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Sunn O))) und Ulver sind nicht Miles Davis und John Coltrane: Stephen O’Malley klärt uns über die Entstehung von ‚Terrestrials’ auf

Außerdem spricht er offen über den Zustand des Musikjournalismus (kleiner Hinweis: er ist nicht sehr glücklich damit)

Für Metalfans und Liebhaber experimenteller Musik war Terrestrials—das gemeinsame Album des progressiven amerikanischen Metal-/Drone-Duos Sunn O))) und Norwegens sich ständig weiterentwickelnder Soundforscher Ulver—eine der meisterwarteten Veröffentlichungen des noch jungen Jahres. Das Album wurde bereits 2008 während einer Nachtsession in Ulvers Crystal Canyon-Studio aufgenommen und über die nächsten Jahre weiterentwickelt und verfeinert—soweit es räumliche Distanz und Zeit zuließen. Beide Gruppen fokussierten sich währenddessen auf ihre eigenen Projekte: Sunn O)))s Meilenstein Monoliths and Dimensions erschien und Ulver stellten ihre Elektro-Klassik-Fusion Messe I.X-VI.X fertig und tourten zum ersten mal in ihrer Bandkarriere. Das Resultat ihrer gesammelten Bemühungen ist sehr schön geworden. Drei sehr bedacht aufgebaute Songs, die sich wie von selbst auf ein emotionales und krönenden Finale zubewegen. Es ist eine echte Verschmelzung von Sunn O)))s Vorliebe für analoge Klänge und Instrumente mit Ulvers Gespür für Ambient und Elektronika.

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Ich sprach mit dem Sunn O)))-Gitarristen Stephen O’Malley kurz nachdem Terrestrials über Southern Lord, dem Label von Sunn O)))s anderer Hälfte Greg Anderson, veröffentlicht worden war—während er gerade damit begonnen hatte, sich durch die Presseberge zum neuen Album zu arbeiten. Neben seiner Tätigkeit als überaus umtriebiger Künstler ist O’Malley auch ein erfolgreicher Schreiber über Musik und war in den 90ern Herausgeber der Blackmetal Fanzine Descent. Um es auf den Punkt zu bringen: Er ist ein leidenschaftlicher Musikfan und liest, trotz des bisweilen fragwürdigen Zustands moderner Musikberichterstattung (wir haben da beide unsere Geschichten …), gerne Interviews oder Kritiken, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, welche Ansätze andere Künstler verfolgen. Und diesen Monat ist es nun mal so, dass eines seiner eigenen Projekte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, und er ist etwas verdutzt über einige der leidenschaftlichen Rückmeldungen zu einer Sache, die er persönlich als die recht ehrliche und angenehme Erfahrung des Musizierens unter Freunden beschreibt. Wie sich herausstellt, kam es in dieser verhängnisvollen Nacht, als Ulver und Sunn O))) sich in Oslo zusammentaten, doch nicht zu einer Verschiebung der Erdachse—das ist jedenfalls das, was O’Malley behauptet. Nachdem das geklärt war, sprachen wir mehr über den Schaffensprozess von Terrestrials, das Wesen von Kollaborationen und die allgemeine Psychologie von Musikinterpretationen.

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Noisey: Die erste Zusammenarbeit zwischen Sunn O))) und Ulver gab es bereits vor ein par Jahren mit dem Song „CutWOODed“. Verbindet euch schon länger eine musikalische Beziehung?
Stephen O’Malley: Ich bin schon lange mit Kris [Kristoffer Rygg] in Kontakt, so seit '94 oder '95. Damals gab es im Underground diese Tape-Trading-Geschichten und Brieffreundschaften—wir hatten ja kein Internet. Also hast du dir gegenseitig Briefe geschrieben, Tapes überspielt und Demos und Fanzines und den ganzen Kram zugeschickt. Das war eine tolle Zeit. Ich habe darüber viele interessante Menschen auf der ganzen Welt kennengelernt und Kris war einer von denen, die ich dann auch mal persönlich getroffen habe. Wir waren also immer irgendwie in Kontakt. Ich war großer Fan von Ulver und das ist auch der Grund, warum wir überhaupt in Kontakt gekommen sind. Das war, bevor meine Musik überhaupt von irgendjemandem wahrgenommen wurde.

