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„Visa-Abrechnung sagt: Das ist kein Image Rap"—Track by Track von Shindys ,FVCKB!TCHE$GETMONE¥‘

Hat Shindy die amerikanische Formel für Deutschrap entschlüsselt?

Am Freitag ist Shindys Album FVCKB!TCHE$GETMONE¥ erschienen. Praktisch die ganze Rapszene hat gespannt auf das Release von Bushidos Zögling geblickt. Hat Shindy wirklich die Formel für den amerikanischen Sound auf deutsch gefunden? Kann er mit dem Album auch außerhalb des EGJ-Lagers neue Fans dazu gewinnen? Kommerziell gesehen hat Shindy wohl schon jetzt alle Register gezogen. Laut Bushidos Aussage seien über 15.000 Deluxe-Boxen verkauft worden, angeblich soll FBGM sogar Gold gehen. Der 26-Jährige ist immer noch Sympathieträger, doch was kann sein Album wirklich?

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Julius Caesar

„Ich will, dass sich deutsche Rapper schäm' für ihre Intros“

Bei Shindys Debüt NWA haben wir ihn dafür gelobt, dass er nicht mit Chören rausgegangen ist. Doch nach 40.000 verkauften Platten musste und wollte Shindy offensichtlich zeigen, dass er mittlerweile andere Ansprüche hat. Piano-Intro, Trompeten, Ratternde Snarerolls—vom Soundbild her geht es wohl kaum epischer. So klingt Trap, wenn er gut gemacht ist, weil es eben nicht nur 808-Geballer und fiepende Synthis geht. Schon das Intro lässt erkennen, dass es weniger um Handlung als um Stil geht. Shindy wählt Worte und Produkte aus, die andere Rapper nicht mal kennen. Ich bezweifle, dass den gemeinen MC das Wurzelholz-Mobiliar im Waldorf Astoria aufgefallen sein dürfte, fall er denn jemals in so einer bescheidenen Hütte hausen sollte.

Safe

„Liebe kennt kein Alter, wenn die Milf lutscht“

Für die HipHop-Polizei: Den Versace-Flow hat Shindy nicht erfunden. Man kann sich leicht darüber lustig machen, weil er in der Regel unhörbar ist, vor allem wenn sich mal ein deutscher MC darin verirrt. Deswegen ist es umso beeindruckender, dass Shindy hier als zweiten Song so ein Risiko eingeht. Das Ding funktioniert, weil Shindy eben ein unglaublich guter Rapper ist, der die Silben ganz genau auf den Takt legen kann und genau weiß, wie man auf so einem Beat rappen muss. In Kombination mit dem knisternden Piano-Sample und der 808-Kickdrum ergibt das einen Song, den so schnell keiner nachmachen wird. Wer es versuchen will, sollte sich das noch ein Mal ganz genau überlegen.

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JFK

„Ich bin King so wie Mufasa, Du denkst du bist wie Shindy aber a-a”

Shindy hat im Vorfeld des Albums gesagt, dass er den Beat von JFK so perfekt fand, dass er sich nicht getraut hat, darüber zu schreiben. Und die Originalversion ist tatsächlich einer dieser seltenen Instrumentals, den man jedem vorspielen kann und er würde mit dem Kopf dazu wippen. Umso bemerkenswerter ist es, dass er auf der Albumversion einen minimalistischeren Clubbeat genommen hat. Die Regentonnen-Synthis würden eher in ein Chris Brown-Album passen. Trotzdem würde ich bestimmt nicht von der Tanzfläche rennen, wenn der Song im Club kommt.

Steve Blowjobs

„Was Facebook? luisaviaroma.com, Beat klingt wie ein Coca-Cola-Spot-Song.“

Wenn du die Hälfte des Songs nicht verstehst, dann gräme dich nicht. Shindy treibt es mit seinem Hedonisten-Rap auf die Spitze. Es funktioniert, weil sich Begriffe wie Alcantara-Leder oder Valentino-Flow eben genauso schön anhören wie das glitzernde Gewinner-Instrumental. Allerdings stellt sich schon jetzt die Frage, wann die Delikatessen-Overdosis einsetzt.

