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Interviews

Dürfen wir vorstellen: Silvana Imam—die feministische Rapperin, die sich mit schwedischen Nazis anlegt

Die schwedische Rapperin schreibt aus einer lesbischen, migrantischen und weiblichen Perspektive und will die Menschen darüber aufklären, wie kaputt die Welt eigentlich ist.

Im Dezember 2013 attackierten Neonazis in Kärrtop, einem Vorort von Stockholm, eine antifaschistische Demonstration, die dort als Reaktion auf vermehrte Hakenkreuz-Schmierereien stattfand. Eine Woche später nahm die Rapperin Silvana Imam an einer Demo teil, die sich gegen den Angriff richtete. Dort performte sie einen Verse aus „Tysta Ner“, einem Track gegen die rechte Partei der Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna oder kurz: SD). „Danach gab es nur noch Chaos“, erinnert sich Imam. Der SD-Vorsitzende Jimmie Åkesson schrieb bei Twitter, „etwas Abfälliges über die Demonstration, woraufhin ich viele Drohungen aus dem Umfeld der SD erhielt. Die Scheiße hat mir wirklich Angst gemacht … Mir schlägt im Internet immer noch viel Hass entgegen—einfach nur weil ich Feministin und Anti-Rassistin bin. Ich denke mir nur, damit muss man sich also auseinandersetzen, wenn man Freiheitskämpferin ist?“

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Imam, eine feministische, lesbische und anti-rassistische Rapperin, die in Schweden als Tochter eine Litauerin und eines Syrers auf die Welt kam, hat dort in den letzten Jahren mit ihren kompromisslosen Lyrics große Wellen geschlagen: „Du sagst meine Liebe ist ein Gesetzesbruch / Ich sag’ du hast einen super kleinen Schwanz / Geh und küss dein beschissenes Hakenkreuz”, heißt es in „Imam Cobain“. Auf ihrer neusten EP, När Du Ser Mig • Se Dig, zitiert sie Judith Butlers Gendertheorie („Geschlecht ist eine Imitation, zu der es kein Original gibt“), weißt auf rassistische Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt hin („15 Millionen Menschen auf der Welt heißen Mohammed, aber welchen Namen willst du auf dem Lebenslauf sehen?“) und ruft mehr oder weniger zur feministischen Revolution auf („Das Patriarchat muss gestürzt werden“). Zwischendurch findet sie auch noch Zeit, ihre eigene Bande aus Freiheitskämpferinnen zusammenzurufen („we are the power pussies“) und fordert ihre Rapperkollegen auf: „Nimm den Kuchen und wirf ihn zurück, Anna-Mae.”

Auch wenn Schweden von außen betrachtet den Anschein eines utopischen Ideals hat, suggerieren der Aufstieg der Schwedendemokraten (die bei der Wahl 2014 die drittstärkste Partei wurden) und die immer neuen Meldungen über Nazigewalt etwas anderes. Imam steht an vorderster Front einer neuen Welle feministischen Raps mit einem sozialen Bewusstsein, die auch als Antwort auf diese Entwicklung immensen Zulauf erfährt. Seinen Anteil daran trägt auch der Aufstieg der feministischen Partei, Feministik Initiativ (FI), die bei den letzten Wahlen ihr bislang bestes Ergebnis einfahren konnte. Imam ist auch schon bei FI-Veranstaltungen aufgetreten. Für sie ist es „die einzige politische Partei, die die Strukturen wirklich von innen heraus ändern möchte“, trotzdem sieht sie sich nicht als politische Künstlerin.

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„Ich mache Conscious Rap“, sagt sie. „Ich schreibe Songs über mein Leben und da ich nun mal aus einer lesbischen, migrantischen und weiblichen Perspektive schreibe, bekomme ich den Stempel „politisch“ aufgedrückt. Ich kläre die Menschen durch meine Kunst darüber auf, wie kaputt die Welt eigentlich ist. Es geht um mein Leben und mein Überleben in dieser patriarchalen und antidemokratischen Gesellschaft. Eine Frau, die Liebeslieder an andere Frauen schreibt, sorgt in den Köpfen der meisten Menschen sofort für Chaos? Das sollte hinterfragt werden und nicht, ob ich jetzt politisch bin oder nicht.“

Wir wollten mehr wissen und haben uns mit Imam in Verbindung gesetzt.