Sunn O))) gründeten sich in den späten ´90ern und irgendwann arbeiteten wir an dem Album White1, der Projektname war damals noch allgemein „The White Sessions“ gehalten, weil wir nicht wussten, ob daraus ein oder zwei Alben werden würde. Zu dem Zeitpunkt hatten wir auch schon Kollaborationen mit anderen Künstlern gemacht. Für das dritte Album hatten wir zum Beispiel mit Merzbow gearbeitet. White1 war unser viertes Album und wir hatten uns überlegt, Leute zu fragen mit denen wir zwar in Kontakt standen, zu denen wir aber keine direkte musikalische Verbindung hatten; Außenseiter unseres kleinen Kreises. Wir fragten Julian Cope und er sagte zu und das war wirklich großartig. Ich fragte dann auch Kris, ob er nicht diesen anderen Track machen will und er antwortete, „Ich will es nur nicht alleine machen weil ich immer mit dem anderen Typen in Ulver, Tore [Ylwizaker], zusammenarbeite, wir sind ein Team.“ Sie machten dann auch diesen Track und er wurde wirklich cool. Am Ende veröffentlichten wir ihn aber doch erst später in dem Box Set und nicht auf dem Album.

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Dazu kam, dass ich noch in diesem anderen Projekt mit dem Namen Æthenor spielte, zusammen mit Vincent de Roguin und Daniel O’Sullivan [ebenfalls Mitglied von Ulver, der auch schon einige Shows mit Sunn O))) absolviert hat]. Wir spielten auch Konzerte und luden Kris ein, mitzumachen. Er hatte vorher nie live gespielt – das war bevor Ulver anfingen Konzerte zu spielen. Wir machten dann ein par Touren zusammen und es war einfach großartig.

Sunn O))) hatten dann dieses Konzert in Oslo und Kris fragte uns, ob wir nicht am nächsten Tag zu ihnen für eine Session ins Studio kommen wollen. Greg und ich lieben Norwegen einfach und so war es natürlich super, dort etwas länger bleiben zu können. Dann auch noch mit Ulver im Studio zu arbeiten und die Möglichkeit zu haben, etwas kreatives neben dem Konzert machen, war einfach großartig. Wir hatten eine tolle Session, die allerdings, das muss ich hier anmerken, in den ganzen Reviews und Pressetexten etwas stark romantisiert wird.

Die Reviews sind wirklich interessant. Sogar bei zwei solchen Bands wie Ulver und Sunn O))), die dafür bekannt sind, viel zu experimentieren und das zu tun worauf sie gerade Lust haben, gibt es anscheinend diese Klischeevorstellungen nach dem Motto, es ist diese Nachtsession und ihr wartet auf den Sonnenaufgang, nur damit ihr „die Sonne mit euren Riffs zerstören“ könnt.
Das ist alles schön und gut, wenn du das in deiner Studentenbude schreibst, aber wir sind nun mal Musiker. Wir machen zusammen Musik und wir versuchen etwas spannendes zusammen zu erschaffen. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass sich die Leute solche Sachen ausdenken, also bitte nicht missverstehen, aber ich bin auch immer wieder über die Erwartungen der Menschen verwundert und die Art wie sie Dinge auf der Grundlage ihres begrenzten Vorstellungshorizontes kritisieren. Eine Zeitlang hat mich das in den Wahnsinn getrieben. Es ist interessant, wie die Leute ihre Scheuklappen aufbehalten wenn sie etwas Neues hören. Ich habe diese eine Review gelesen, in der stand „Sunn O))) haben die Session dominiert, manches davon klingt sogar wie von der Sunn O))) Resterampe.“ Welche Sunn O))) Alben hast du dir überhaupt angehört? Für uns hört sich das überhaupt nicht nach Sunn O))) an.

