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Staiger vs das Elend der modernen Welt

Staiger vs. das Elend der modernen Welt: Meine liebe SPD! Bist du dumm?

Staiger tut die Dummheit der guten alten SPD im Herzen weh. Das ist scheiße. Also schreitet er selbst zur Tat.

Foto: Max Winter, Montage: Sabrina Schroedl

Marcus Staiger hat als Betreiber von Royal Bunker und Entdecker solcher Leute wie Kool Savas, Eko Fresh oder K.I.Z den Straßenrap in Deutschland etabliert. Sprich: Er hat Unmoral und Verrohung über Gesellschaft und Jugend gebracht. Um die Karmaleiter wieder ein Stück nach oben zu klettern, schreibt er ab sofort regelmäßig bei uns gegen die Unmoral und die Verrohung der Gesellschaft an.

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Liebe SPD,

als du vor etwas über zwei Monaten Peer Steinbrück zu deinem Kanzlerkandidaten gemacht hast, da habe ich mir noch gedacht, ok, gut, richtig so. Ein Sozialdemokrat, der mit Geld umgehen kann, ist vielleicht der Richtige, um in dieser wahnsinnigen Bürgerlichkeit, in der wir uns befinden ein paar Punkte zu sammeln. Denn eins musst du wissen, egal ob unter deiner Regierung die ersten Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland oder unter deiner Regierung die härtesten Sozialmaßnahmen der Geschichte beschlossen wurden, mein Herz schlägt immer noch links und ähnlich wie ich aus sentimentalen Gründen immer noch ein wenig für den VFB Stuttgart die Daumen drücke, so drücke ich auch immer wieder dir die Daumen, selbst wenn ich dich nur noch mit Widerwillen und schweren Herzens wählen kann. Ich bin ein Arbeiterkind und selbst wenn der alte Spruch stimmt, „Wer hat uns verraten—Sozialdemokraten“, selbst wenn er tausendfach stimmt, aus einer 125-jährigen Tradition heraus will ich immer noch, dass du gewinnst.

Ich dachte also, gut, dass es diesen kantigen Peer gibt, auch wenn er nichts mit den Leuten auf dem Bau zu tun hat, oder in der Fabrik, oder bei der Agentur für Arbeit, ein paar soziale Kompromisse springen vielleicht doch heraus. Für die Leute mit den kleinen Jobs, den Mini-Jobs, ohne Jobs, mit Jobs aber ohne Krankenkasse, ohne Job und ohne Krankenkasse, von der Altersvorsorge mal ganz abgesehen. Ich dachte mir, vielleicht bringt es so einer, der den Bossen nahesteht und vor den Bankern reden kann, ja vielleicht wirklich fertig, die Schere zwischen oben unten, zwischen arm und reich nicht weiter aufgehen zu lassen. Nun gut. Dafür habe ich dem guten Peer Steinbrück auch nachgesehen, dass er irre viel Geld mit seinen Vorträgen verdient hat, was ich im Gegensatz zu vereinzelten deiner Genossen, mit denen ich gesprochen habe, auch gar nicht schlimm finde.

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Ich denke mir, dass das vollkommen korrekt ist, wenn man für einen Vortrag 25.000 Euro einstreicht, solange es jemanden gibt, der bereit ist, dieses Geld zu bezahlen. Ich würde das ganz genauso machen, Ehrenwort, und ich hätte auch keine Skrupel dabei.

Zurzeit arbeite ich in meinem Nebenjob als Industriekletterer auf einer der absurdesten Großbaustellen der neueren deutschen Baugeschichte—ich weiß also sehr gut, was Steuergeldvernichtung ist, da sind 25 K tatsächlich Peanuts, um im Jargon von Peers Banker-Freunden zu bleiben.

Liebe SPD, du siehst also, ich bin ideologisch nicht verblendet und wir brauchen uns über Realpolitik nicht weiter zu streiten, die Sachzwänge und so, das verstehe ich schon alles, aber als der gute Peer Steinbrück letzten Sonntag seine Kritik am BundeskanzlerInnengehalt hinaus posaunte, da war das Maß dann voll. So eine Scheiße. Was soll das? Hat der Mann keinen Berater? Ist der dumm? Bist du dumm, liebe SPD? Das ist kacke. So wirst du nicht gewinnen. Das tut mir im Herzen weh. Das will ich nicht. Dafür fühle ich mich im Herzen nicht als Genosse, damit so ein Idiot dich ruiniert. Basta. Das ist Scheiße. Das lasse ich nicht zu.

