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Interviews

Sharon Jones: Child No More

Die Soul-Sängerin spricht offen über ihren Kampf gegen den Krebs und ihre Angst zu sterben.

Fotos: Jesse Dittmar

Im Juni 2013, kurz nachdem sie ihr neuestes Album angekündigt hatte, wurde bei Sharon Jones Bauchspeicheldrüsenkrebs im fortgeschrittenen Stadium festgestellt. Drei Jahre nachdem die 57-jährige ihre Mutter verloren hat—ebenfalls durch Krebs.

Die dynamische Soul-Sängerin hat die letzten sechs Monate damit verbracht, sich gegen die bösartige Krankheit behandeln zu lassen und Tag für Tag in der Chemotherapie verbracht; eine Erfahrung, die, wie jeder weiß, alles andere als angenehm ist. Sie und ihre Band hatten ursprünglich geplant, ihre neue Platte Give The People What They Want letzten Sommer zu veröffentlichen—und damit ein weiteres Kapitel bombastischer Soul-Musik aufzuschlagen—, wurden aber gezwungen die Veröffentlichung auf Mitte Januar zu verschieben. Mittlerweile hat Jones ihre Behandlung abgeschlossen und ist als Vorbereitung für die Platte bei Late Night With Jimmy Fallon aufgetreten, bevor sie auf Tour geht.

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Kurz gesagt, es war ein sehr ereignisreiches Jahr—und ereignisreich geht es auch weiter.

Trotz allem ist Jones stark und standhaft geblieben. Eine Cover-Story in der Village Voice im November beschreibt wie ihre Behandlung war und wie sie es trotzdem geschafft hat, gleichzeitig ihre Platte zu promoten. Im Dezmber, ungefähr eine Woche vor Weihnachten, habe ich an einem Nachmittag mit ihr telefoniert. Im Verlauf einer Stunde hat sie über alles Erdenkliche mit mir gesprochen—von ihren Gedanken über Kanye West und die momentane Situation in der Musik, bis dazu, wie es ist, dem Tod in die Augen zu sehen und zu denken, dass er vielleicht gewinnt.

Noisey: Ich habe mit angesehen, wie meine Oma gegen den Krebs gekämpft hat. Es tut mir leid, dass du das durchmachen musstest.
Sharon Jones: Es ist furchtbar. Es ist wirklich schlimm. [Während der Chemotherapie] in diesen Stühlen zu sitzen und zu sehen, wie die Leute kommen und gehen. Es ist sehr hart. Als der Arzt diagnostiziert hat, dass es Bauchspeicheldrüsenkrebs im fortgeschrittenen Stadium ist, wusste ich nicht ob ich sterben würde. [Aber] ich dachte ich würde sterben. Ich dachte, dass ich niemals ein Konzert zu diesem Album geben könnte. Denn ich dachte, das war es für mich.

Woran dachtest du als erstes?
Tja. „Das ist das letzte Album.“ Aber die Leute haben Recht, du musst jeden Tag neu angehen. Ich habe meine Mutter im März 2011 durch Krebs verloren. Und dann passierte das. So waren die letzten drei Jahre für mich.

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Wie kommst du mit diesen Herausforderungen zurecht?
Durch meine Musik. Die Musik und die Bühne. Sogar als meine Mutter starb, war ich in der Lage auf die Bühne zu gehen und zu spielen. Dabei wusste ich, dass sie am Morgen gestorben war. Aber ich musste es einfach tun. Die Musik gibt mir einfach so viel. Wenn ich da draußen bin und das Lachen auf den Gesichtern der Leute sehe… Ich habe gestern mit einem Mann aus Italien gesprochen und er hat mir erzählt, wie sehr mich die Leute dort mögen. Und sie wissen von meiner Krankheit und haben sehr geweint. Ich weinte also ebenfalls, während der Interviewer mir sagte, wie wichtig ich den Leuten in Italien bin. Und ich weiß, dass die Hälfte von ihnen nicht einmal versteht, was ich singe. Aber sie verstehen die Musik und die Art. Und ich glaube, das ist es, wofür ich so hart gearbeitet habe. Das war mein Ziel. Und mein nächstes Ziel ist, dass die Leute erkennen, dass Soul-Musik die Gegenwart ist. Soul-Musik ist nicht ’69 oder ’70 gestorben. Wenn ich mir die American Music Awards ansehe und sehe, dass Taylor Swift und Justin Timberlake die R'n'B- und Soul-Kategorien gewinnen, frage ich mich „Was?“ Ich will damit nicht sagen, dass R'n'B und Soul den Schwarzen gehören. Damit hat das nichts zu tun. Aber das sind Pop-Sänger. Sie sind tolle Sänger und machte einen tollen Job, aber Taylor Swift ist eine Pop-Sängerin. Und dann gibt es Leute wie mich und Charles Bradley. Nur weil wir unabhängig und unbekannter sind, werden wir dort nicht einmal beachtet. Das Ziel ist, als Soul-Sängerin beachtet zu werden. Und wir arbeiten so hart. Nenn mich nicht Retro, an mir ist nichts Retro. Ich bin eine Soul-Sängerin.