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Es ist spannend zu sehen, wie sich das Ganze langsam verdinglicht, wenn du etwas veröffentlichst hast. Du beobachtest, wie Leute sich deine Sachen anhören und aus ihrer eigenen Perspektive wahrnehmen. In einer andere Review stand geschrieben „sie machen hier etwas komplett Neues und überschreiten die Grenzen zu Allem, was sie bislang veröffentlicht haben.“ Kommt mal wieder runter, okay? Es ist nur eine Platte. Es ist etwas, was wir zusammen als Künstler erschaffen haben, aber wir sind nicht Miles Davis und John Coltrane. Wir lieben es als ein Kunstwerk und wir sind auch stolz darauf, aber bitte …

Fühlt es sich komisch für dich an, dass die Leute über Sunn O))) solche Sachen wie „die wichtigste Metalband unserer Generation“ sagen? Wie fühlt es sich an, derartige Komplimente zu bekommen?
Puh, ja, wow! Wie nimmt man solche Komplimente an? Komplimente fühlen sich bis zu einem gewissen Punkt erst einmal gut an, aber ich wäre schockiert, wenn irgendeiner von den Leuten, die so etwas schreiben, das auch wirklich denkt; und wenn es für sie ähnlich bedeutsam ist, wie für mich die Entdeckung von Slayer in meiner Jugend. Falls es wirklich das ist, was den jungen Menschen wiederfährt, ist das großartig, aber wir sind auch nicht in der Position zu verstehen, was das letztendlich für die Leute und ihre Ansichten bedeutet. Wir sind alte Männer, verstehst du? Greg erzählt den ganzen Tag lang nur von Hardcore Bands aus den 80ern.
Ich versuche, das mal knapp zu formulieren: Wenn es Menschen gefällt und es ihre Vorstellungskraft inspiriert, ist das großartig. Das ist eigentlich alles, was du dir wünschen kannst. Wenn jemand Gefallen an dem findet, was du erschaffst, ist das eine tolle Sache.

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Ich finde die Psychologie, die hinter der Interpretation von Musik steckt, sehr interessant. In gewisser Weise kannst du das auch selber mitformen. Ich habe damit viel experimentiert, nicht nur in der Musik, sondern auch mit den visuellen Aspekten wie Artwork und Text. Für dieses Album haben Kris und ich den Text zusammen mit diesem großartigen Autor und Herausgeber okkulter Bücher, Mark Pilkington, geschrieben. Wir sagten uns, „lasst uns einen Text schreiben, der eine Geschichte erzählt, ansonsten interpretieren die Menschen es aus allen möglichen Ecken. Wir sollten ihnen etwas zum Festhalten geben.“ Es ist sehr wichtig, welche Referenz du zu Beginn setzt, weil das dann die restliche Interpretation von 90% der ganzen Schreiberlinge formt. Du nimmst zum Beispiel „Philip Glass“. Sie wissen vielleicht nicht viel über Philip Glass, aber sie werden dann darüber sprechen.

Es ist auch eine Art Spiel. Ich habe acht Jahre in New York in einer Werbeagentur als Creative Director gearbeitet. Zum Glück hatte ich dann irgendwann genug Erfolg mit meiner Musik, dass ich diese Welt hinter mir lassen konnte, um mich komplett auf meine Kunst zu konzentrieren. Aber natürlich habe ich noch immer diesen ganzen Kram über Marketing in meinem Kopf. Und Greg betreibt das Plattenlabel, also ist er auch geradezu besessen von Marketing. Das soll jetzt nicht zynisch klingen. Es ist in keinster Weise zynisch. Es ist eher etwas Vorsichtiges. Für uns ist es eine Möglichkeit, unser Bild zu formen. Das ist das, worum es im Marketing geht. In der Musik ist es leider manchmal so, dass das mit einbezogen werden muss. Wenn es das nicht wird, kann es schnell passieren, dass du neben den anderen 10.000 Bands verschwindest.

