung während eines Dates zu rappen. Die Entschuldigung passt ganz genau zu unserem Verständnis, wie es aussehen müsste, wenn sich Rick Ross mal entschuldigen müsste—vollmundig, voller Widersprüche, nicht glaubwürdig und irgendwie bescheuert. Der Boss hat mehr oder minder abgestritten, dass er über Vergewaltigung gerappt hat, weil er nie ausdrücklich das Wort „Vergewaltigung“ benutzt habe (aber so funktioniert Vergewaltigung ja auch). Außerdem sagte er, dass er noch nie darüber gerappt hätte (was nicht stimmt, weil er das Wort „Vergewaltigung“ in seinem Track „Gunplay“ benutzte). Die eigentliche Dachzeile kam aber, als er Frauen als „das wertvollste Geschenk für einen Mann“ bezeichnete, was einfach wahnsinnig, wahnsinnig dumm ist. Der Typ spricht so, als ob es das von irgendeiner patriarchischen Macht verliehene Recht eines Mannes wäre, Frauen empfangen zu können.

Wir erinnern: Vor einer Woche brachte er weiteren Stumpfsinn als er twitterte „I don‘t condone rape. Apologies for the #lyric interpretated as rape. #BOSS“ und zwei Stunden später folgen ließ „Apologies to my many business partners, who would never promote violence against women“. Hat ja im Endeffekt sehr gut geklappt, Rozay. Wenn man sagt, „Es tut mir leid, dass ich eine schlimme Sache getan habe“ ist es das großer Unterschied dazu, wenn man sagt „Es tut mir leid, dass ich diese bestimmte, schlimme Sache getan habe“. Rick Ross sollte einfach nicht versuchen, Vergewaltigung zu definieren und zu kategorisieren, egal wie sehr er das gerne wollte. So zu tun, als ob er am Steuer des ganzen Universums säße, kennen wir nur zu gut von ihm.

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Rick Ross ist, daran erinnert er uns sehr gern, der Boss. Er ist eine grundsätzlich böse Persönlichkeit, jemand, dessen unbeirrbarer Materialismus ihn dazu bringt, alle anderen Menschen bestenfalls als austauschbar und schlimmstenfalls als völlige Objekte anzusehen. Außerdem redet er nur Scheiße. Er behauptet Crack an die Weltenlenker zu verkaufen, dabei war er Justizvollzugsbeamter und er erklärt, wie er Frauenen MDMA gibt, um sie ins Bett zu kriegen… Ross‘ Job ist es, Rap zu neuen Höhen der Absurdität und des Exzesses zu bringen: Er ist wie Al Pacino in Scarface, nur eben so, dass Ross an Tony Montanas Stelle am Ende gewonnen hätte und das Geld aus seinem Kokainreich in sein persönliches Weltraumprogramm gepumpt hätte, sodass er Drogen auch auf dem Mond verkaufen könnte. Eine andere Sache, die typisch für ihn ist, ist seine Kunst, das Bild des „Gangster-Rappers“ ohne Taktgefühl und Wahrheitsgehalt, wie es andere Rapper tun, zu promoten, und dafür den Konjunkturausgleich von Miamis bestimmt sehr wechselhaften Yacht-Markt zu schildern. Rick Ross stellt gerne so Fragen wie: „Bin ich wirklich nur ein Narzisst, weil ich aufwache und neben mir eine Schüssel voll Hummercremesuppe steht". Der Boss verkauft uns die Idee, dass du alles schaffen kannst, wenn du nur genug Scheiße erzählst. Es ist die ultimative Perversion des amerikanischen Traums.

Für die meisten Menschen ist Rick Ross ein „Gangster-Rapper“. Ross versteht das und verschlingt die Nuancen von anderen, besseren Gangster-Rappern wie einen Teller Krebsfleisch, und kotet seinerseits tollpatschige Plattitüden und stumpfe Angleichungen aus. Der durchschnittliche Musikliebhaber sieht Ross als cartoon-artige Substanzialisierung des Genres, und zwar, weil er das mit Absicht macht. Wenn man ihn so sieht, dann ist das genauso wenig hilfreich, um das Genre zu verstehen, wie wenn man das ganze Verständnis für Punk an sich von den Wavves ableitet. Rick Ross ist am Ende immer noch ein Popstar, und Popstars sind Schöpfungen und Reflexionen der Realität in der sie sich befinden. Ja, Rick Ross hat die Rape Culture fortbestehen lassen, aber im Prinzip ist es eben nur eine Reflexion. Die Vergewaltigungskultur ist tatsächlich ein Krebsgeschwür der Gesellschaft, aber niemand kann Krebs heilen, indem er die Symptome behandelt.

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Rick Ross wurde eine Lektion erteilt, aber was kommt als nächstes? Wie führen wir dieses Gespräch über die Rape Culture im Kontext von HipHop und der Gesellschaft im Allgemeinen weiter? Auf unserem nächsten Lieblings-Mixtape können durchaus fünf Textstellen auftauchen, die dieses Problem genauso verherrlichen, aber viel subtiler und deswegen viel unheilvoller. Was machen wir dann? Wenn die Kontroverse mit Rick Ross beginnt und endet, dann haben wir versagt.

Um die Realitäten hinter solchen Textstellen wie in „U.O.E.N.O“ zu verdammen, müssen wir ernsthafte soziopolitische Veränderungen in Amerika und im Rest der Welt in Gang setzen, die die systematischen Attitüden, die unsere Gesellschaft regieren, drastisch zu ändern. Wir hören derzeit von Kritikern: „Rick Ross sollte aufhören zu trivialisieren und passiv Vergewaltigung billigen“, aber noch mehr als das sollten wir hören: „Wir müssen dafür sorgen, dass Vergewaltigungen aufhören“, und zwar von jedem und dann müssen wir sinnvolle Schritte einleiten, dass das zur Realität wird.

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