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Ein Interviewer sagte mal zu mir: „Weißt du, Sharon, wenn du ein weißes Mädchen wärst, dann hättest du als Soul Sängerin wahrscheinlich ein besseres Standing.“

Was hältst du davon?
Naja, er hat recht. Ich will solche Sachen eigentlich nicht sagen: „Weil ich schwarz bin.“ (lacht) Die Leute würden sagen: „Oh, sie macht das nur an ihrer Hautfarbe fest.“ Aber es ist die Wahrheit. Wäre ich ein weißes Mädchen und hätte die gleiche Geschichte, dann wäre das eine ganz andere Sache. Aber weißt du was, darüber mache ich mir keine Gedanken, so denke ich nicht. Gott hat mir eine Gabe gegeben. Und darum mache ich genau das, was ich jetzt mache. Dass mich meine Fans so sehen, ist eine weitere Probe in meinem Leben. Ich bin krank. So ist es nun mal. Das kann ich nicht verstecken. Warum sollte ich es auch verstecken? Ich denke, je mehr ich das mit meinen Fans teile, desto ehrlicher bin ich und sie sehen, was ich durchmache und können mich verstehen. Und sie sehen, dass ich keine Heuchlerin bin. Wenn ich es für das Geld machen würde, hätte ich schon längst versucht den Mainstream zu erreichen und meine Musik verändert, sodass wir Millionen Platten verkaufen könnten.

Ich weiß, dass es das ist, was ich tun soll. Und ich weiß, dass mehr Leute unsere Musik hören müssen. Und das ist es was ich sagen will: Diese Awards müssen, ohne jemanden schlecht zu machen, Independent-Labels anerkennen. Wenn du das Radio anmachst, hörst du den gleichen Song 25 Mal am Tag. Aber warum spielen sie nicht Songs von 25 unterschiedlichen Leuten, statt einen Song 25 Mal zu spielen?

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Absolut.
Jetzt hast du mich aber ganz schön in Fahrt gebracht. (lacht)

Du bist immer noch in der Chemo, richtig?
Oh ja, ich bin gerade in der Chemo. Das ist der Grund, warum ich die letzten Tage im Bett verbracht habe. Da ich zu wenig weiße Blutkörper gebildet habe. Ich musste an die Nadel. Das ist also noch nicht vorbei. Und wenn ich in meinen Kalender schaue und sehe, was da alles geplant ist, bekomme ich Angst. Ich sage dir, wenn ich heute Nacht irgendwo auftreten sollte, ich könnte es nicht. Aber ich weiß, dass ich in ein paar Wochen—oder im Februar—dazu in der Lage sein werde. Die Chemo geht bis zum 31. Dezember. Anschließend wird mein Körper anfangen, sich selbst zu heilen. Und ich muss noch zum Arzt gehen, damit er mir diesen Port aus meiner Brust entfernt, bevor ich auf Tour gehe.

Ich habe meinen Auftritt in der Jimmy Fallon-Show im Januar. Das sollte eigentlich schon im August stattfinden, aber wir haben es verlegt. Wenn es soweit ist und ich noch nicht bereit bin, dann muss ich einfach nur sagen: „Hey, ich bin noch nicht soweit.“ Aber in meinem Herzen, meinem Glauben und durch die Energie, die mir die Fans geschickt haben, werde ich bereit sein. Und ich weiß, dass meine Fans bereit für mich sind. Was auch immer ich auf die Bühne bringe, sie sind bereit.