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Es ist, als ob man sich selber einen Rahmen erschafft.
Vielleicht nicht direkt erschafft. Es hat eher damit zu tun, seinen Kontext zu erklären. Um dich vernünftig präsentieren zu können, brauchst du einen Rahmen.

Aber OK, das Album ist diese Woche herausgekommen, die ersten Reviews gibt es aber bereits seit etwa einem Monat, deswegen beschäftige ich mich gerade viel damit. Das ist das, was passiert, wenn du ein Album veröffentlichst. Bezüglich der Entstehungsgeschichte des Albums und der Frage, ob jetzt Ulver oder Sunn O))) auf der Platte dominieren, das ist alles falsch. Es ist das Studio von Kris und Tore und dementsprechend haben die auch die ersten Mixe mit dem Material gemacht. Ich war mehrmals da und habe die Instrumentalisierung geändert, den Gitarrensound modifiziert, einige Sachen neu eingespielt und andere Gitarren und Instrumente hinzugefügt, dann wurde das ganze abgemischt. Das haben wir dann zusammengemacht. Ich kann mir keine ehrlichere und respektvollere Form der Zusammenarbeit vorstellen - und auch keine schönere.

Das einzig komische an der Sache war, dass Greg nicht mehr wirklich nach den ursprünglichen Aufnahmen involviert war, aber das ist nicht schlimm. Im Sunn O))) Katalog waren Greg und ich nicht immer gleichermaßen an jedem einzelnen Track beteiligt. Das ist zwar meistens der Fall, aber eben nicht immer.

Wie funktioniert das? Ihr braucht bestimmt eine große Menge von gegenseitigem Vertrauen ineinander, dass ihr beide dem Sunn O))) Namen auch entsprechend gerecht werdet.
Wir machen jetzt schon über zwanzig Jahre lang zusammen Musik und kennen uns noch länger, und viele Schritte in unserer musikalischen Weiterentwicklung haben wir entweder zusammen gemacht oder mit der Unterstützung des anderen. Wir haben viele Dinge gemeinsam gemacht und nehmen dabei unterschiedliche Rollen an. Seit seiner Gründung bin ich Teil von Gregs Plattenlabel. Greg hat alle meine anderen Projekte damit unterstützt, die Platten dort zu veröffentlichen. Ich habe wiederum Artwork für seine Projekte gemacht. Wir haben uns schon recht früh dafür entschieden, dass wir alles mit Sunn O))) machen können, solange wir uns darüber einig sind. Nicht, dass wir uns in jedem einzelnen Punkt einig sein müssen, sondern es geht darum, dass wir uns über das Grundprinzip, etwas zu tun, einig sein müssen, das ist unsere Grundregel. Es ist eigentlich auch unsere einzige Regel.

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Es ist spannend ein Duo zu sehen, bei dem das Abgeben von Kontrolle zu einem Motor für die Weiterentwicklung wird.
Das ist eher eine Frage von Vertrauen. Das kommt durch unsere menschliche und musikalische Erziehung. Wir stammen aus dieser Hardcore und Punk Ecke, in der du von außerhalb keine Unterstützung erwarten kannst, sondern nur von deinen Freunden, den anderen Leuten in der Szene und deinen Bandkumpels. Das ist auch der Mechanismus nach dem Underground-Metal funktioniert und so funktionieren auch Ulver. Einige der Bands von damals fingen mit diesem ganzen Zuschreibungsding an, aber Ulver waren immer schon sehr selbstständig. Das ist auch der Grund, warum sie so viele gewagte Veränderungen durchgemacht haben.