Gabriel ist einfach zu fett

Insofern liebe SPD, brauchst du Ersatz. Du brauchst einen neuen Spitzenkandidaten und das ziemlich schnell, aber wenn ich mir euer Personal so anschaue, dann sehe ich schwarz. Andrea Nahles ist wahnsinnig unsympathisch und scheint auch nicht besonders klug zu sein. Frank-Walter Steinmeier sieht aus wie mein Vater und hat’s schon einmal vergeigt. Hannelore Kraft ist tabu, die muss sich ums Ruhrgebiet kümmern, weil die wirklich jemanden brauchen, der sich um sie kümmert und Sigmar Gabriel ist einfach zu fett. Der sieht scheiße aus. Was ihr braucht, ist ein Typ, der schlau und ein bisschen witzig ist, einigermaßen gut aussieht, schon ein bisschen was anderes als nur Politik gemacht hat und der in der Lage ist, gerade Sätze zu sprechen, zu denen er auch stehen kann und ein paar alte Arbeiterlieder auswendig kann. Okay, wenn ihr mich also schon so nett darum bittet: Ja, ich bin bereit, das zu machen.

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Allerdings liebe SPD, dann müssen wir vorher ein wenig Tacheles sprechen. Wie oben schon angedeutet, fühle ich mich deiner Tradition, von der du in der letzten Zeit nicht allzu viel wissen wolltest und den sogenannten kleinen Leuten verpflichtet. Nicht verpflichtet, und das liegt vielleicht an meiner Herkunft, nicht verpflichtet fühle ich mich den Großkonzernen und Banken, die trotz sogenannter Krise kaum laufen können vor Kraft und Milliardengewinne verbuchten, während uns gepredigt wird, dass wir den Gürtel enger schnallen sollen. Mit mir wäre dann auch Schluss mit dem althergebrachten neoliberalen Grundrezept der Deregulierung und dem ewigen Geschrei nach Entlassungen, Privatisierungen, weniger Staat und so. Das alles wird seit der Diktatur in Chile zwar weltweit als Allheilmittel gegen alle Arten der gesellschaftlichen Übel propagiert, aber so langsam könnte man ja auch mal aussteigen und was Neues ausprobieren. Das Geschrei nach weniger Staat führt nämlich gar nicht zu weniger Staat und mehr Freiheit, sondern nur dazu, dass die Staaten sich sehr wohl in das Leben ihrer Bürger einmischen, nur eben zum Nachteil der persönlichen und zum Vorteil der wirtschaftlichen Freiheit.

Ich weiß, dass wir uns alle den Worten des ersten deutschen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verpflichtet fühlen, der die Freiheit des Einzelnen vor allem in der „Freiheit des Konsums“ sah und dass für die neoliberalen Vordenker auch Diktaturen klar gehen, solange die Wirtschaft frei ist, aber genau das sollten wir ändern, wenn wir zusammen gehen. Du und ich, liebe SPD.

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Klar wurde seit den 80ern auch in Deutschland abgeholzt, was wir uns als Sozialdemokraten in harten und zähen Arbeitskämpfen erstritten haben und klar wollen wir das auch europaweit durchsetzen, schließlich hat nach Helmut Kohl auch ein Gerhard Schröder als Sozialdemokrat und nach Margaret Thatcher ein Toni Blair als Labour Chef eine neoliberale Politik durchgesetzt und vielleicht ist das alles auch wirklich alternativlos und es ist vollkommen egal, ob da letztendlich Merkel, Steinbrück oder ein anderer Hanswurst auf dem Kanzlerstuhl sitzt, aber dir liebe SPD, dir als alte stolze Arbeiterpartei, dir kann das doch nicht egal sein.

Wir beide, du und ich, wir verlassen jetzt einfach mal diesen Holzweg und glauben nicht die Panikmache, die uns allerorten erzählt, dass wenn wir was anderes ausprobieren, dann würden wir alle abrutschen und verarmen. Wir beide glauben diesen neoliberalen Märchenonkeln jetzt einfach mal nicht mehr, die eh nur davon ablenken wollen, dass mal einer nachfragt, wo denn die ganzen Milliarden abgeblieben sind, die da in den letzten Jahren so munter vernichtet wurden. Wir stehen zusammen und heben die Faust.

Abgesehen davon liebe SPD, würde ich das als Kanzler aber sowieso als erstes machen. Mal nachhaken, was denn da so schief gelaufen ist, denn wenn so viel Geld verschwindet, dann stecken da entweder organisierte Kriminelle dahinter oder eben Irre, die nicht genau wissen, was sie tun, und schleunigst gestoppt werden müssen, oder? Ich meine, ich habe nichts dagegen, wenn irgendwelche Trottel sich Autos kaufen, mit denen sie nicht fahren können, solange sie das auf ihrer hauseigenen Rennstrecke machen. Wenn sie aber mich oder meine Kinder oder meine Oma über den Haufen fahren, dann möchte ich sie aufessen. Duverstehstwasichmeine?!

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Liebe SPD, ich sehe schon, das wird eine super Zeit mit uns beiden, das fühle ich ganz tief und ich freue mich schon jetzt.

Es grüßt mit sozialistischen und solidarischen Grüßen,

dein Genosse Marcus Staiger

PS: Unsere Farbe ist im Übrigen ROT! Sag der Frau Nahles, dass dieses Lila nicht klar geht!

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Staiger bei Twitter: @StaigerRoyal

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