FYI.

This story is over 5 years old.

Interviews

Unser „favorite mountain“ heißt Mount Kimbie (und nicht anders)

Mount Kimbie über Endlos-Touren, akustische Missverständnisse und störrisches Equipment.

Dom von Mount Kimbie hatte am vergangenen Donnerstag Geburtstag. Und was macht er? Er spielt mit seiner Band in Podgorica, Montenegro. Ich vermutete Selbstverleugnung, Altersfurcht, sensible Künstlerseele. Sollte er auf diese Weise vor seinen Problemen davon rennen? Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und reiste einfach hinterher. Okay, in Wahrheit erfuhr ich erst vor Ort von Doms Geburtstag und in Wahrheit ließ ich mich von Electronic Beats einfliegen. Eben jene illuminierten dort eine in die Natur eingelassene Open Air-Oase in zartem Telekom-Magenta und stellten neben Mount Kimbie auch noch Retro Stefson und Disclosure auf die Bühne. Günstige Koordinaten für einen Event dieser Art, wäre da nur nicht dieser aufdringliche Dauerregen gewesen, der—aus welchen Gründen auch immer—ausgerechnet an diesem Tag einfach so ins sonnenverwöhnte Mittelmeerklima der Region platzte. Aber selbst das war allen egal, sogar Mount Kimbie, die ja ohnehin ganz gerne mal unter widrigen Umständen performen. Ob unter falschem Namen auf die Bühne geschickt oder flankiert von störrischem Equipment, das Gemüt von Dominic Maker und Kai Campos und auch deren Soundmeditationen bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Auch nicht dieses ihrem Auftritt vorgeschaltete Interview:

Anzeige

Noisey: Dom, wie war denn dein Geburtstag bislang so?
Dom: Ein bisschen komisch. Aber ich hab diesen riesigen Blumenstrauß von den Electronic Beats-Leuten bekommen. Das war ganz schön. Passiert nicht jedes Jahr.

Schon mal so weit von Zuhause weg gewesen an deinem Geburtstag?
(…) Nein, bislang noch nicht. Ist aber eigentlich ganz gut.

Ihr seid bis zum Jahresende beinahe pausenlos unterwegs. Wer gießt die Blumen zuhause?
Meine Freundin schon mal nicht, die wird uns während unserer US-Tour begleiten. Das nimmt der ganzen Sache auch schon ein bisschen den Druck. Dann muss ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mich so lange nicht zuhause blicken lasse. Wir sind schon zwischendurch mal ein paar Tage in London, aber so richtig dann erst wieder gegen Weihnachten.

Wie seht ihr der US-Tour entgegen? Ihr wart bereits vor kurzem dort, aber fühlt man sich bei dem jetzigen dort abgehenden EDM-Hype nicht wahnsinnig missverstanden und auch mit falschen Erwartungen konfrontiert?
Kai: Wir konnten ja zum Glück schon ein bisschen Grundlagenarbeit machen und die letzte Tour lief an sich auch ganz gut. Wir bauen es dort sehr langsam auf. Als wir dort spielten, waren wir uns generell nicht sicher, was unsere Songauswahl auf der Bühne angeht. Wir spielten mehr ältere, weniger ruhige Sachen und das war damals auch die richtige Entscheidung. Aber davon abgesehen: Es ist uns zum Glück nicht so oft passiert, dass die Leute nach Dubstep während unserer Show geschrien haben.

Anzeige

Wart ihr vorher schon mal so lang am Stück auf Tour?
Dom: Nein, so eine lange Tour hatten wir noch nie.
Kai: Im Prinzip ist es kein komplettes Neuland, dürfte nur ein bisschen anstrengender werden. Es setzt uns jetzt auch nicht unbedingt unter Druck, wir freuen uns echt drauf. Wir haben zuletzt viele Festivals gespielt, das ist auf eine andere Art anstrengend, weil du einen Tag spielst und dann erstmal wieder fünf Tage Pause sind. Viel zu lang. Du kommst einfach nicht in den Rhythmus rein. Du vergisst, welche Details du beim nächsten Auftritt ändern wolltest usw. Wenn du jede Nacht spielst, verbesserst du dich auch von Abend zu Abend.

