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Interviews

The Blue Angel Lounge wollen ein Meisterwerk abliefern

Klingen The Blue Angel Lounge zu amerikanisch für Deutschland? Oder zu deutsch für Amerika? Für uns klingen sie genau richtig, deswegen haben wir uns mit ihnen unterhalten.

Foto: Aljoscha Redenius/ The Blue Angel Lounge vor einer Illustration von Elisabeth Hannah Neid und Anastasia Andrieu.

Schaut man auf das Facebook-Profil von The Blue Angel Lounge, dann erzählt einem die Seitenstatistik, dass der Ort mit den meisten Fans der Band Paris ist. Das ist auf den ersten Blick etwas seltsam für eine Gruppe aus Hagen, auf den zweiten Blick jedoch bezeichnend für den Eindruck, den sie hinterlassen. The Blue Angel Lounge ist eine Band in der Schwebe. So wie die Musik des Quintetts im Reverb-Rausch pendelt, schwebt auch ihre Anerkennung zwischen Erfolg auf der Achse Roskilde-Paris-Austin einerseits und typisch zaghaftem Beschnuppern durch die deutsche Musikpresse andererseits. Auch der Ort, an dem ich die Band treffe—das Berghain, in dessen Kantine sie in dieser Nacht zusammen mit The KVB spielten—kontrastiert die jungen Männer eher.

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Doch diese Spannung soll sich nun auflösen und in einem noch für dieses Jahr angekündigten dritten Studioalbum entladen. Es soll nicht weniger als ein Meisterwerk werden. Ich habe eine Band getroffen, die von sich selbst überzeugt ist, die etwas in Deutschland verändern möchte und dabei den Weg des geringsten Widerstandes vermeidet—Reibung als Prinzip.

Noisey: Euren Facebook-Fotos zufolge arbeitet ihr bereits fleißig am nächsten Album. In welcher Phase steht ihr gerade?
Nils: Wir konzentrieren uns gerade darauf, es fertig zu machen, wir geben unser Bestes. Es war bis jetzt ein sehr, sehr krasser Kraftakt. Wir wollen über uns hinaus und ein Meisterwerk abliefern. (lacht) Wir wollen keine weichgekochte Scheiße abgeben, sondern etwas womit wir uns selber noch mal flashen können.

Im Gegensatz zu eurem Debütalbum sagt man, dass beim Zweitlingswerk Narcotica deutlichere New Wave- und Post Punk-Einflüsse zu hören sind. Wohin geht die Reise jetzt?
Theo: Wir haben vor einem Jahr eine EP rausgebracht und ich glaube, die gibt im Großen und Ganzen die Richtung vor. Es geht noch weiter weg von den Psychedelic- und Sixties-Ursprüngen.
Nils: Ich denke mal diese Einflüsse sind noch alle da, aber es greift mehr ineinander, so dass die Grenzen fließender sind. Das Gute an der Sache ist, dass wir uns letztendlich einen eigenen Raum entworfen haben, so wie wir ihn uns vorstellen. Es ist so, als hätte man zwei oder mehrere Suppen ineinander gerührt und die so lange umgerührt, dass eine komplett neue Suppe dabei rauskommt.

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Wir haben bei Noisey mal proklamiert, dass die Single „Walls“ ein wenig radiotauglicher als alles bisherige klingt. Würdet ihr das unterschreiben?
Dennis: Ja, klar. (lacht)
Nils: Mit der Single tun wir uns gerade ein bisschen schwer und wir müssen mal sehen, ob sie auf dem Album Platz findet.

Warum?
Theo: Radiotauglichkeit an sich ist ja kein Indikator, aber ich würde es schon so nennen, oder?
Nils: Der Song ist eigentlich schon relativ alt, wir haben dann versucht den irgendwie anders zu machen. Es war ein Experiment.
Dennis: Auf irgendeine Art und Weise ist er schon cool, weil er so zugänglich ist.
Nils: Uns stört nicht der Song an sich, sondern eher wie er arrangiert ist.
Dennis: Ja, man hätte ihn jetzt anders machen müssen.

