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Warum The Weeknd der nächste große Popstar der kommenden Jahre wird

The Weeknds neues Album dürfte das beste R’n’B/Pop-Album seit Frank Oceans ,Channel Orange‘ sein.

A new Popstar is born. The Weeknd steht mit seinem neuen Album The Beauty Behind The Madness seit zwei Wochen auf Platz eins der US Billboard Charts, mit schon mehr als einer halben Million verkauften Einheiten. Schon jetzt ein beeindruckender Erfolg, der bis Ende des Jahres noch beeindruckender werden könnte—denn sollten die Verkäufe einigermaßen stabil bleiben, ist davon auszugehen, dass The Weeknd spätestens zum Weihnachtsgeschäft die magische Marke von einer Million verkauften Alben knacken wird. 2015 haben das bisher nur zwei Alben geschafft: Drakes If You’re Reading This … und Taylor Swifts 1989, das allerdings schon 2014 erschienen ist.

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Insofern spricht der Erfolg von The Beauty Behind The Madness ja erstmal für sich. Aber es gibt ja noch einen weiteren Aspekt, der für den kanadischen Musiker spricht: Die Elogen der Kritiker. Allerorten wird der Mann mit der Dreadlock-Palme als neuer Michael Jackson betitelt, als nächster großer Popstar gefeiert. Vermutlich spielen da auch Dinge wie die im Internetjournalismus übliche gegenseitige Abschreiberei oder auch die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Kritiker eine Rolle. Aber letzten Endes bleibt unabhängig davon stehen, dass dieses Album aus der Masse der Pop-Alben der letzten Jahres deutlich heraussticht. The Beauty Behind The Madness dürfte das beste R’n’B/Pop-Album seit Frank Oceans Channel Orange sein, mit dem großen Zusatz, dass es erheblich massentauglicher ist.

Doch was macht diesen Mann und dieses zweite offizielle Album aus? Wir versuchen aufzudröseln.

Die Hits

Ganz wichtig für herausragende Popstars sind große Hits. Das wird gern unterschätzt, weil sich Musikjournalisten ungern mit den Hits aufhalten und sich stattdessen auf die versteckten Perlen auf B-Seiten stürzen—schon um ihre eigene Fachkenntnis zu betonen. Um allerdings wirklich groß zu werden, brauchen Musiker Hits. Das war schon zu den großen Zeiten von Michael Jackson und Madonna so, genau wie bei Britney Spears und Justin Timberlake, das gilt für Beyoncé und Rihanna und es gilt auch für The Weeknd. Bisher hatte letzterer keinen Überhit, den jeder sofort mit ihm verband. Das dürfte sich mit der Single „Can’t Feel My Face“ geändert haben. The Weeknds erster Nummer-eins-Hit schafft genau den Spagat, der große Pop-Hits ausmacht: Er ist extrem massentauglich, dabei aber gleichzeitig so gut produziert, dass er nicht nervt. Dieser Punkt unterscheidet The Weeknd von 90% der Musik, die normalerweise im Formatradio läuft.

Die erste Vorabsingle „The Hills“ war in den Charts nicht ganz so erfolgreich, das Musikvideo hat bei Vevo/Youtube aber inzwischen fast 200 Millionen Views gesammelt—mehr geht in so einem Zeitraum kaum. Neben diesen Mainstream-Hits hat das Album aber noch mehr Songs mit Hitpotenzial zu bieten, etwa den Opener „Real Life“ oder den Lana Del Rey-Featuretrack „Prisoner“, eventuell der beste Popsong des bisherigen Jahres, mit unfassbarem Sucht-Potenzial

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Die Nicht-Hits

Kein großer Popstar der Geschichte hat ein Album veröffentlicht, auf dem ausschließlich Hits oder großartige Songs waren, nicht mal die Beatles. Ein Album hat immer bessere und schlechtere Lieder. Das große Geheimnis ist, die schlechteren auf einem immer noch hohen Niveau zu halten. Daher beinhalten große Pop-Alben selten große Experimente, denn wer übermütig wird, scheitert. Bei The Weekend bedeutet das konkret, dass zwischendurch mal ein wenig Langweile angesagt ist. „Tell your Friends“ ist ein recht durchschnittlicher Song, „Often“ ist besser, aber auch nicht herausragend, der kommerziell erfolgreiche „The Hills“ ist ebenfalls nur gehobener Durchschnitt und von „Acquainted“ hätte sich The Weeknd die ersten 4 Minuten komplett sparen können. Das ist immerhin eine Durststrecke von vier Songs mitten auf dem Album.

Andererseits ist keiner dieser Songs so schlecht, dass man ihn wegskippen müsste. Die vier Songs sind eher eine Hochebene als ein Tal der Langeweile. Man hört sich so durch, es ist wenig aufregend, aber es ist nicht nervig. Und das ist die große Kunst hinter großem Pop: Ein hohes Grundniveau, ein paar Hits und niemals nerven.

