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Toju Kae findet Kraft in der Ruhe

Wir haben uns mit dem Wiener Produzenten über Einsamkeit, Shintoismus und Albumpläne unterhalten. Außerdem präsentieren wir sein neues Video.

Foto: Matthias Hombauer

Man kann das mit der Reinkarnationstheorie glauben oder auch nicht, aber wenn Toju Kae aka Florentin Berger-Monit anfängt, über japanische Klangästhetiken zu philosophieren, dann hat er mehr von einem buddhistischen Mönch als von einem 23-jährigen Techno-Produzenten. Vielleicht hat er aber auch nur in seiner Kindheit sehr viele Mangas und in seiner Pubertät sehr viele Schriften des konfuzianischen Philosophen Toju Nakae gelesen.

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Von letzterem hat er sich auch den Namen geklaut. Tatsächlich fühlt man sich beim Hören von Toju Kaes Musik stellenweise in einen japanischen Zengarten versetzt. Ich bilde mir ein, ihn deshalb in einem möglichst japanischen Umfeld treffen zu müssen, um mit ihm über Shintoismus, Albumpläne und Einsamkeit zu sprechen. Weil Japan aber dann doch auch absurd weit weg ist, geht es beim Grünteetrinken im Metcha Matcha im 5. Bezirk dann auch viel um Wien und warum man doch ganz gut auch hier leben und Musik machen kann. Außerdem gibt es weiter unten das neue Video und den Link zur Gratis-EP.

Noisey: Dein Künstlername, bestimmte Klangelemente—vieles an deiner Musik ist japanisch inspiriert. Warum Japan?
Toju Kae: Die Faszination hat damit angefangen, dass ich als Kind sehr Manga-verliebt war. Zusätzlich hat mir meine Mutter, die selbst ein paar Mal dort war, viele Geschichten über Japan erzählt und viele Fotos gezeigt. Japan hat immer eine gewisse Ruhe für mich ausgestrahlt, speziell der Buddhismus, der dort so präsent ist in jeder Form. Und auch die Extreme, die in dieser Kultur vorhanden sind: Auf der einen Seite diese Ruhe, dieses Zentrierte aus dem Buddhismus, diese Ästhetik, und auf der anderen Seite dieser absolute Wahnsinn, diese Popkultur. Und beides funktioniert—für mich ist es ein schlüssiges System. Ich bin selbst ein extremer Mensch und habe Phasen, ich denen ich nur eine Sache mache, nur diese und keine andere. Und das auch recht fanatisch. Das Japanische spiegelt das für mich schön wider.

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Und der Zugang zur japanischen Musik, der war auch gleich da?
Naja, ich würde sagen, der ergab sich aus der Atmosphäre, die dort herrscht. Für mich ist das dieses Minimalistische, Ästhetische, Reduzierte und trotzdem Gewaltige. Natürlich auch die einzelnen Elemente—ich bin generell ein großer Fan von fernöstlichen Klängen. Die Klangästhetik dort, diese vielen hohen Töne, die oft in einer fast 12-Ton-Musik miteinander kommunizieren und dann aber immer geerdet werden durch andere Klänge von den dort typischen Instrumenten. Für mich ist auch diese Waldatmosphäre immer ganz stark da, auch in meiner Musik. Das ist das, was ich mitnehme aus einem Zengarten oder einem Bambuswald.

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Interessanterweise benützen ja viele elektronische Musiker den Wald in ihrer Musik, sei es in Field Recordings oder auf rein abstrakter, symbolischer Ebene …
Ja, die Befreiung im Wald.

Auch weil es dem oft sehr kühlen, elektronischen Klang eine gewisse Erdung verleiht und ihm etwas Organisches und Warmes geben kann …
Genau. Wobei ich mich sehr gezielt und explizit schon vor ein paar Jahren vom kühlen Elektronischen verabschiedet habe. Ich kann auch gar keinen kalten Techno machen, das habe ich versucht, aber das hat sich nie richtig angefühlt.

Jetzt im Juli gibt es eine Free Download-EP von dir, im September kommt eine zweite. Wolltest du kein neues Album machen?
Doch, ein Album kommt sicher noch. Das letzte hat zwei Jahre gebraucht, es war mein erstes und gleichzeitig auch ein Soundfinden und -definieren. Ich hab sehr viel weggeschmissen, sicher 200 Tracks, die ich erst gar nicht ausproduziert habe. Beim nächsten Album wird das aber sicher nicht mehr so lange dauern, ich habe ja auch viel in dieser Zeit gelernt. Meine Soundästhetik habe ich jetzt gefunden. Ein weiteres Album wird es sicherlich geben, jetzt kommt aber zuerst die EP mit dem Video von der Sophia Wiegele und im September dann eine weitere über Neopren Records, die auch mein letztes Album released haben, mit zwei Original Tracks und zwei Remixes.

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Foto: Matthias Hombauer

Die EP als das im Moment richtigste Format also.
Genau. Das ist für mich wieder schlüssig als Konzept. Die zweite EP ist dann ja eine clublastigere. Man kann dazu tanzen, es ist eine Primetime-EP, soweit meine Musik Primetime im Club-Kontext sein kann. Die Free Download-EP jetzt ist das Gegenstück dazu. Es soll beides geben, es soll immer beides geben. Das erste Album ging ja circa von 73 bis 140 bpm, das hatte eine wide range und das wird auch auf dem nächsten Album nicht völlig anders sein. Trotzdem möchte ich dem einen klareren roten Faden geben. Das war bei dem Album noch nicht so. Es hieß ja auch Villa/11 Rooms—es waren elf Räume, elf verschiedene Emotionen, verschiedene Zeiten, verschiedene Lichtquellen, verschiedene Atmosphären und Sphären. Das erste Album war ein erster Gehversuch, ein Lernprozess.

