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So ist die Titelmelodie von Seinfeld entstanden

Jonathan Wolff hat Titelmelodien für Serien wie Seinfeld oder Eine schrecklich nette Familie komponiert und erklärt uns, wie man einen Bass-Slap zur erfolgreichsten Melodie im Fernsehen macht.

Bevor er die kultigste Titelmelodie der Sitcom-Geschichte geschrieben hat, hat Jonathan Wolff in Los Angeles tagsüber im Studio und abends in Jazzclubs als junger professioneller Musiker gespielt. Aber seine Fähigkeiten im Studio, eifriger Arbeitsethos und ein ausgeprägter Geschäftssinn haben es ihm erlaubt, ein Imperium für Fernsehmelodien im Herzen von Burbank, Kalifornien, aufzubauen. Nur ein paar Kilometer außerhalb von Hollywood, in einem der größten Studios der Unterhaltungsindustrie, hat Wolff Titelmelodien für Serien wie Will & Grace, Eine schrecklich nette Familie und Wer ist hier der Boss? komponiert. Dort, bei der Music Consultants Group Inc., entstand auch die Titelmelodie von Seinfeld.

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Jeder kennt die charakteristische Bass-Slap-Melodie von Seinfeld, mitsamt den unterschiedlichsten Knallen, Klicks und weiteren Mundgeräuschen, die Wollf—ihr ahnt es bereits—mit seinem Mund gemacht hat. Und die meisten Fans wissen, dass die Melodie eigentlich mit einem Synthesizer gespielt wurde und all diese Sounds aufgenommen und gesampelt wurden. Was mich jedoch total überrascht hat, aber wirklich Sinn ergeben hat, als ich darüber nachgedacht habe, war, dass die Melodie jede Woche eine andere war. Jerry hat die Grundlage für den Song mit seinem Monolog geschaffen und Wolff hat jedes Mal eine andere Variation dazu gespielt. Über neun Staffeln und insgesamt 180 Folgen ist das eine Menge Bass-Slapping (das eigentlich von einem Synthesizer stammt)!

Wir haben uns mit Wolff in seinem Haus in Louisville, Kentucky getroffen, wo er sich mit seiner Frau und seinen Kindern zur Ruhe gesetzt hat. Wir haben darüber gesprochen, wie Jerry Wolff gefunden hat, wie man einen Bass-Slap zur erfolgreichsten Melodie im Fernsehen macht sowie über ZZ Top und Do It Yourself und einige andere Dinge.

Noisey: Wie bist du dazu gekommen, Titelmelodien für Fernsehserien zu produzieren?
Jonathan Wolff: Zu der Zeit haben Musiker gespielt und Techniker aufgenommen. Ich habe beides gemacht. Ich habe diese ganze Laufbahn als Tontechniker durchgemacht, habe in Aufnahmestudios gearbeitet, erst Kabel gesteckt und Wartungsarbeiten gemacht und dann hinter dem Mischpult bei Sessions. Außerdem habe ich als Musiker Sessions gemacht und später haben die Technologien ineinandergegriffen und waren mehr miteinander verbunden. In den späten 70ern, als die Synthesizer-Technik verfügbar wurde, haben sie angefangen, Synthesizer mit Tasten herauszubringen. Darauf bin ich total abgefahren. Ich war ein Early Adopter, was die Synthesizer-Technologie für Konsumenten angeht. Das hat meiner Karriere geholfen, weil ich bereits Studio-Pianist war; ich konnte Noten lesen, ich konnte in Studios spielen und ich konnte die Elektronik bedienen, was zu der Zeit eine praktikable Kombination war. Als dann die Home-Studio-Revolution stattfand, in den frühen 80ern, haben die Firmen Multitrack-Recorder für den Heimgebrauch verfügbar gemacht. Mann, das hat alles verändert! Das war ein ganz neues Spiel. Wir haben aufgenommen und selbst Projekte gemacht, ohne Zeit im Studio zu buchen. Wir konnten jetzt Pakete anbieten. Ich war einer der ersten, die das gemacht haben. Dabei bekommst du einen Pauschalbetrag. Ich konnte die meisten Parts singen, ein Produkt abliefern und das Geld einstecken. Ich habe ein Haus gebaut und ein Studio rein gebaut und als das Studio zu groß für das Haus wurde, habe ich ein größeres Haus gekauft.