Ich kann mir vorstellen, dass da sehr viel Aufregung im Spiel ist—gepaart mit Angst.
Ja. Und soll ich dir etwas sagen? Wenn ich krank und niedergeschlagen bin, dann bin ich nicht glücklich. Ich kann keine Musik hören, ich kann mich nicht konzentrieren. Aber wenn sich das Ganze legt, werde ich meine Songs üben. Ich fange mit einem Song pro Tag an. Fünf von zehn Songs sitzen schon, aber ich muss es noch perfektionieren. Und die anderen muss ich noch lernen. Bis ich auf diese Bühne gehe und mich verändere, werde ich die Songs nicht fühlen können. Und ich weiß, dass ich noch viel vor mir habe. Und das ist das Beängstigende daran, denn in all den 18 oder 19 Jahren, die ich das jetzt mache, hat nie jemand etwas über meinen Terminkalender gesagt und auf einmal sagen alle: “Wow, guck dir den Terminkalender an.“ Ich sage dann nur: „Du weißt, dass ich das die letzten 18 Jahre oder so genauso gemacht habe, oder? Und niemand hat bis jetzt irgendetwas über meinen Terminkalender gesagt?“ Weißt du, was ich meine? Ich werde also schon damit klar kommen. Ich werde vielleicht nicht zu 110 Prozent fit sein bei den ersten Shows. Aber tief im Herzen weiß ich, dass ich in Ordnung sein werde.

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Was hast du in den letzten drei Jahren über dich selbst gelernt und wie hat sich das in deiner Kunst wiedergespiegelt?
Ich weiß, dass ich nicht sofort wieder so wie vorher sein werde. Wenn ich zurück bin, dann weiß ich, dass es nicht aufgrund meines Aussehens ist und das ist mir wichtig. Ich werde eine Glatze haben und ich werde keine Perücke tragen, nur um wieder so auszusehen wir vorher. Ich werde keine engen, glitzernden Kleider tragen, wenn ich wieder auf der Bühne stehe, denn das ist die alte Sharon. Wenn meine Haare wieder da sind, werde ich die Kleider wieder anziehen. Denn das war Teil meines Auftritts, wie man sich anzieht und sich gibt. All das ist ein Teil von dir. Ich würde den Leuten sagen: „Ja, ich bin Sharon Jones.“ Aber wenn ich auf der Bühne war, war ich Ms. Sharon Jones. Verstehst du?

Ja.
Die Kleidung, die Haare. Alles, was ich angezogen habe. Wie mein Make-Up aussah. Das war Teil meiner Show. Das war ein Teil von mir. Aber wenn ich jetzt in den Spiegel sehe, bin ich manchmal traurig. Ich weiß, die Leute sagen: „Du bist immer noch schön. Das bist du.“ Aber ich will meine Haare zurück. Ich will das. Ich will meine Fröhlichkeit. Ich will, was ich hatte, bevor ich von der Bühne ging. Aber ich weiß auch, dass ich das noch in mir drin habe. Und dass es am Anfang nur ein bisschen schwierig sein wird. Also kann ich im Moment einfach nicht dorthin zurück, wo ich mal war. Aber ich werde mir meinen Weg dahin zurück kämpfen. Und ganz egal, wie weit ich es schaffe und wo es zu Ende ist, ich werde immer noch Sharon sein. Und darum lasse ich meine Fans daran teilhaben. Ich will, dass sie sehen, was ich durchmache. Und deshalb schätze ich es, mit dir zu sprechen, damit du aufschreiben kannst, was ich gerade fühle. Denn wenn du mir die gleiche Frage in einem Monat stellen würdest, wäre die Antwort anders. Im Moment ist mein Ziel, die Fröhlichkeit zurückzugewinnen, die Unbeschwertheit. Und die Freude, auf der Bühne zu stehen. Das alles muss erst mal zurückkommen. Freude ist das wichtigste. Ich habe schon viel erlebt. Du musst fröhlich sein. Du musst das Gefühl haben, etwas getan zu haben in deinem Leben. Und ich denke das ist etwas, was wir in den Jahren erreicht haben.