Bang Bang feat. Bushido

„Bang, es fallen Schüsse bei den Shows / Kugeln fliegen wie die Luftküsse von den Hoes“

Hier zeigt sich, was Shindy und seine Produzenten Beatzarre und Djorkaeff den anderen voraus haben. Der Beat ist um das Piano-Sample aufgebaut, sodass der Song wie auf Schallplatte klingt. Und so rappt auch Shindy die ersten Zeilen, bis die Drums einsetzen und er ohne Probleme den Flow anzieht. Der Beat gibt auch Bushido genug Platz für genussvolles Mütterficken. Und die Hook ist natürlich die perfekte Crooner-Hymne. Woopdiwoop, Bang Bang.

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Venedig

„Hast du schon mal deine Bitch zu deiner eigenen Musik gefickt
Auf dem gedeckten Tisch, wenn sie schreit "Ich liebe dich!"
Wenn sie kommt und die Pussy schmeckt nach Bienenstich“

Als wir vor unserem Interview in das Album reinhörten, erzählte mir Shindy, dass „Venedig“ der erste Song sei, der genauso geworden ist, wie er es sich vorgestellt habe. Sonst habe er nicht die Möglichkeiten gehabt oder es selber nicht hingekriegt, die Songs wie in seiner Vorstellung zu produzieren. „Venedig“ klingt nicht wie ein Rapbeat sondern viel mehr nach Filmmusik. Das Originallied, aus dem das Sample verwendet wurde, stammt von dem italienischen Filmkomponisten Franco Micalizzi aus The Visitor (1979). Shindy hat daraus einen Rap-Pornofilm gemacht. Google mal nach Mario Salieri, Bitch.

Pancakes

„Dicka, fick’ auf meine Instagram-Posts, Check’ mal meinen WhatsApp-Verlauf, du denkst, du bist bei Bang Bros.“

Der stampfende Tuba-Beat klingt eher nach Yeezus als nach irgendetwas, das in den letzten Jahren im Deutschrap lief. Der Song macht auch nach dem zehnten Hören Spaß, weil Shindys Raps hier gewohnt asozial erhaben sind. Zwar klingt der Flow unfassbar gelangweilt, als ob er sich keine Mühe geben würde, dennoch ist jede Silbe on Point. So ist auch die Erfolgsformel dieses Albums. Shindy spielt zwischen Großkotz und Bescheidenheit, dennoch ist alles genau durchgeplant.

No Joke feat. Ali

„Ich hab' die Sonnenbrille auf, wenn ich im Le Meurice esse, Cooler als der Schneeball in Emorys Fresse“

Die erste kleinere Enttäuschung. Der Beat hört sich leider wie ein DJ Mustard-Tutorial zum selber Nachbauen an. Auch die Hook ist irgendwie geschenkt. Ali macht allerdings wieder mal eine gute Figur. Uladidadi.

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Alle meine Fans feat. Kollegah

„Red’ nicht von Labels, die du nicht mal aussprechen kannst“

Auf dieses Feature waren wir alle gespannt. Zwei der aktuell besten Rapper treffen sich auf einem Track. Thematisch haben die beiden Herren nicht viel gemeinsam, wohl aber, dass sie sich von anderen kopiert fühlen. Der Beat klingt eher nach King als nach FBGM, also kaum lasziv verspielt sondern ziemlich straight auf die Fresse. Leider versäumen es beide, zu erklären, warum sie denn in ihrem Fachbereich besser als die anderen sind. Bisschen schade.

Thriller

„Ich würd' dich killen für paar Yeezy Red October / Die passen zu der Jacke auf dem Michael-Jackson-Poster“

Shindy vergleicht sich eher mit Michael Jackson als mit einem Tupac, was an sich schon sympathisch ist. Ansonsten bietet dieser Song nichts Neues. Der Versace-Flow ist zwar auch hier gekonnt performt, aber leider wirkt der Beat zu sehr nach amerikanischem Südstaaten-Gemixtape.