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An einem bestimmten Punkt gab es gewisse Klienten, die ich wollte, die aber nie das große Geld für jemanden gezahlt hätten, der von Zuhause aus arbeitet. Egal, wie cool das Studio war, wenn es auch dein Zuhause war, dann haben sie ihre Klienten nicht dorthin gebracht. Also habe ich ein Geschäftsgebäude in Burbank, Kalifornien gekauft, mitten im Herzen der Studio-Stadt auf dem Burbank Boulevard. Ich konnte mit dem Fahrrad zu Warner Brothers, Disney, ABC oder den Burbank Studios fahren. Ich war mittendrin, zwischen all diesen Orten und habe mir das in mein Studio gebaut, was ich wollte. Ich wollte einen Job, bei dem ich mit den besten Musikern der Welt (L.A.-Studiomusikern) und den besten Sängern der Welt(L.A.-Studiosänger) zusammenarbeiten und mit dem besten Equipment großartige Musik machen konnte. Für so einen Job hat mich niemand engagiert. So ein Job hat nicht existiert. Also habe ich ihn für mich selbst in diesem Gebäude in Burbank, Kalifornien geschaffen. Die Firma hieß Music Consultants Group. So war ich nicht länger ein musikalischer Mehrzweck-Lieferant für Künstler oder Komponisten, sondern habe angefangen, selbst der Komponist zu sein.

Wie hast du den Auftrag für Seinfeld bekommen?
Ein sehr talentierte Komiker namens George Wallace und ich waren gut befreundet. Ich habe Songs mit ihm für seine Nummern gemacht. Es stellte sich heraus, dass Jerry Seinfeld auch im echten Leben einen besten Freund namens George hatte. Es war mein Kumpel George Wallace. Als sich Jerry Seinfeld also bei seinem besten Freund George beschwert hat—genau wie er es in der Serie macht—dass er Probleme mit der Musik für seinen Piloten zu The Seinfeld Chronicles hat, zu der Zeit hieß das noch so, hat George gesagt: „Du musst meinen Kumpel Wolff anrufen. Er wird dir helfen.“

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Jerry sollte vier Folgen machen und er und Larry David hatten irgendwie Michael Richards und Jason Alexander davon überzeugt, zurückzukommen und diese vier Folgen zu machen, außerdem haben sie Julia eingeladen, bei der Gruppe mitzumachen. Also habe ich gesagt: „OK, ich mache eure vier Folgen. Erzähl mir von dieser Sendung.“ Was Jerry mir am Telefon beschrieben hat, war weniger ein Musikproblem, eher eine Sounddesign-Herausforderung. Er wollte, dass das Hauptthema der Sendung damit beginnt, dass er in einem kleinen Club eine Standup-Nummer macht. Dazu wollte er Musik. Irgendeine Art unverkennbare, eingängige, eigentümliche Musik, die als Titelmelodie der Serie dient. Das war für mich ein Konflikt.

In den späten 80ern, und davon sprechen wir hier—1989—waren Titelmelodien sehr melodisch, mit viel frechem Saxophon, bescheuerten Texten und ja, davon hatte ich selbst auch schon einige gemacht. Schuldig. Aber das hätte für diesen Anfang von The Seinfeld Chronicles nicht funktioniert, denn so wie ich das sah, wurde die Melodie für das Seinfeld-Thema bereits durch Jerrys Stimme geliefert. Jeder Monolog würde eine Variation des Themas werden. Was auch immer ich also tat, ich musste es nach dem Bausteinprinzip anlegen, damit es sich verschieben und verändert lässt, so wie Lego-Musik. Es durfte nicht mit Jerrys Stimme in Konflikt geraten. Seine Stimme war wirklich organisch. Es war keine Trompete oder Klarinette. Es war eine menschliche Stimme. Also habe ich mich entschieden, diesen durchlässigen Rhythmus, diesen New Yorker Groove zu erschaffen, indem ich die organischen menschlichen Geräusche meiner Lippen und Zunge nutze. Das brachte uns schon zu einer ganz anderen Art und Gattung von Musik. Zumindest für das Fernsehen. Diese Bassline, die vielen Leuten auffällt, ist so elementar und prägnant, dass sie kein Metrum und keine vier Takte braucht. Es bleibt zusammen, wenn ich es für einen Witz ausblenden muss. Gut. Es gab keine Verpflichtung, was das Timing anging. Und es war in einem Frequenzbereich, der nicht mit seiner menschlichen Stimme in Konkurrenz trat. Alles gut. Ich konnte das so bekloppt machen, wie ich wollte. Der Slap-Bass als Instrument hatte noch nicht den Status eines Solo-Instruments. Bis zu dem Zeitpunkt war das ein Bestandteil der Funk-Musik. Als es zu seiner Titelmelodie wurde, mochte Jerry es, Larry mochte es. Nicht jeder war offen für einen solchen Regelbruch, für so ein Risiko. Es gab Anrufe von den Produzenten.

