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Staiger vs das Elend der modernen Welt

Fuffies im Club, Shindys 'Roli', Xatars & Haftbefehls Coup—Staiger über Rap & Geld

„Es geht um die Jagd nach den bunten Scheinen. Manchmal wird diese Jagd als pures Vergnügen beschrieben, manchmal hört man den Zwang heraus, der dahintersteckt.“

Flous, Batzen, Money, lila Scheine, Fuffies im Club – Rapper sprechen wahnsinnig gerne über Geld in ihren Songs und das nicht erst seit neuestem. Es geht um Luxus und Goldketten. Es geht um Nächte am Pool und immer wieder geht es um die Jagd nach den bunten Scheinen. Manchmal wird diese Jagd als pures Vergnügen beschrieben, manchmal hört man den Zwang heraus, der dahinter steckt. Die Einstellung gegenüber dem staatlich legitimierten Zahlungsmittel ist durchaus zwiespältig. Mal wird es als von Gott gesegnet dargestellt, an anderer Stelle hat dann wieder der Teufel seine Hände im Spiel und Satan höchstpersönlich hat das Geld in die Welt gebracht. Irgendwie ahnen die jungen Männer und Frauen, die so gerne über Geld sprechen, dass es doch mehr ist als nur bedrucktes Papier. Doch was genau und worin die eigentliche Macht von Geld liegt, das weiß niemand so genau.

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Im Allgemeinen geht es in den Rapsongs, genau wie im Rest der Welt, um das, was Geld als allererstes kann: Den Zugang zur bunten Warenwelt herstellen. Denn ohne Geld geht nichts und selbst wenn es sich nicht um Luxusartikel handelt, kommt man ohne Geld nicht weit. Auch für die Dinge des täglichen Bedarfs, für das tägliche Brot, das Stück Kleidung, das man am Körper trägt und das Dach, das man über dem Kopf hat, braucht man Geld. Hat man keines, kommt man an diese Sachen nicht ran, selbst wenn sie im Überfluss vorhanden sind. Da können Wohnungen leer stehen und tonnenweise Lebensmittel im Müll landen, solange man kein Geld hat, bekommt man sie nicht. Insofern ist Geld die Verfügungsmacht über gesellschaftlichen Reichtum und es besteht der unausweichliche Zwang, welches zu besitzen. Manchmal gibt es Ausnahmen davon, dann nämlich, wenn Rapper wie Haftbefehl und Xatar beschließen, gar nichts zu bezahlen und sich die Dinge direkt anzueignen. Wie sie das allerdings genau anstellen, bleibt auch bei näherer Beschäftigung mit dem Song ihr Geheimnis, hat aber wahrscheinlich irgendwas mit Waffen zu tun.

Die Frage, mit der sich die meisten Menschen auf dieser Welt dann auch beschäftigen müssen ist: Wie kommt man an dieses Geld heran? Gesellschaftlich vorgesehen und anerkannt sind normalerweise zwei Möglichkeiten. Erstens, man hat so viel Geld, dass man dieses investieren kann, oder man hat eben kein Geld, dafür aber seine Arbeitskraft, die man denjenigen anbieten kann, die investieren möchten und die einem dann einen Lohn geben. Klappt aber nur, wenn diejenigen mit dem Geld eine Chance darin sehen, dass sich der Ankauf von Arbeitskraft für sie lohnt und mehr Profit liefert als die Arbeit kostet. Wenn nicht, dann nicht. Das führt zu einem bizarren Widerspruch in dieser Gesellschaft, dass zwar alle daran interessiert sind, möglichst viel zu arbeiten oder arbeiten zu lassen, gleichzeitig aber auch alle und vor allem die Arbeitgeber daran interessiert sind, möglichst viel Arbeit einzusparen, weil sie ja auch kostet und den Gewinn schmälert. Aus diesem Grund muss Arbeit immer billiger werden, was man darüber erreichen kann, dass man die Arbeit ins Ausland verlegt, weil sie dort billiger ist, die Löhne senkt oder dadurch, dass immer weniger Leute immer mehr schaffen.