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Hast du Angst vor dem Tod?
Weißt du was? Ich denke, jeder könnte sagen, dass er das nicht hat. Natürlich habe ich Angst vor dem Tod—besonders in so einem frühen Alter. Und ich weiß, dass ich noch andere Leute als meine Mutter verlieren werde. Wir sind nicht hier, um für immer zu leben. Wenn der Arzt mir gesagt hätte „Du hast nur noch ein paar Monate zu leben…“, weiß ich nicht, was ich getan hätte, aber ich hätte damit umgehen können. Ich hätte damit umgehen müssen. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, mir mein Leben zu nehmen oder so. Denn so wurde ich durch die Kirche nicht erzogen. Und das weiß ich in meinem Herzen. Alles worüber ich mir Gedanken machen würde, wäre meine Verbindung zu Gott. Ich würde sicherstellen, dass meine Seele Frieden gefunden hat, bevor ich die Erde verlasse. Es gibt den Himmel und die Hölle und niemand möchte in der Hölle landen. Ich weiß, dass ich es nicht will. Und ich habe mein Leben so gelebt, dass ich weiß, dass ich nicht in der Hölle landen werde. Und ich habe genug Vertrauen, um daran zu glauben. Also ja, ich habe Angst vor dem Tod. Aber wenn er mir begegnet, dann weiß ich, dass es passiert und ich damit fertig werden muss.

Hat sich diese Sicht im Vergleich zu der Zeit, als du keinen Krebs hattest, geändert?
Naja, schon. Denn wie du schon sagst, du nimmst immer das Schlechteste an. Und am Anfang haben sie mir gesagt, dass es nicht so schlimm wäre. Aber wenn sie ins Detail gehen, dann denkst du dir: „Oh oh.“ Da habe ich gesagt: „OK. Alles klar, ich bereite mich darauf vor zu sterben. Wir alle werden sterben, man hat nur begrenzt Zeit.“ Dann aber wurde mir gesagt: „Es ist OK, aber du musst da jetzt durch.“ Also habe ich diese Belastung und die Beschwerden auf mich genommen. Es ist nur so, dass da ein riesiger Klotz in meinem Weg liegt. Und ich muss da drüber kommen. Ich werde nicht außen rum gehen. Und das ist ein weiteres Kapitel in meinem Leben, weißt du?

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Absolut.
Und sobald ich wusste, dass ich nicht sterben werde, musste ich weiterleben. Verstehst du, was ich meine? Ich muss jetzt leben. Ich werde gesund, ich werde hier wieder rauskommen. Und was ich machen werde, ist, auf die Bühne gehen und meine Musik machen. Das ist mein Glück. Das ist es, wo ich meine Freude auslebe. Den Leuten gefällt das. Genau das werde ich machen. Und damit hat mich Gott gesegnet.

Hat sich dein Verhältnis zu Religion während der Behandlung verändert? Wie?
Ja, das hat es. Die Pastorin in meiner Kirche hat mir etwas vor Augen geführt. Sie hat gesagt: „Weißt du Sharon, all deine Arbeit, die du über die Jahre geleistet hast, alles, was du für Gott getan hast, dein Glauben, dein Vertrauen. Das war ein Kredit, der sich jetzt auszahlt, in deinem Herzen—all das Gute.“ Und ich sagte nur: „Wow. Danke, Pastorin.“ Also ja. Es hat mich verändert. Und es hat meinen Glauben nur noch stärker gemacht. Manche Leute denken, wenn du nicht jeden Tag in die Kirche gehst und immer eine Bibel unter dem Arm hast, machst du es nicht richtig. Und da ich Musik mache, denken manche Leute in der Kirche, ich würde es mir einfach machen und mich nicht festlegen. Und ich sage ihnen: „Nein, das tue ich. Ich tue genau das, womit Gott mich beschenkt hat und das ist Singen.“ Genauso wie du von Neun bis Fünf deinen Job machst und jeden Sonntag in die Kirche gehst. Das ist mein Job. Das ist der Job, den Gott mir gegeben hat. Ich gebe meinen zehnten Teil ab, wenn ich ihn habe. Ich mache immer noch, was ich tun muss. Und das Wichtigste ist mein Vertrauen in die Kirche, zu Gott und zu Jesus. Und ich denke, man sollte Leute so behandeln, wie man selber behandelt werden will. Du musst nicht rund um die Uhr in der Kirche sitzen, die Bibel lesen und studieren. Aber so lange du sie kennst und es verinnerlicht hast und du eine Beziehung zu Gott hast… Ich weiß, dass es Atheisten da draußen gibt. Aber hey, ich sage, was ich sagen muss, wenn sie sprechen. Ich werde zwar nicht verunglimpfen, was sie denken, aber ich weiß, was ich habe und das kann mir niemand nehmen. Niemand kann das von Gott nehmen.