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Kannst du erklären, wie du die Melodie gespielt und arrangiert hast? Hast du erst den Bass-Slap mit einem Synthesizer aufgenommen und ihn dann jede Woche abgespielt? Wie hast du das gemacht?
Während Seinfeld steckte die Sampling-Technik noch in den Kinderschuhen. Aber ja, es war gesampelt, genau wie die Geräusche mit Lippen und Zunge und die Klicks und alles, sodass ich tolles Zeug mit menschlichen Lippen machen konnte. Und sehr menschliche Bass-Licks für die Übergänge. Es gab Dinge, die konnte ich selbst mit meinem sechssaitigen Bass nicht machen. Es war einfach effizienter, flexibler, stärker und besser, es so zu machen.

Wie stark war die Zusammenarbeit? Hat Jerry dir eine Vorstellung davon gegeben, was er wollte und du hast dann losgelegt? Oder hat er dir die ganze Idee des Monologs geschickt und du hast damit gearbeitet?
Die Produzenten und Regisseure, die meine beste Arbeit bekommen haben, waren die, die mir von ihrer Sendung erzählt haben, von ihren Figuren, von ihren musikalischen Empfindungen, die mir erzählt haben, wo sie die Musik nutzen, wie die Musik funktionieren könnte und mich dann alleine gelassen haben. Das ist, was Jerry getan hat. Er hat gesagt: „Ich habe diese Monologe. Sie finden in einem Raum wie diesem statt.“ Er hat nie gesagt: „Oh, es sollte klingen wie…“ Viele Produzenten, die jeden Aspekt ihrer Sendung in den Händen behalten wollen, werden Dinge sagen wie: „Wir wollen, dass die Musik klingt wie…“ und es ist egal, wie der Satz weitergeht. An diesem Punkt mache ich Musik nach Vorschrift. Ich lasse es so klingen, wie das, was sie auch immer als Nächstes sagen. Ich verbinde also die Punkte. Du kannst nicht gleichzeitig sagen: „Oh, aber es muss einzigartig und eigenartig und skurril und etwas ganz Neues sein.“ Das sind zwei in Konflikt stehende Anweisungen. Es kann entweder das Eine oder das Andere sein.

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In ein paar Fällen hatte ich Produzenten, die offen dafür waren, Risiken einzugehen. Wenn du eine neue Art Musik erschaffen willst, dann musst du gewillt sein, ein paar Frankenstein-Experimente mit ein wenig musikalischer Gen-Spaltung zu machen, einen anderen Ansatz zu wählen, als andere Komponisten, und gewillt sein, die Merkwürdigkeit, die du erschaffen hast, weiterzuverfolgen. Ich habe das einige Male gemacht. Ich habe auch einige Male Musik erschaffen, die auf Anweisungen beruhte. Sie klang wie andere Musik. Das hängt ganz davon ab, wie die Anweisungen waren.

Wie war es, für jede Folge einen anderen Song zu machen? Hast du einfach da gesessen, sie dir angesehen und dazu gespielt? Wie sah der Prozess aus?
Na ja, manchmal habe ich vorausgedacht. Nicht immer. Aber in diesem Fall habe ich vorausgedacht und habe die Musik so angelegt, dass ich sie für nachfolgende Monologe Bausteinartig anpassen konnte, weil ich wusste, dass das notwendig sein würde. Es war eine Frage des richtigen Timings. Das war vor dieser Sache namens digitaler Audiotechnik. Wenn ich das heute machen würde oder vor 15 Jahren gemacht hätte, dann würde ich es bei Pro Tools rein laden und es daran anpassen, wann er redet oder wann er aufhört zu reden. Vor der digitalen Audiotechnik musste man das aber durch Timing lösen.

Mein Musik-Cutter hat eine detaillierte Timing-Liste erstellt. Die sogenannte „Edit Decision List“, kurz EDL, auf der von jeder Zeile, die er gesagt hat, das Timing angegeben war. Und ausgehend davon habe ich die Musik erschaffen. Also wo dies anfängt und wo jenes anfängt. Jeder Monolog baute auf dieser Liste auf, dem Computerausdruck von seiner Stimme und dem, was er gesagt hat; wie lang es war. Ich wusste, dass ich bei der kompletten Titelmelodie und den Instrumenten, die dort verwendet werden, landen musste. Es war etwas arbeitsintensiver als die meisten anderen Serien, weil ich den Anfang jedes Mal neu machen musste. Aber das war es wert. Es war ein Projekt, das die Mühe wert war. Es hat Sinn ergeben. Es war keine Verschwendung; selbst als ich das gemacht habe, wusste ich, dass es keine Verschwendung war. Er war witzig. Jerry hat neues Material kreiert. Solange er neues Material kreiert hat, habe ich das Gleiche gemacht und mit ihm zusammen etwas erschaffen.