Gibt es Elemente, die sich bei euren Kollaborationen wiederholt haben und wo gab es Unterschiede durch die verschiedenen Persönlichkeiten?
Ich würde nicht sagen, dass es eine bestimmte Herangehensweise für so eine Kollaboration gibt. Du musst in erster Linie einen Weg finden, um miteinander zu kommunizieren. Wenn du mit jemand komplett neuem zusammenarbeitest, probierst du dann erst einmal viel rum. Natürlich hat jeder schon seine eigene Herangehensweise, aber der Sinn und Zweck der Kollaboration ist ja, dass du etwas Neues erschaffen willst, oder? Es ist eine Herausforderung, aber es sollte funktionieren und du willst auch, dass es funktioniert. Manchmal tut es das aber nicht. Auch wenn du dir sicher bist, dass Kommunikation und Geschmack passen, ist das noch kein Garant, dass es auch funktioniert. Manchmal ist das sehr frustrierend, weil du dich vielleicht zwischenmenschlich super verstehst und du dir die Zusammenarbeit als eine sehr bereichernde Erfahrung vorstellst, aber dann passt es einfach nicht. Andere Male denkst du dir eher „Ja, lass das doch mal ausprobieren. Warum auch nicht?“ und es wird einfach nur fantastisch.

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Es ist auch eine Art, sich besser kennenzulernen. Das ist jetzt auch wieder so ein Klischee: Musiker kommunizieren über Musik. Wenn du etwas mit anderen Menschen machst, lernst du sehr viel über die andere Person - in jeder Kollaboration. Die ganze Angelegenheit ist für Musiker etwas sehr Soziales. Wenn du als Musiker unter anderen Musikern bist, ist das doch die eine Sache, die ihr alle sofort gemein habt - ganz egal, welche Musik ihr macht - und manchmal möchtest du das gerne zusammen vertiefen.

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich in meiner Karriere so viele Möglichkeiten hatte, mit Menschen zusammenarbeiten, die ich auch als Fan bewundere. Es ist immer eine Lernerfahrung und hat auch immer etwas mit Großzügigkeit zu tun - nicht nur von der Seite der andere Musiker, sondern auch von deiner Seite aus. Du wendest ja auch Zeit und Energie für sie auf und das kann Menschen richtig beflügeln. Ich habe mit dem Komponisten Iancu Dumitrescu zusammengearbeitet. Er macht schon seit den 60ern Musik, wirklich abgefahrene Sachen, die meine ganze Art, Klang wahrzunehmen, beeinflusst hat.
Ich habe ihn eines Tages getroffen und er lud mich ein, etwas mit ihm zu machen. Ich dachte zuerst „Heilige Scheiße! Das sollte ich nicht tun, da spiele ich zu nah am Feuer“, aber mir wurde auch sofort bewusst, dass, wenn wir etwas zusammen machten - das war zu Beginn eine Live-Performance seiner Musik - dass er für sich eine Menge Energie aus dem zog, was ich tat. Er ist jetzt in seinen 70ern. Was kann da der Austausch sein? Ich bekam von ihm eine Menge Denkanstöße – es war wirklich bereichernd – aber was konnte ich ihm im Austausch bieten? Die Art, wie ich seine Ideen interpretierte, war überaus anregend für ihn. Das ist jetzt nur ein Beispiel, aber bei einer Menge Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, hatten wir einen ähnlichen Austausch.

Es kommt aber auch zu bizarren Kreuzungen, wie die Sachen mit Striborg, Merzbow oder Julian Cope. Uns gefällt unsere Position als Außenseiter und dann stehen wir da zusammen - es ist schon eine komische Zusammenkunft - also lasst uns etwas machen. Es ist, als ob du lauter Chemikalien zusammen in einen Topf schmeißt und abwartest, was passiert.