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Wechseln wir das Thema; als eine schwarze Frau, die die Veränderungen der Kultur und der Beziehung zwischen Schwarz und Weiß in den letzte zwei Jahrzehnten beobachtet hat, was sind deine Gedanken über die momentane Situation in der Musik—zum Beispiel wenn Kanye West Songs wie „New Slaves“ macht.
Weißt du was? Manchmal musst du wirklich aufpassen, wie du Dinge über Leute sagst. Also, Kanye West. Ich glaube, der junge Mann ist sehr durcheinander, seit seine Mutter gestorben ist. Die Leute wissen nicht, was für eine Beziehung er zu seiner Mutter hatte und tief in ihm gibt es diese chemische Ungleichheit, die Leute, die ihre Mutter verloren haben, fühlen, weißt du?

Ich bin ehrlich. Das sieht man einigen Leuten an. Auch wenn er die ganze Zeit erzählt, wie viel Geld er verdient—es gibt da immer noch etwas, das passiert ist, als er seine Mutter verloren hat. Und jetzt hat er all dieses Geld und diese Macht und denkt, dass er tatsächlich das Beste auf der Welt ist. Niemand kann ihm das Wasser reichen. Er hält sich für Gott. Das ist seine Meinung. Ich kenne sein persönliches Leben nicht, ich weiß nicht, was er durchgemacht hat. Und seine Wahrnehmung von Sklaverei höre ich mir nicht an. Um ehrlich zu sein, ich höre seine Musik nicht. Aber die Tatsache ist, wenn ich ein weißes Mädchen wäre, hätte ich früher Beachtung bekommen, nicht erst nach 18 oder 19 Jahren.

Als ich aufwuchs gab es immer noch diese Rassentrennung. Ich habe mitbekommen, dass ich nicht an einen Brunnen gehen und trinken konnte, da dort entweder „Weiß“ oder „Schwarz“ draufstand. Ich musste das mit ansehen. Ich habe es überstanden, in den 60ern auf der DeKalb Avenue zu wohnen. Ich habe Martin Luther King die Straße runterkommen sehen. Damals durften schwarze Leute nicht einmal auf Albumcover. Und als sie angefangen haben, schwarze Leute auf die Cover zu drucken, haben die Männer dominiert. Und dann kamen die Frauen. Und jetzt verkaufen diese sich mit ihrem Sexappeal. Ich habe gesehen, wie Männer angefangen haben, statt schönen Anzügen enge Hosen zu tragen. Aus Afro-Frisuren wurden Locken. Ich habe Michael Jackson beobachtet. Ich habe gesehen, wie diese jungen Männer von Soul-Sängern zu Pop-Sängern wurden. Ich hab gesehen, wie sich das ganze Musikgeschäft verändert hat. Beyonce kam. Aaliyah kam. Und jeder will wie jemand anderes sein. Jeder will so klingen, wie diese andere Person klingt. Wir haben eine neue Mariah Carrey. Wir haben eine neue Beyonce. Wir haben einen neuen irgendjemanden. Warum kann nicht einfach ein Sänger oder eine Sängerin kommen und einfach singen?