Die Coolness

Was ist der große Unterschied zwischen The Weeknd und Olly Murs? Ganz einfach: The Weeknd ist cool. Oder sagen wir: The Weeknd gilt als cool. Musikalisch unterscheiden sich die beiden gar nicht so groß, beide machen einigermaßen glatte, aber gut produzierte Popmusik, beide featuren andere große Popstars und beide bringen Teeniegirls ins Schwitzen. Aber The Weeknd bringt eben auch erwachsene Männer ins Schwitzen. Typen, die normalerweise Kendrick Lamar hören oder meinetwegen Farid Bang. Typen, die einen Würgereiz bekommen, wenn sie den Namen Olly Murs auch nur hören.

Woran liegt das? The Weeknd ist ein Musiker, der alles andere ausstrahlt als Härte und Street Credibility. Er heult rum, singt mit Kopfstimme und hat einen Featuresong mit Ed Sheeran auf dem Album. Aber er hat sich selbst in diese Position gearbeitet. Er hat drei Mixtapes veröffentlicht, die ihm jede Menge Fame bei den Cool Kids eingebracht hat. Er hat mit Drake zusammengearbeitet, dem der Spagat zwischen Coolness und Rumheulen ebenfalls seit Jahren gelingt, und er hat ein Album überstanden, das den überhöhten Erwartungen nicht gerecht wurde. Er hat sich entwickelt und ist sich trotzdem treu geblieben: The Weeknd ist bei seinem Aufstieg zum Mainstream-Popstar immer cool geblieben. Die Frisur trägt ihr eigenes dazu bei.

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Die Fanbase

Die Coolness ist auch der Grund, warum The Weeknd seine stetig gewachsene Fanbase behalten konnte. Klar gibt es Stimmen, die ihn „früher besser gefunden“ haben und es gibt solche, die sich lautstark abwenden, weil ihnen all das zu mainstreamig geworden ist. Aber heimlich singen sie dann eben doch bei „Can’t Feel My Face“ mit.

Zuneigung der Stars

Die ganz großen Popstars sind die, die vom Publikum, von der Musikkritik und von den Kollegen geliebt werden. Die ersten beide Punkte habe ich schon angesprochen, der dritte ist nicht erst klar, wenn man Kanye West zu „Just Can’t Feel My Face“ abgehen sieht. Auch Drake supported seinen Freund ausgiebig, auch wenn es auf dem neuen Album überraschend kein Feature-Song gibt. Lana Del Rey ist aus ihren außerweltlichen Höhen herabgestiegen und hat—habe ich das bereits erwähnt?—zum besten Popsong des Jahren beigetragen. Während Taylor Swift vor knapp einem Jahr noch mindestens so viel Abneigung aus der Welt der Kollegen erntete wie Zuneigung, scheint The Weeknd nur Liebe zu ernten.

Kanye is having the time of his life rn. pic.twitter.com/Qy0OS29TU7

— Fill Werrell (@FillWerrell) 31. August 2015

Die musikalischen Fähigkeiten

Es gibt Menschen im Pop-Zirkus, die gar nicht mal so viel können. Die aus irgendwelchen glücklichen Zufällen zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, Ausstrahlung besitzen und sich von anderen Menschen ihre Musik zusammenschustern lassen. Der Bereich der EDM wird überschwemmt von solchen Menschen, aber auch im Pop tauchen immer wieder Menschen auf, bei denen man sich fragt, wie zur Hölle sie zu Popstars werden konnten. Ich will keine Namen nennen, aber was zur Hölle zeichnet jemanden wir Ke$ha aus? Oder Kelly Clarkson? Und wo versteckt sich das Talent von Fergie?

The Weeknd dagegen hat nicht nur außergewöhnliche Gesangsfähigkeiten. Er hat ein eine ausgeprägtes Gefühl für Musik, er hat Geschmack und er beschäftigt sich mit neuen Trends. Abgesehen von Frank Ocean setzten die meisten Musiker aus dem Bereich des männlichen R’n’B in den letzten Jahren auf Retro-Klänge. Bruno Mars zum Beispiel, der mit Sicherheit gern der neue Michael Jackson wäre, versuchte diesen Traum zuletzt zu erreichen, indem er halt Musik machte, die exakt so klang, wie Michael in den 80ern.

Ein modern bis innovatives und dabei ähnlich erfolgreiches männliches Pendant zu Rihanna oder Beyoncé gab es in letzter Zeit nicht. Diese Lücke schließt The Weeknd. Seine Musik ist modern und innovativ, aber beides nicht zu sehr. Sie ist kreativ, aber nicht überfordernd. Sie ist einigermaßen anspruchsvoll, aber nicht abgehoben künstlerisch. Sie ist klassisch, aber nicht retro. Ein Album, das man sich auch in ein paar Jahren noch anhören wird.

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