Noisey: Was meinst du, über wie viel Macht HipHop verfügt, um sich für Unterdrückte und Randgruppen in Schweden einzusetzen?
Silvana Imam: Rap ist eine bestimmte Ausdrucksform. Uns wurde mit Rap eine Plattform geboten, um uns auszudrücken und um Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken. Warum sollten wir diese also nicht auch nutzen? Wenn ich ehrlich bin, finde ich Rapper, die über ihr verrücktes Partyleben oder irgendwelche Schnapsmarken rappen, total uninteressant. Ich glaube, dass die Zeiten auch vorbei sind—vor allem in Schweden.

Wie hast du mit dem Rappen angefangen?
Ich schreibe seit meiner Kindheit Gedichte und das erste Album, das ich mir selber gekauft habe, war At The Speed Of Life von Xzibit. Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Zwölfjährige in New York in den Virgin Megastore gegangen bin—ich war so aufgeregt. Ich bin nicht in einem Haushalt aufgewachsen, in dem meine Eltern viel HipHop oder Soul gehört haben, aber mein Vater hat viel geschrieben. Meine Mutter hat mir dann gesagt, ich soll doch anfangen, ein Tagebuch zu führen, nachdem sie meine Begeisterung für Wörter bemerkt hatte. Ich führte dann allerdings kein Tagebuch, sondern schrieb einfach irgendwelche zufälligen Sachen, aus denen dann irgendwann Gedichte und dann auch Songs wurden. Als ich 22 war, machte meine Freundin mit mir Schluss und ich war am Boden zerstört. Ich musste einfach etwas in meinem Leben ändern. Ich machte gerade meinen Master in Psychologie, aber ich fühlte mich nicht erfüllt. Über einen Freund lernte ich dann einen Typen kennen, der ein Studio hatte, und fing dort an, meine Gedichte aufzunehmen. Meinen ersten Auftritt hatte ich in einer Bar in Södermalm, von der ich wusste, dass meine Freundin auch da sein würde. Ich machte den ganzen Scheiß also auch irgendwie nur, um sie zu beeindrucken.

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Was denkst du über schwedischen HipHop?
Die schwedische HipHop-Szene variiert zwischen progressiv, ehrlich, ungeschminkt und eher platten Sachen—emotional und vom Sound her. Ich kann mich glücklich schätzen, Teil von Respect My Hustle [Management, Team und Label] zu sein. Wir sind die progressive und ungeschminkte Alternative.

In „Svär på min mamma“ sagst du recht deutlich „Ich bin eine Lesbe“. Hattest du das Gefühl, ein Statement abliefern zu müssen, vor allem nachdem deine Partnerin Beatrice Eli für die vermeintliche Ambiguität ihres Songs „Girls“ kritisiert worden war?
Zuerst einmal muss ich sagen, dass nichts und niemand mit Beatrice und dem, was sie gerade mit ihrer Musik für unsere Kultur macht, verglichen werden kann. Klanglich ist sie wie ein frischer Wind in der Poplandschaft Schwedens. Es hat noch nie einen Song wie „Girls“ gegeben und die Leute, die „Girls“ aufgrund des Inhalts infrage stellen, haben nie die Lyrics gelesen. Ich fühle mich mit meiner Musik ähnlich. „Ich bin eine Lesbe“ wurde in der schwedischen Musik noch nie zuvor gesagt und es war einfach höchste Zeit. Also habe ich es gemacht.

