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Warum ihr euren koksenden Schwager nicht eure Pressetexte schreiben lassen solltet

Ihr wollt berühmte Musiker werden? Dann lernt erstmal eine vernünftige Pressemitteilung zu schreiben, sonst habt ihr von vornherein verloren.

Es gibt viele Dinge, die ihr als aufstrebende Jungmusiker beachten solltet, wenn ihr nicht möchtet, dass eure Anfragen direkt im Musikredaktions-Mülleimer landen. Diejenigen unter euch, die es nicht mal auf die Reihe kriegen, ihre E-Mails korrekt zu adressieren (wenn ihr schon Massenmails verschickt, dann personalisiert zumindest die Redaktionsnamen und googelt verdammtnochmal „Blind Copy“), können an dieser Stelle direkt aufhören weiterzulesen. Bei euch ist alles zu spät. Bleibt in eurem Bandkeller oder tretet bei Möbelhauseröffnungen auf. Ihr habt es verdient. An alle anderen: Ihr werdet nie, wirklich niemals in irgendeinem publizierenden Medium lobend erwähnt werden, wenn ihr eure Pressetexte von eurem kokainabhängigen Schwager schreiben lasst!

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Egal ob per Mail oder einem Rezensionsexemplar des aktuellen Releases beiliegend: als Musikredakteur wird man in Pressemitteilungen geradezu ertränkt. Aus irgendeinem Grund scheint es unter euch Hobbykünstlern ein weit verbreiteter Irrglaube zu sein, dass uns durch die immer gleichen Floskeln nicht auffällt, dass 90 Prozent der Dinge in diesen Texten erstunken und erlogen sind. Kleiner Tipp an dieser Stelle: Es ist schwer für jemanden so etwas wie Wohlwollen oder Sympathie aufzubringen, wenn der einen offenkundig für geistig zurückgeblieben hält.

Ich glaube an dieser Stelle ist es notwendig, ein paar Beispiele zu nennen.

„LANG ERWARTET“

Wenn eure Fanbase nur aus eurer alkoholkranken Mutter und den drei Exfreundinnen, mit denen ihr euch immer noch so blendend versteht, besteht, dann verwendet ihr bitte niemals die Worte „endlich“ und „lang erwartet“. Wenn euch niemand kennt, hat auch niemand darauf gewartet, dass ihr irgendetwas rausbringt. Von „sehnen“ ganz zu schweigen.

„ZURÜCK“ SEIN

Selbiges gilt für die Aussage, ihr wäret „zurück“. Oftmals verwendet mit den bereits erwähnten zwei Worten („Endlich sind xy mit ihrem langerwarteten Album z zurück!“), gehört „zurück“ zum Standardrepertoire jeder zweiten Pressemitteilung und macht uns hier einfach nur wütend.

Würde Michael Jackson von den Toten wiederauferstehen und eine neue Platte auf den Markt werfen, wäre er „zurück“. Könnte sich Eminem dazu entschließen, seine Eier aus seinem goldbesetzten Schmuckschattüllchen zu entnehmen und wieder ordentliche Musik zu machen, könnte ich mir Sätze wie „Slim Shady ist zurück“ einigermaßen vorstellen. Aber wenn ihr wollt, dass man über euer erstes bekacktes Release, dass ihr im Hobbykeller eures Onkels aufgenommen habt, berichtet, dann seid ihr verdammt nochmal nicht zurück! Dann wart ihr nämlich noch nie da.

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Warum insbesondere junge Künstler auf ihre „eindrucksvolle Liste an Gastauftritten“ stolz sind, wird sich mir wohl nie erschließen. Vor allem wenn diese Features sich aus 40 Prozent erweiterte Verwandtschaft, 50 Prozent Freundeskreis und 10 Prozent alternder Popstar, der für ein kleines bisschen Öffentlichkeit auch seine letzte funktionierende Niere verkaufen würde, zusammensetzen. Einen Part von Snoop Dogg, einen Beat von Premo und zwei gegröhlte Sätze von jemandem, der mal bei einer Indierockband um die Jahrtausendwende den Bass gehalten hat, kann sich heutzutage jeder kaufen. Auch ihr, wenn ihr alle paar Monate mal was von eurem Bafög zurücklegt, anstatt es auf schlechten Szeneparties zu verkoksen.

SUPERLATIVE

Regel Nummer eins, wenngleich auch erst an vierter Stelle (wenn ihr schon nach zwei Zeilen aufgehört habt zu lesen, verdient ihr die Weisheit einfach nicht, die wir hier mit euch teilen): Tut nie, aber auch wirklich niemals so, als wärt ihr ein Supercyborg aus Kurt Cobain, Biggie Smalls und der Gitarre von Jimi Hendrix. Ob ihr „das Game überrollen“, „den Markt aufräumen“ oder sonstige alberne Dinge tun werdet, steht zum Zeitpunkt eurer größenwahnsinnigen Selbstbeweihräucherung noch nicht mal in den Sternen. Wenn wir euch bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgrundtief hassen, dann tun wir es spätestens jetzt.

MEDIA ALERT

Mit diesem so harmlos klingenden Wort rechtfertigt ihr ein Level an Belästigung, für das man euch fernab von jedweden Mailing-Listen problemlos anzeigen könnte. Es ist absolut nicht notwendig, die sowieso schon in Informationen erstickende Fachpresse mit intimen Details über den Fortschritt des selbstgebastelten Plattencovers, fancy Videodrehs mit Drittliga-Erotikmodels oder den vielumjubelten Auftritt bei der Abifeier des örtlichen humanistischen Gymnasiums zu informieren. Nervt damit eure 53 Twitter-Follower oder whatsappt es euren Freunden. Ständige Nachfragen dahingehend, ob man eure aktuellen Videos/Blogposts/Tour-Minivan-Fotos auf Instagram schon gesehen hat, sind ganz nebenbei auch keine gute Idee. Wenn der angeschriebene Redakteur auch auf die zweite Anfrage nicht reagiert, solltet ihr euch vielleicht langsam mal fragen warum.

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Im Endeffekt haben wir ja absolut Bock darauf, neue Bands zu entdecken. Wir wollen, dass sich die Musik weiterentwickelt und der Markt nicht nur aus übersättigten Alt-Stars besteht. Aber wenn ihr euch verkauft wie größenwahnsinnige Arschlöcher, hat man nicht mal mehr Lust in eure ach so unique Platte reinzuhören. Dann möchte man nichts anderes, als euch oder eurem Pressemitteilungs-Menschen ins Gesicht zu schlagen. Wiederholt und weinend. Denn es tut uns in der Seele weh, dass ihr uns und euch so etwas antut.

Lisa bei Twitter: @Antialleslisa und Lisas Blog.

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