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Sizarr bereuen nichts

Sizarr sind nach einem ordentlichen Medienhype zu ihrem Debüt jetzt mit dem zweiten Album zurück. Alles hat sich verändert und doch bleibt alles gleich.

Sizarr und Noisey haben gar nicht so wenig gemeinsam. Abgesehen davon, dass beide einen unbestechlichen Musikgeschmack haben und hervorragende Texte schreiben (Geh weg, Hater, das ist ein Kompliment an Sizarr), sind sie beinahe gleichzeitig in Deutschland debütiert.

Im Juli 2012, ein Tag nach dem Launch von Noisey Deutschland, trafen wir die Pfälzer Band das erste Mal zum Interview. Ihr Debütalbum Psycho Boy Happy stand kurz vor der Veröffentlichung und vor uns saßen drei Jungs mit einem niedlichen Dialekt, die relativ gelassen wirkten, was natürlich bis zu einem gewissen Grad auch dem Dialekt geschuldet ist. Fabian Altstötter, Marc Übel und Philipp Hülsenbeck steckten in dem Moment schon mitten in einem Hype und wurden von den Medien geliebt. Dass sie so frisch aus der Schule kamen und alle in der Nähe ihrer Heimat wohnten, hörte man zwar im Gespräch, ist aber dennoch überraschend, wenn man sich die reife, komplexe und emotionale Musik auf ihrem ersten Album anhörte. Das klang keineswegs nach Schuljungs.

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Zweieinhalb Jahre später treffen wir sie wieder in Berlin. Nach eigenen Aussagen sind die drei jetzt erwachsen oder wenigstens erwachsener: „Wir stehen auf eigenen Beinen, zahlen Steuern, sind selbstversichert und bekommen kein Kindergeld mehr“. Noisey übrigens auch. Der Sänger Fabian lebt inzwischen in Berlin. Hätte uns auch gewundert, wenn es nicht wenigstens einen der drei in die Hauptstadt verschlägt. Drummer Marc lebt in Frankfurt und Philipp an den Synthesizern in Hamburg. Ihr neues, zweites Album steht kurz vor der Veröffentlichung, Nurture soll es heißen und schon ihre Vorab-Singles „Scooter Accident“ und „Timesick“ haben die Band wieder in die musikalische Wahrnehmung Deutschlands gerückt.

Persönlich hat sich viel verändert für die drei. Sie leben jetzt von Musik, eine Sache, für die sie immer noch sehr dankbar sind. Sie leben auch in anderen Städten, eine Sache, die für ihren Arbeitsprozess tatsächlich wenig hinderlich ist. Schon das erste Album haben sie in erster Linie isoliert geschrieben und dann zusammengesetzt. Dieses Mal sollte es eigentlich anders werden: „Bei diesem Album haben wir es anders probiert und sind zu dritt in den Proberaum gegangen, um Songs zu schreiben, die dann keine Songs wurden, sondern nur Fragmente für spätere Arbeiten. Wir können nicht zusammen zu dritt im Proberaum Songs schreiben“, erklärt Fabian. Und so ist es dann irgendwie doch wie beim Debüt geworden, auch wenn jetzt alles anders ist.

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Marc bezeichnet ihren Arbeitsprozess als Patchworkarbeit. „Wir funktionieren als Band durch Isolation.“ Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass die drei durchaus perfektionistisch veranlagt sind: „Wenn ich weiß, mir hört gerade jemand zu, dann stehe ich ohne Druck“, sagt Marc zu dem Thema der Unbefangenheit beim Alleinsein. Im Gegensatz zu seinen beiden Bandkollegen hat er das gänzliche künstlerische Alleinsein auch bereits ausgekostet. Mit seinem Projekt Gora Sou veröffentlichte er solo Musik und fuhr als eben jener ein Jahr vor dem Banddebüt mit in die Red Bull Music Academy. Fabian und Philipp wollen ihm das irgendwann gleichtun und planen früher oder später auch ihre Soloprojekte anzugehen.

Aber jetzt steht erstmal Sizarr im Mittelpunkt. Nurture ist inzwischen herausgekommen und hat genau wie ihr Debüt den unbestechlichen Sizarr-Sound, bestehend aus der markanten und leidenden Stimme des noch so jungen Sängers, den Vocals, die sich oft aus Wortkreationen und Englisch-Deutsch-Variationen hervorheben, und den immer noch komplexen Synthpop-Sound, der auf vielen Ebenen mit unerwarteten Geräuschen überrascht und bricht. Es ist dieser markante Sound, der sie damals zu einem „nicht deutsch klingenden“ Medienhype machte. Doch trotz den Veränderungen, die sie durchlaufen sind, seit wir sie das letzte Mal gesehen haben, bleiben sich Sizarr ihrer Arbeitsweise und ihrem Sound treu. Noch immer sind sie die gelassenen, sympathischen Typen, die ihre Musik so ernst wie einen Job nehmen. Dadurch entsteht zum Einen dieser typische Sizarr-Signature-Klang, zum Anderen passiert aber nichts großartig Anderes oder Neues auf dem zweiten Album, diesem verflixten zweiten Album. Im Prinzip ist alles wie vorher, nur eben ohne Kindergeld.

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Das kann den Hörer natürlich langweilen, das kann ihm aber auch die Kunst von Sizarr näher bringen, das Talent der Jungs untermauern und ihren Output anerkennen. Für eine andere kreative Linie sparen sie sich dann doch ein anderes Projekt auf, Fabian sagt: „Ich will viele unterschiedliche Sachen machen, aber das ist besser für das Soloprojekt“. Der Sound der Band soll eben nicht zu konfus werden, eine Gratwanderung bei Sizarr, die sie auch beim zweiten Werk gemeistert haben.

Sizarr sind jetzt also erwachsen oder eben erwachsener. Von außen hat sich nicht viel verändert, viel aber von innen. Wäre Psycho Boy Happy nicht passiert, würden jetzt wohl alle studieren, scherzen sie. Marc lacht: „Ich hätte wahrscheinlich Abi gemacht“, was einem nur nochmal vor Augen führt, dass man zu schnell vergisst, wie jung die drei damals und auch noch heute sind. Aber er fügt gleich an: „Ich bereue nichts!“ Wir auch nicht.

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