In „Svär på min mamma“ sagst du auch „meine Girls sind fucking Revolutionäre“. Wie sind deine Fans denn? Glaubst du, dass du junge Mädchen inspirierst?
Meine Fans sind die Besten! Sie sind schlau und gehen gut mit. Als ich 14 war, gab es keine Rapper, die so gesprochen haben wie ich. Alles kam nur aus dieser männlich orientierten Perspektive. Der Scheiß war so ultralangweilig. Es war alles ohne Herz und… einfach langweilig. Sie reproduzierten diese Frauenbilder und ich fand mich da einfach nicht wieder. In meiner Jugend war ich richtig frustriert, weil ich mich unsichtbar fühlte: niemand sprach MICH, meine Gedanken und meine Gefühle an. Ich glaube, dass sich viele meiner Fans genau so fühlen—dass sie in irgendeine Schublade gesteckt werden, in die sie nicht passen. Ich entschied mich also, auf den Plan zu treten und etwas dagegen zu tun. Meine Fans sind richtig passioniert und intelligent und ich lerne auch von ihnen—und damit kann ich mich wirklich glücklich schätzen.

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Was hat es mit der „Geh und küss dein beschissenes Hakenkreuz“-Line auf sich?
Mein Producer Nils und ich haben diese Theorie, dass Männer, die keine Feministen sind, kleine Schwänze haben und nur so vor Hass gegen sich selbst und Frauen überlaufen. Außerdem sind sie Rassisten. Von den ganzen Witzeleien mal abgesehen gibt es zwischen Nils und mir diese großartige Chemie. Wir nennen unsere Projekte „Laughing Out Classics“. Die Line ist einfach lustig, genial und kritisch auf einmal.

Deine neue EP klingt ein bisschen härter als Rekviem. Bist du jetzt politischer geworden?
Vom Sound her ist När Du Ser Mig • Se Dig viel rauer, nackter und emotionaler geworden. Ich musste einfach ein paar ungeschminkte Bars ohne irgendwelche Filter raushauen. Ich wollte außerdem die Person sein, die die 15-jährige Silvana gerne gehört hätte. Es geht nicht darum, nur für mich selber politisch zu sein—die ganze Sache ist einfach viel größer als das. Ich präsentiere eine Story und eine Welt, die den meisten Menschen total unbekannt ist. Das schließt einfach alles mit ein: von der Art, wie ich die Musik erschaffe, bis hin zu den Liveshows—worüber ich schreibe und wie ich es abliefere. Ich mache Concisous Rap, keinen politischen.

Was wünscht du dir 2015 für Schweden?
Dass das Bewusstsein über die Existenz der weißen Norm weiter wächst und dass die Menschen das wahre Gesicht des Faschismus endlich freilegen—außerdem würde ich gerne mehr progressive Musik und Lyrics hören, die auch wirklich was zu sagen haben.

Was kommt als nächstes? Wirst du im Ausland spielen? Befürchtest du, dass deine schwedischen Texte deine Reichweite einschränken?
Im Frühling veröffentliche ich meine zweite EP mit dem Namen Jag Dör För Dig. Die ist persönlicher und geht um meine Leidenschaft, die ich für meine Kunst, meine Freundin, meine Crew und meine Fans habe. Meine Gefühle sind extrem stark und das ist meine besondere Gabe, aber auch mein Fluch. Das ist für mich einfach das echte Leben und ich mache das nicht einfach nur des Rappens wegen. Gerade bin ich im Studio und arbeite an meinem Album. Ich bereite mich auch auf meine Tour im Sommer vor. Ich werde beim Roskilde, Bråvalla, Trailer Park und Liseberg spielen—um nur ein paar zu nennen. Außerdem gibt es noch Konzerte in Paris und Belgien. 70 Prozent aller Plays von „Imam Cobain“ waren von Leuten in L.A.—meine Kunst hat keine bestimmte Sprache. Seit ich sechs Jahre alt war, habe ich unterschiedlichste Barrieren niedergerissen und Kunst ist einfach universal. Ich biete eine ordentliche Show und sorge dafür, dass es interessant ist.

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