Angefangen mit dem deutschen Song „Mutter“ als B-Seite der „Caught Crow“-Single, dann das Video zu „In Distance“ mit den Leni Riefenstahl-Reminiszenzen oder dann der Einsatz vom Akkordeon in „Inertia“—ist das Deutsche etwas, dass ihr langsam an euch selbst entdeckt?
Nils: Deutsche Texte sind super, sie sind viel persönlicher. Aber man spürt auch sehr schnell, ob es bei einem Song passt oder nicht. Bei Songs wie „Ewig“ oder „Mutter“ war sofort klar, wenn man mal Deutsch singen möchte, ist jetzt der Zeitpunkt.
Dennis: Ich glaube, das war auch eher eine Phase. Seitdem haben wir fast nichts Deutsches gemacht.

Aber ich meine mal nicht nur die Songtexte, sondern auch das Klangliche.
Ich finde, das haben wir schon immer gemacht. Also er singt zwar Englisch, aber es ist sehr deutsch, sehr kantig und hart.

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Die deutsche Sprache, so heißt es, klingt mitunter ja auch sehr düster und romantisch. Muss man da nicht auch aufpassen, dass man dann nicht auf einmal in eine Schublade mit Unheilig und Konsorten gesteckt wird?
Ja, es kommt ja auch immer diese Rammstein-Assoziation auf.
Nils: Wir haben es aber auch als sehr coole Erfahrung aufgenommen auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig zu spielen und dort vom Publikum aufgenommen zu werden. Aber auf der anderen Seite muss man auch sagen, klar, wir haben Gothic-Elemente, aber wir sind nicht nur das.
Theo: Ich muss sagen, dass das im Ausland, also gerade in Frankreich und USA aber sehr positiv aufgenommen wird. Das ist dann natürlich auch ein gutes Alleinstellungsmerkmal.

Wenn man Interviews oder Rezensionen über euch liest, dann schwebt seit jeher dieses Damoklesschwert in Form von Anton Newcombe von The Brian Jonestown Massacre über euch. Nervt das nicht auf die Dauer, will man davon nicht eigentlich wegkommen?
Nils: Ganz ehrlich, mich juckt das persönlich gar nicht mehr. Ich finde nicht, im Gegensatz zu von vor vier oder fünf Jahren, dass wir sehr danach klingen. Wir haben unsere eigene Welt. Ich habe mittlerweile auch genug Selbstbewusstsein mir zu sagen, klar, Anton ist ein guter Songwriter und auch ein guter Musiker und hat uns auch geholfen—und da sind wir dankbar für—aber wir müssen uns jetzt nicht verstecken. Ich fühle mich relativ erhaben und da spreche ich auch für den Rest.
Theo: Aber wir hatten tatsächlich mal auf unserem Merchandise-Preiszettel stehen: „Fragen zu Anton Newcombe: 5 Dollar“.

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Foto: Aljoscha Redenius/ The Blue Angel Lounge vor ihrem Konzert in der Berghain Kantine mit The KVB.

Könntet ihr mit eurer Musik vollkommen über die Runden kommen, wenn ihr diesem Ziel alles opfern würdet?
Wir diskutieren im Moment häufig selbst darüber. Wir sind gerade am Umstrukturieren. Die Schwierigkeit ist das mit ganzer Kraft zu machen, wenn man weiß, dass es in der ersten Zeit nicht dafür reichen wird, um davon zu leben. So ist die Hemmschwelle natürlich deutlich größer, als wenn man weiß, es kann nicht viel schief gehen.
Nils: Mir ist in letzter Zeit zu dem Thema noch eingefallen, dass wir in der Bandkonzeption eigentlich keine typische Band sind, die zusammen ins Studio und in den Proberaum geht, und auch als Band denkt. In erster Linie hat das noch immer einen Projektcharakter. Diese Tragweite, die eine Band dann hat, nach dem Motto man muss sich ums Touren und um Geld kümmern, das kommt immer sehr kurz. Was uns am meisten Freude bereitet, ist noch immer das Recording. Das ist natürlich Fluch und Segen.