Euer Sound klingt auch erstmal nicht nach Festivalband. Es ist nahe liegend, Mount Kimbie für eine typische Club-Band zu halten, die auf ein Publikum angewiesen ist, das mit den Songs vertraut ist, das bereits der Band gegenüber aufgeschlossen ist und das nicht zufällig auf einem Festival vor die Bühne stolpert. Fühlt es sich in der Hinsicht unbehaglicher an, auf einem Festival zu spielen?
Dom: Wir hatten einen kleinen Hype diesen Sommer und das erleichterte auch die Festivalshows. Aber du hast schon Recht. Das Publikum auf einem Festival unterscheidet sich schon von den Leuten, die zu unseren regulären Shows kommen. Aber das fordert einen ja auch heraus, die Leute zu überzeugen, die dich vielleicht noch nicht kennen.
Kai: Wenn es funktioniert, ist es ein tolles Gefühl. Wenn die Leute hinterher zu dir kommen, sich bedanken und dir sagen, dass sie von der Band vorher noch nie gehört hatten. Auf der anderen Seite ist es natürlich schwierig—unsere Musik ist oft sehr ruhig, man kann nicht unbedingt dazu abgehen. Aber wir sind in den letzten Jahren besser geworden, haben auch mehr Material, aus dem wir auswählen können. Wir können uns besser an verschiedene Situationen anpassen. Aber wir übertreiben das auch nicht. Wir wollen schon wir selbst bleiben. Wenn das bedeutet, dass man nicht so populär ist wie die Arctic Monkeys, dann ist das eben so.

Anzeige

Sind die Arctic Monkeys überhaupt noch so groß?
Ja, schon. Angeblich… Sind ne gute Live-Band, weißte?

Da wir gerade von Festivals sprachen. Ich musste gerade an euren Auftritt auf dem Flow Festival in Helsinki vor ein paar Wochen denken. Da war dieser freundliche Herr, der euch ansagte. Er hatte sich einen sehr poetischen Text zurechtgelegt, der darin gipfelte, dass er euren Namen immer wieder falsch aussprach, wie ein Echo.
Haha, ja, das war echt witzig. Das war echt nicht so leicht, danach auf die Bühne zu gehen.
Dom: (verstellt die Stimme) „It’s my favorite mountain. Mount Kimble, Mount Kimble, Mount Kimble…“

War er eigentlich der erste, der euch so genannt hat?
Kai: Nein, das kommt sogar ziemlich oft vor. Aus irgendeinem Grund denken die Leute, ‚Kimble’ sei ein Wort. Oder es sei eher noch ein Wort als ‚Kimbie’ ein Wort ist. Es sind beides keine existierenden Wörter, aber die Leute entscheiden sich gern für ‚Kimble’.

Vielleicht wegen Dr. Kimble … Wäre ja gar nicht unklug, den Namen zu sichern.
Gute Idee, schreibe ich mir gleich mal auf.

Eure Live-Präsenz und die Live-Entstehung eurer Musik bei einer Show unterscheidet euch von den meisten anderen Künstlern im elektronischen Bereich. Ist das eine bewusste Entscheidung gegen den einfachen und eben auch gängigen Weg, elektronische Musik auf einer Bühne zu präsentieren?
Es geht nicht unbedingt darum, sich von anderen Künstlern abzuheben. Ich kann mich erinnern, wie ich mir bestimmte Acts live angeguckt habe als ich jünger war und mich das Statische und Apathische einer Performance mit einem Rechner einfach nicht begeistert hat. Du willst den Leuten, die von sonst wo anreisen, um dich zu sehen, auch irgendwas bieten. Auf der anderen Seite: Wenn du es mit einer klassischen Rockband vergleichst, ist es ja überhaupt nichts Besonderes. Es funktioniert einfach gut für uns. Nicht zuletzt, weil wir uns auch nicht als rein elektronischen Act sehen. Unser Drummer ist ein gutes Beispiel: Wir wollten nicht einfach nur akustische Drums über die Beats klatschen, damit es irgendwie mehr ‚live’ klingt. Es muss dem Song dienen. Manche Stücke funktionieren eben besser mit einer Drum Machine, da gibt es dann eben kein live-Drumming.

Anzeige

Steht ihr denn gefühlsmäßig einer Rockband näher als einem elektronischen Act?
Kai: Nein, überhaupt nicht. Das Konzept ist ja genau so eingefahren. Wir versuchen einfach nach und nach, unsere eigene Sprache zu finden. Je weniger wir uns dabei an konventionellen Konzepten orientieren, desto besser.