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Diesen Widerspruch kennt jeder, der normal arbeiten geht und die meisten Menschen empfinden das auch als irgendwie unangenehm. Auch die Herren und Damen Rapper fühlen instinktiv, dass da was nicht stimmt, weswegen sie in ihren Texten sehr gerne darauf hinweisen, dass sie nicht ackern gehen, wie die anderen Menschen, sondern einfach so Geld haben. Sehr beliebt ist in diesem Zusammenhang die Beschreibung eines Lifestyles, der mit der nötigen Handfestigkeit und geballten Manpower eines motorradfahrenden mittelständischen Inkassounternehmens das Ersehnte liefert. Das führt dann aber immer wieder zu moralischen Gewissensbissen und vor allem auch dazu, dass Lug und Verrat in diesem Gewerbe nur allzu verbreitet sind, weshalb sich Rapper auch immer wieder darüber beklagen, dass es am Ende doch keine Loyalität gibt und Brüder gegen Brüder kämpfen—wegen des teuflischen Charakters der bunten Lappen.

Instinktiv spüren die Damen und Herren Künstler nämlich ebenfalls, dass es bei dem Besitz von Geld auch immer um gesellschaftliche Anerkennung geht. Eine Anerkennung, die man aufgrund der eigenen Herkunft oder mit normaler Arbeit nie bekommen kann. Deshalb versuchen sie, es mit der Vermarktung des eigenen Talents und zäumen das Pferd von hinten auf. Sie imitieren den Lebenswandel der Reichen und Mächtigen und verzieren sich mit allen möglichen Statussymbolen, um deren Luxus zu imitieren. Sie erwähnen in ihren Texten die Automarken der gehobenen Gesellschaft, die entsprechenden Uhren oder wie Shindy den Schlafanzug-Produzenten der englischen Königsfamilie. Dabei geht Shindy sogar noch eine Stufe weiter und betont am Ende sogar, dass er Sweatshirts ohne Label trägt, die 700 Euro kosten. Bei gleichzeitiger Erwähnung der Herstellungskosten wäre die ganze Sache allerdings interessanter.

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Auf diese Weise erhoffen sich die Sprechgesangskünstler dieser Welt, dass sie vielleicht irgendwann in dieser Gesellschaft Anerkennung finden, dank ihrer Kaufkraft und trotz ihrer Weigerung, sich an die gesellschaftlichen Spielregeln zu halten. Schließlich sind sie ja eben nicht normal ackern gegangen und auch nicht reich geboren worden, was generell in Rap-Texten verachtet wird. Trotzdem können sie sich alles kaufen, weil sie eben so geile Rapper sind, wobei sie allerdings einen ganz entscheidenden Punkt übersehen.

Die wahre Macht des Geldes besteht nämlich gar nicht darin, dass man sich jeden Scheiß kaufen kann, sondern darin, dass man jeden Scheiß erledigen lassen kann. Sieht es für diejenigen, die arbeiten müssen so aus, dass man irgendeinen Job kriegen muss, um an Geld ranzukommen, sieht es auf der anderen Seite eben so aus, dass man jeden Job für Geld gemacht bekommt. Wenn Rapper beschreiben, dass sie für Geld Leute losschicken können und die Puppen, sprich die Mädchen, tanzen lassen können, dann kommen sie dem Geheimnis von Geld schon relativ nah, verpassen aber, wen wundert’s, trotzdem den richtigen Eingang. Die echte Qualität von Geld ist nämlich, dass es die Kommandomacht über menschliche Arbeit darstellt und somit auch die Kommandomacht über seine eigene Vermehrung. Geld als reines Mittel für den Konsum ist vollkommen uninteressant, weil es dann weg ist. Geld als Kapital, das investiert wird und so die Fähigkeit hat, sich selbst zu vermehren, weil es Arbeit bezahlt, die mehr Wert schafft, als sie kostet—das ist der Shit! Darum geht es in diesem System und dafür gibt es dann auch gesellschaftlichen Respekt, wenn man das in ausreichender Größe und über eine gewisse Zeit erfolgreich durchzieht. Das ist die Welt der Quands, Bertelsmann-Mohns, Piechs, Porsches und wie sie sonst alle heißen. Eine Welt, zu der die Damen und Herren Rapper nur dann Zutritt haben, wenn diese Leute Bock drauf haben, ein paar Typen aus der Unterschicht auf ihrer nächsten Gartenparty für sich tanzen zu lassen. Gegen eine ausreichende Menge an bunten Scheinen versteht sich. Bevorzugte Farbe: Lila.

Man könnte Konfetti daraus machen.