Sterne feat. Bushido

„Ah, schwarzer Oversize-Hoody so wie Gargamel / Und die Bitches flippen aus als wäre Zara-Sale“

Die Trompeten sind schon fast zu episch. Wer hätte gedacht, dass irgendwer jemals die Worte EGJ und Philharmonie in einem Satz verwenden würde. Leider wirken die Reime von Bushido ein bisschen hölzern auf diesen neumodischen Beats. Aber ich habe nichts gesagt. Nicht, dass wir weggepustet werden. Wie Teelichter.

Bitchichbinfame

„Guck mal, meine Bitch - Adriana-Lima-Klon / Guck mal, deine Bitch - Kanalisation“

Lieblingslied des Albums. Der 60 BPM-Beat nölt vor sich hin, während Shindy textlich wie flowtechnisch wirklich alles rausholt. Was ich meine:

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„Die MILF will ein Foto mit mir für die Tochter und flüstert mir zu 'Oh, du riechst aber gut!'
Bitch, ich hab immer Chanel auf dem Hals und kann besser französisch als Lizarazu
Ciabatta, Olivenöl, San Pellegrino, Balsamico Crema und fangfrischer Fisch
Der Kellner ist immer am zittern und stottern und haspelt nur, wenn er mein Antlitz erblickt“

Standing Ovations

„Bitch wie vom Vogue-Cover, Gangbangs / Ich komm' mit den Jungs in den Club, du denkst Mike-Tyson-Entrance“

Der obligatorische Victory-Lap-Song. „Ich bin sowas von back“. Normalerweise ist sowas ja immer schwierig, aber welcher Rapper kann behaupten, dass er einen Beat wie von einem 90er-Jahre Sitcom-Intro auf dem Album hat. Manche werden’s mögen, andere nicht. Ich gehöre eher zu ersterem, ist aber stimmungsabhängig. Full House gucke ich auch nur, wenn nichts anderes läuft.

Steve Urkel

„Der Scheiß hier macht mir selber Gänsehaut /Schreib' den letzten Song im Marriott und es läuft NTV“

Das beste Instrumental hat sich Shindy für den Schluss aufgehoben und damit für den einzigen etwas persönlicheren Song. Darin reflektiert er seinen Aufstieg zum Rapstar und spricht dabei von Neid und Missgunst. Keine Sorge, dabei geht er nicht allzu viel in die Materie, was eben ein kompletten Bruch mit dem restlichen Album gewesen wäre. Shindy deutet an, dass er sich das alles erarbeitet hat und alles in die Kunst steckt. Trotzdem nennt er seinen letzten Song „Steve Urkel“…

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Abschließendes Urteil

Am Klassiker-Status ist FBGM knapp vorbeigeschrammt. Dafür hätte ein paar Ami-Kopien weniger und generell nicht so viel Speisekartenablesen gebraucht. Doch was Flows und Reim-Ästhetik angeht, gehört dieses Album zum allerbesten, was ich bisher gehört habe. Dazu hat Shindy es tatsächlich geschafft, Trap- und Cloud Rap-Elemente gekonnt mit seinem hingewichsten Flow zu kombinieren. Großes Lob geht daher auch an die Produzenten Djoarkaeff, Beatzarre und Jeremia Anetor, die mit dem Rapper zusammen ein stimmiges, aber im Großen und Ganzen kein abgekupfertes Soundsystem entwickelt haben. Wer weiß, vielleicht leitet Shindy eine neue Ära ein, und alle versuchen sich an Trapbeats mit Schallplatten-Samples.

Wenn ich so recht überlege, dann hoffe ich das nicht. Das könnte nämlich ziemlich peinlich werden.

Also, Kinder, nicht nachmachen.

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