Noch ein weiteres heikles Thema. Ihr habt euch in Interviews ja schon des Häufigeren kritisch über die deutsche Musik- und Musikpresse-Landschaft geäußert. Könnt ihr euch selbst erklären, weshalb man euch hierzulande nicht den Stellenwert zuspricht, den ihr im Ausland mit Auftritten auf dem Austin Psych Fest oder dem Roskilde Festival bereits erlangt habt? Meine These wäre jetzt einfach, dass ihr als deutsche Band zu Amerikanisch klingt.
Ja, klar. Ich glaube, man hat auf der einen Seite diesen sehr starken deutschen Musikmarkt, der gerade im Bereich Popmusik/Schlager sehr stark auf sich selbst fokussiert ist. Auf der anderen Seite hat man ein mangelndes Selbstbewusstsein, was dazu führt, dass sich die Musikkultur in Sparten wie Rockmusik immer sehr stark nach England und Amerika orientiert. Die ganze Kultur ist ja mittlerweile auch sehr stark darauf ausgerichtet.
Dennis: Das ist so ein deutsches Ding.
Theo: Ich glaube, dass man in Deutschland auch so eine Art Copycat-Kultur hat. Wenn Bands relativ erfolgreich in Deutschland sind, dann assoziiert man sie ja meistens mit irgendeiner amerikanischen oder englischen Band, ohne jetzt irgendwelche Namen zu nennen.
Dennis: Kilians. (lacht)

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Aber dennoch habt ihr ja schon eine sehr große Fanbase aufgebaut und wenn ich mich umhöre, dann scheinen gerade auch die deutschen Fans sehr treu zu sein. Ist das nicht vielleicht eine größere Belohnung, als in irgendeinem Magazin oder Blog gehypt zu werden?
Nils: Klar. Es ist unglaublich cool, dass wir mittlerweile viele Fans haben, die auch Freunde geworden sind. Auf der anderen Seite braucht man aber diese Pressearbeit, um auch andere Leute zu erreichen. Man muss natürlich auch nach vorne kucken und sehen, wen oder was kann man noch erreichen. Es ist schwierig, da so die Balance zu finden.

Ihr habt letztes Jahr für eine deutsche Band quasi den Ritterschlag erhalten, als ihr eine komplette Tournee als Support durch die USA spielen durftet. Ihr seid eine der wenigen deutschen Bands, die das geschafft haben und die man mal fragen kann—wie wird man denn als deutsche Band in den USA empfangen?
Theo: Sie sind sehr, sehr offen. Man sieht wirklich alle Bevölkerungsgruppen und Milieus, also irgendwelche Typen in HipHop-Klamotten, die in der ersten Reihe am Tanzen sind. Ich glaube, das hätte man hier nicht so, hier ist es immer sehr Szene-fokussiert.

Habt ihr schon mal darüber nachgedacht in die Staaten zu ziehen. Wäre das nicht eventuell eine logische Schlussfolgerung daraus, dass ihr dort bereits eine solide Fanbase aufgebaut habt, das Musikbusiness eh noch größer ist und auch eure Musik vielleicht besser passt?
Nils: Nein. Das ist ja auch unser Antrieb.
Dennis: Naja, das ist ja schon das deutsche Phänomen—wir meckern gerne. Aber wir wollen auch was verändern.
Nils: Du brauchst ja auch immer etwas, woran du dich reiben kannst, damit du irgendwie kreativ wirst. Wenn du dann auf dem Austin Psych Fest irgendwie mit zehn Psychedelic-Bands im Whirlpool hockst, dann ist das hinterher auch nicht mehr geil.
Dennis: Und da zu leben, geht ja generell auch gar nicht.
Nils: Es war schon faszinierend, die Kultur an sich mal zu erleben und das Essen ist der Hammer. Aber dort zu leben, auf Dauer? Ich glaube da sind wir als Deutsche einfach zu reserviert geprägt. Wir sind eher so, dass man erst mal an dem anderen riecht, bevor man was sagt und die sind halt immer so frei Schnauze. Das läuft dann erst auf einer oberflächlichen Ebene ab, aber sehr offen, und wir sind dann eher…
Dennis: Es braucht halt seine Zeit. Das ist genau das, was wir hier gerade machen. Es braucht so lange, bis man irgendwie mal Reaktionen oder einen Durchbruch hinkriegt. In den USA wäre das wahrscheinlich schon längst passiert.

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