Ihr wart eine der ersten Avant-Metal Bands, über die in den großen Mainstream Blättern, wie dem New York Times Magazine, geschrieben wurde. Und ein Grund dafür, dass die Leute sich von eurer Musik angezogen fühlten, waren zum Teil auch diese – zumindest für Leute von außerhalb der Szene – ungewöhnlichen Kollaborationen.
Im Rahmen der extremen Metalszene sind sie untypisch, aber in unserem Rahmen sind sie das nicht. Das Problem, das Sunn O))) immer schon haben, und das leider auch viele andere Bands haben, heißt Genre. Nichts passt in eine Schublade. Das ist alles nur Marketing. Wenn du erst irgendwo reinpasst und dann etwas anderes machst, überschreitest du sofort die Grenzen und bist dann automatisch „falsch“. Aber eigentlich ist es das Gegenteil für die Künstler. Es ist Weiterentwicklung, Ausdehnung - eine überaus positive Handlung. Das ist der Grund, warum Ulver so interessant sind. Sie überschreiten zwar die Genregrenzen, aber es ist nicht so, dass sie denken „Ok, wir haben jetzt eine Trip Hop-Platte gemacht, welches Genregrenzen sollen wir für das nächste Album einreißen?“ Es kann schon sein, dass viele Musiker das genauso machen, aber nicht Ulver oder Sunn O))).

Terrestrials ist jetzt über viele Jahre entstanden. Hat es sich sehr weit von dem entfernt, als das es begonnen hatte?
Der Hauptgrund für die lange Produktionszeit des Albums war einfach der, dass es nicht die größte Priorität für uns hatte. Unsere Bands arbeiteten an ihren eigenen großen Alben oder tourten und wir befanden uns nicht in der gleichen Stadt oder im gleichen Land, also mussten wir Zeit für Treffen finden oder günstige Gelegenheiten nutzen. Ich war öfter für Konzerte oder andere Projekte in Oslo und habe dann immer noch ein par Tage drangehängt, um mit Ulver im Studio zu arbeiten. Nachdem Kris und Tore die ersten Mixe fertiggestellt hatten, entschieden wir uns „lasst uns das machen, aber nicht über die Distanz. Lasst uns sicher gehen, dass wir wirklich zusammen sind, damit ich meine Ideen und Sunn O)))s Ideen in den Produktionsprozess mit einbringen kann.“ Der Analogsound, das Re-Amping und das ganze andere Zeug, das traf alles auf Ulvers „In The Box“-Produktionsansatz, das heißt, dass sie einfach sehr viel mit elektronischen Geräten am Computer arbeiten - Synths und andere Sachen. Und das war wirklich wichtig. Das waren die Grundzutaten unserer Kollaboration und das wirklich spannende daran. Wenn man die Umstände, die Entfernung, die Kosten und die ganze Logistik bedenkt, haben wir das ganz gut hinbekommen, würde ich sagen.

Das klingt schon wie ein richtiger Liebesdienst, wenn man bedenkt, dass Geographie heutzutage keine so große Rolle mehr bei der Auswahl von Projektpartnern spielt. Viele Alben sind über das Internet gemacht worden, was auch wirklich super ist, aber das, worüber du gerade redest, ist eine ganz andere Geschichte.
Es ist fantastisch. Bislang gab es in der Geschichte einfach keine derartigen Möglichkeiten. Musik konnte eigentlich immer nur bei gegenseitiger Anwesenheit gemacht werden, bis du dann in den 70ern die Möglichkeit hattest, Bänder an verschiedene Studios zu schicken. Die Technik für mehrspurige Aufnahmen kam in den 60ern auf und entwickelte sich dann zu Overdubs, was bedeutete, dass du an unterschiedlichen Orten über einen längeren Zeitraum verteilt arbeiten konntest. Ich arbeite die ganze Zeit an Sachen über das Internet, also nicht in Echtzeit, sondern so, dass ich etwas aufnehme und die Dateien dann verschicke. Das wollten wir allerdings nicht mit Ulver machen. Es ist einfach nicht das Gleiche. Es ging wirklich darum, zusammen Zeit zu verbringen und zusammen in einem Raum zu arbeiten. Das ist das, was der Musik ihr Leben einhaucht. Das ist da, wo es wirklich passiert: Der Nullpunkt.

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