Der Markt für Controller und live-taugliche Gadgets ist ja ziemlich groß. Wie wichtig ist es euch, diese Kisten auszuprobieren und wie viele davon schaffen es überhaupt in euren Workflow?
Dom: Wir benutzen die Maschine für das Live-Set. Wir haben auch versucht, damit zu schreiben, aber das hat nicht so richtig funktioniert. Wir versuchen uns auch gerade mit der Ableton Push. Wir hatten ein Meeting mit ihnen und sie haben uns gezeigt, wie es funktioniert, wir haben es aber noch nicht ausprobiert. Aber generell und gerade beim neuen Album haben wir uns einen Schritt zurück bewegt. Das lief alles sehr analog ab. Wir haben es vermieden, mit Scenes und solchen Sachen zu arbeiten. Unser Anspruch war es, so viel wie möglich aus unserem Equipment rauszuholen. Die Tempest Drum Machine haben wir viel benutzt, sowohl bei den Aufnahmen als auch live. Überhaupt benutzen wir eigentlich fast alles, mit dem wir aufnehmen, auch auf der Bühne. Maschine ist tatsächlich der einzige Controller, den wir benutzen. Das ist aber auch echt ein solides und zuverlässiges Ding.

Ich hab euch vor ein paar Monaten im Berghain spielen sehen …
Kai: Da war unser Equipment eher nicht so zuverlässig, haha.

Anzeige

Ihr hattet Probleme mit einem Synthie, richtig?
Ja, mit einem Keyboard. Ironischerweise kostet es mehr, dieses schrottige Keyboard einzufliegen als das Keyboard selbst kostet. Außerdem wiegt das Case auch noch mehr als das Ding an sich. So nervig.

Sind das nicht Momente, in denen man sich einfach nur ein überschaubares Set-up mit einem Laptop auf der Bühne wünscht?
Nicht wirklich. Wir hatten schon oft fuck-ups. Danach überlegt man sich dann, wie man es beim nächsten Mal vermeidet, aber man stellt nicht das Set-up als solches in Frage. Das was da im Berghain passiert ist, war schon sehr ungewöhnlich, das passiert uns zum Glück nicht oft.

Das neue Album klingt, wie Dom schon sagte, sehr analog. Es klingt an manchen Stellen auch angenehm unperfekt. Viele Producer tun sich schwer damit, einen Track endgültig abzuschließen, nicht noch ewig daran herumzuoptimieren. Würdet ihr sagen, dass euch genau das besonders leicht fällt?
Dom: Bei uns ist eher das Problem, dass wir eine gute Idee haben und es uns dann schwer fällt, sie auch umzusetzen. An vielen kleinen Arrangements und Ideen auf dem Album haben wir ewig gesessen. Was den Anschein des Imperfekten angeht: Das wollten wir auch unbedingt so haben. In der live-Situation ist es ja ganz normal, dass bestimmte Elemente nicht immer in time sind oder sich irgendwie verselbständigen. Es ist nicht unbedingt so, dass wir uns beim Schreiben schon überlegt haben, wie wir das ganze live umsetzen wollen oder dass wir zwanghaft einen live-Sound auf der Platte abbilden wollten, aber eine Wechselwirkung zwischen live-Sound und Studio-Sound gibt es definitiv. Wir wollten auf dem neuen Album einfach nicht so klinisch klingen wie auf dem ersten.

Anzeige

Schreibt ihr eigentlich auch auf Tour?
Kai: Für das neue Album überhaupt nicht. Da waren wir zwei Jahre unterwegs und haben derweil überhaupt keine neue Musik geschrieben. Es war dann am Ende auch sehr schwierig, überhaupt wieder in diesen Modus zu kommen. Ich glaube, das machen wir nicht noch mal. Die Art des Tourens war damals auch sehr unorganisiert, wir haben einfach unser Zeug zusammen geschmissen und haben alles mitgenommen, was wir kriegen konnten. Das ist jetzt zum Glück anders. Wir können mehr planen, wir haben auch einen kleinen Arbeitsplatz in unserem Bus, die Bedingungen sind also besser und wir hoffen einfach, dass wir die Zeit auf Tour produktiver nutzen können. Man muss sich ja auch nicht jede Nacht abschießen, haha.

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.


MEHR VON NOISEY

Ein kurzer Film über Mount Kimbie

Wir haben das Duo Mount Kimbie bei ihrer allererster Performance mit einem Bläserquartett begleitet.

Die Geschichte von Warp Records in acht Veröffentlichungen

Von Aphex Twin bis Mount Kimbie.

Zieh endlich deinen Kopf aus deinem Arsch, Bon Iver

Justin Vernon, bist du wirklich so bescheuert, mit Bon Iver aufzuhören? So viel Überheblichkeit muss bestraft werden!