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Hast du irgendwann mal in einer der Serien mitgespielt, für die du gearbeitet hast?
Ich glaube, sie haben eine Figur bei Seinfeld nach mir benannt, aber ich kann mich nicht daran erinnern, welche es war. In den zehn Jahren, in denen ich diese Auftragsarbeiten gemacht habe, habe ich auch mal als Schauspieler ausgeholfen. Aber ich habe nur Musiker gespielt. Ich habe drei Staffeln bei Unter der Sonne Kaliforniens mitgemacht. Mann, war ich ein schlechter Schauspieler. Es war, wie wenn man einer Pappfigur dabei zusieht, wie sie versucht, ihren Text aufzusagen. Es war furchtbar. Es gab Zeiten, in denen ich aus musikalischen Gründen am Set war. Wie bei Will & Grace, wo ich Patti Lapone begleite. Oder bei Seinfeld, als Elaine den Jazz-Saxofonisten gedatet hat und es diese Handlung gab, bei der er aufgrund des Saxofons am Ende keine Kontrolle mehr über seine Lippen hat. Tja, dieses Zeug bringen sie dir nicht in der Musikschule bei, darauf wette ich. Denn ich bin derjenige, der die ganzen Quitscher und Ungeschicktheiten auf dem Saxofon machen musste. Das war ein lustiger Arbeitstag.

Ach ja, was war der Name des Songs, den er geschrieben hat?
„Hot and Heavy.“ Aber den habe ich geschrieben!

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Ein Freund von mir ist wirklich großer ZZ Top-Fan. Er hat mir diesen Song namens „Thug“ vorgespielt. Er hat gesagt: „Er hat mich so sehr an die Seinfeld-Titelmelodie erinnert.“ Und ich habe zugestimmt, er hat wirklich dieselbe Art von Bass. Wir haben uns gefragt, ob du auch ZZ Top-Fan bist oder nicht.
Jeder ist ZZ Top-Fan! Ich meine, es geht gar nicht anders. Ist „Thug“ vor Seinfeld erschienen? Denn du bist der erste, der das erwähnt.

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Der ist auf Eliminator. Aus den frühen 80ern.
OK, also „Thug“ kam früher als Seinfeld, aber jeder Song, mit einer ansteigenden Bassline, zwei Akkorden und einem Viervierteltakt? Das ist eine lange Liste. Ich meine, es gibt eine lange Liste, auf die das zutrifft. Es gibt keine Verbindung und ich habe das noch nie von ZZ Top gehört. Obwohl ich, glaube ich, als ich Auftragsarbeiten gemacht habe, für Alvin und die Chipmunks an einer neuen Aufnahme von „Sharp Dressed Man“ gearbeitet habe (lacht).

Gibt es irgendwelche anderen großen Bands, die die diese Bass-Slap-Geschichte machen und dir gesagt haben, dass sie die Seinfeld-Melodie gehört haben oder gibt sonst irgendwelche merkwürdigen Verbindungen? Hast du irgendwelche Einflüsse des Songs auf die moderne Rockmusik gehört?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Musikjournalisten, nicht du, aber andere, haben vermutet, dass Les Claypool die Bassline gespielt hat. Das stimmt nicht. Ich habe die Bassline gespielt. Das wäre aber cool gewesen (lacht). Er war zur gleichen Zeit aktiv. Wahrscheinlich ist er immer noch aktiv. Ich weiß da nicht von vielen Überschneidungen. Es bedeutete im Prinzip das Gegenteil, es bedeutete, dass andere Musik-Komponisten und Filmmusik-Komponisten wegen Seinfeld von da an keinen Bass-Slap mehr für ihre Titelmelodie verwenden durften.

Nur, weil es zu ähnlich klingen würde?
Es gab Beschwerden (lacht). Von anderen Komponisten, die gesagt haben: „Ja, danke Wolff, jetzt kann ich nicht mal mehr den Bass-Slap benutzten. Es ist nicht so, als hättest du den Bass-Slap erfunden.“ Ich habe den Bass-Slap auch nicht erfunden. Sly Stone hat das lange Zeit vor mir gemacht. Ich habe es im Fernsehen bekannt gemacht. Ich weiß nicht, ob es darüber hinaus irgendwas beeinflusst hat. Es hat einen Negativraum beeinflusst. Es hat sich seine eigene Nische geschaffen.

Reed Dulea stellt sich bei Twitter vor, wie es wäre, wenn ‚Seinfeld' heute noch laufen würde.

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