Du bist in Basel geboren, in Wien aufgewachsen, hast auch in Berlin und Paris gespielt und aufgelegt und der Blick reicht bis nach Japan. Inwieweit bist du und ist deine Musik von Orten geprägt?
Sehr stark. Es gibt eigentlich drei Punkte, aus denen ich mein musikalisches Repertoire schöpfe: aus Literatur, aus Reisen und aus mir selbst. Aber Orte sind sehr wichtig. Ich glaube auch, dass je nachdem, wo man ist, man auch ganz anders Musik macht.

Wie ist demnach deine Beziehung zu Österreich, insbesondere Wien? Gefällt dir, was hier auch im musikalischen Bereich gerade passiert?
Ja, prinzipiell gefällt mir das gut. Man darf nicht vergessen, dass Wien eine unglaublich reiche Geschichte an elektronischer Musik hat, gerade mit G-Stone Recordings und der ganzen Gruppe um Kruder&Dorfmeister herum, die einen Sound geprägt haben, der mich wiederum sehr stark prägte. Es wird ja auch sehr viel in Österreich produziert, das ist den meisten ja gar nicht bewusst. Ich mag Wien auch als Stadt sehr gerne. Ich finde sie inspirierend, vielschichtig und sie ist für mich mit ihrer Ruhe eine tolle Basis. Ich mag es, dass man hier Ideen aussprechen kann, ohne dass etwas daraus wird. In der Schweiz ist das anders. Da sind Konzepte, die man sich um drei Uhr in der Früh besoffen in einem Club gemeinsam überlegt, eine Woche später umgesetzt. Das ist cool, am Anfang, aber irgendwann denkt man sich, ich möchte auch einfach nur mal spinnen dürfen. Wien ist eine Träumerstadt. Ich bin aber auch gern in der Natur, obwohl ich nicht allzu großer Fan von der mitteleuropäischen Natur bin. Hier ist mir eigentlich alles zu klein, zu kompakt, zu harmlos.

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Es würde dich also zum Großen hinziehen, zum Urwald und zum Meer.
Auch zum Meer, ja. Ich liebe das Meer. Ich bin nicht so der Seen-Fan, ich brauche das Salzwasser, die Bewegung, das Geräusch.

Foto: Katja Schifferegger

Also auch hier der Gegensatz von Wald und Meer und doch auch beides.
Ja, meine Musik hat ja auch etwas sehr Treibendes, Wellenemotionen. Ich mag es gerne, wenn ein Loop funktioniert. Da kommt vielleicht noch ein bisschen die Minimal Techno-Vergangenheit durch, wo ein Loop funktionieren muss. Und auch in der „echten“ Musik stehe ich sehr auf Shoegaze und Dreampop und dieses Flächige, das man dort findet. Ich brauche keinen Gitarrengott, der mir irgendwelche Soli vorspielt, ich bin mit dem „Einfachen“ zufrieden, wenn es nicht eintönig wird. Ich find‘s immer schade, wenn man diese Ruhe und diese Flächen, die sich ergeben, unterbricht. Außer man macht es genau im richtigen Moment.

Um noch einmal auf das Meer zurückzukommen. Das findet sich ja auch im neuen
Video. Wie kam es zu der Idee und wie kam es zum Video?
Das Video ist von einer guten Freundin von mir, Sophia Wiegele. Sie hat mir im Herbst letzten Jahres die Bilder gezeigt von diesem Sturm, den sie an der Küste Kroatiens gefilmt hat. Und im Winter, als ich „Alternating Progression“ produziert habe, hatte ich ständig diese Bilder von diesem Sturm im Kopf. Ich habe Sophia darauf angesprochen und so ist dieses Video entstanden. Die Nummer entwickelt sich ja sehr langsam und hat sehr viele weitläufige Melodien drinnen und ist sehr wasserlastig. Aber ich möchte gar nicht groß darüber philosophieren, weil es dem Ganzen fast ein bisschen den Zauber nimmt.

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Auf Pressefotos und auch in deiner Musik findet sich viel an Melancholie. Bist du generell jemand, der gut mit sich allein sein kann bzw. muss?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin sehr gerne auch traurig. Mich berührt auch Musik, Literatur und Kunst im Generellen immer sehr, wenn sie mit Melancholie verbunden ist. Ich glaube aber, das teile ich mit den meisten Menschen auf diesem Planeten. Ich brauche nicht Spaß, Spaß, Spaß. Im Gegenteil, mich laugt das eher aus. Wenn alle Leute um mich herum nonstop glücklich sind, dann werde ich unglücklich. Deshalb hat mich auch damals dieses reine Club- und Unterhaltungsmusik produzieren nicht erfüllt, sondern eher ausgesaugt.

Brauchst du das Alleinsein bzw. die Einsamkeit auch beim Musizieren?
Ja, da muss ich allein sein. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die in meiner Nähe sein, wenn ich komponiere. Das ist mir nur in den seltensten Fällen geglückt, dass ich mit jemandem zusammen eine neue Idee gebären konnte. Besser arbeite ich, wenn ich alleine bin, am besten ein, zwei Tage, dann erst fließt es.

Auf Toju Kaes Bandcamp-Seite gibt es die EP „Alternating Progression" zum Gratis-Download.

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