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Ich sehe also all das. Beyonce ist mittlerweile groß. Sie hat Talent. Sie nutzt ihre Bekanntheit. Sie ist eine Geschäftsfrau. Sie macht immer mehr Geld. Aber wie viel mehr Geld? Wie viele Millionen? Die Leute verändern sich. Ich bete, dass ich soviel Geld bekommen kann. Denn ich verstehe nicht, wie es Leute geben kann, die so viel Geld verdienen. Es gibt arme Leute, die nicht einmal ein Zuhause haben. Wie kann also eine Person … du wirst niemals so viel Geld ausgeben können. Warum machst du nicht wirklich etwas? Denn ich denke, das ist der Grund, aus dem uns Gott solche Sachen gibt. Wenn du etwas bekommst, solltest du den Leuten helfen, die nicht so viel haben. Das ist nur normal. Ich mache das. Ich habe das mein ganzes Leben lang getan. Und ich kann es nicht abwarten, in einer besseren Position zu sein, um noch mehr zu tun.

Jeder dort draußen kann seine Meinung haben. Es redet zum Beispiel jeder über dieses Mädchen Miley Cyrus. Ich denke, dass sie eine tolle junge Frau ist, die durch Disney bekannt geworden ist und gut darin ist, was sie macht—aber jetzt so rebellisch zu sein, ist in meinen Augen nicht besonders schlau. Doch sie verkauft viele Platten. Sie ist eine der bekanntesten Leute in diesem Jahr. Aber welche Botschaft vermittelt sie anderen jungen Frauen? Geh raus, zieh dich aus, streck deine Zunge raus und rede über Drogen? Nimm Drogen und du wirst Geld verdienen? Also bitte.

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Wie wirkt sich das alles—das Geschäft, das Geld, alles was du beschrieben hast—auf die tatsächliche Kunst aus?
Das wirkt sich sehr stark auf die Musik aus, sieh dir nur mal an, worüber diese Leute singen. Hör dir mal in Ruhe die Texte zu den Songs von Beyonce an. Oder die Texte von Kanye. Sie singen nicht darüber, wie viel Geld sie haben, sie singen darüber, wie gut es ihnen geht. Wie sie jemanden flachlegen können. Oder wie viele Autos sie haben. Wie viel sie davon und hiervon haben. Und wenn man sich die Rapper anguckt, ist jede Frau eine Schlampe, eine Nutte und dies und das. Du willst nicht, dass irgendjemand das N-Wort zu dir sagt, benutzt es aber 25 Mal in jedem Song? Deswegen höre ich keinen Rap. Ich hasse dieses Wort. Sie haben damals nicht gelebt. Sie wissen nicht, was es bedeutet, wenn dich jemand so genannt hat. Ernsthaft. Und du benutzt es einfach so, als ob es Teil deiner Sprache wäre. Du hast keine Ahnung. Sieh dir Leute wie Nelson Mandela an. Dieser Mann hat 27 Jahre im Gefängnis verbracht und alles, was er wollte, war Frieden und dass schwarze Leute wählen gehen können. Eine schwarze Person ist ein menschliches Wesen, kein Tier.

Diese jungen Leute mit ihren viel zu weiten Klamotten. Die haben keinen Respekt. Und sie leben in den ärmsten Gegenden, aber versuchen Schuhe, wie Kanye oder andere berühmte Leute sie haben, zu kaufen. Sachen für 150 oder 200 Dollar. Statt etwas zurückzugeben, machen diese Stars solche Produkte auch noch selbst. Sie sollten in die Gegenden der Schwarzen kommen, damit die Leute dort sie auch sehen können und die Produkte billiger verkaufen, damit die jungen Leute nicht anderen Leuten den Schädel einschlagen und das Geld stehlen müssen, nur damit sie ein Paar 250 Dollar teure Schuhe tragen können, die ihre Mutter sich nicht leisten kann.

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Hast du das Tour-Merchandise von Kanye gesehen?
Nein, habe ich nicht.

Es ist ziemlich radikal. Er benutzt die Flagge der Konföderierten Staaten.
Ach quatsch. Er hat doch keine Ahnung, was diese Konföderation ist. Ich meine, ich komme aus dem Süden, daher weiß ich auch, was diese Südstaatenflagge bedeutet. Er weiß nicht, dass sie bedeutete, dass man in einem Restaurant mit den Worten „Hau ab hier, Nigger, wir bedienen dich nicht“ oder „Wir wollen dich hier nicht haben“ verscheucht wurde. Und wenn du nicht gehst, hängen sie dich am nächsten Baum auf. Er hat keine Ahnung, was das bedeutet. Sie bedeutete, dass du wertlos warst für sie. Kanye ist verrückt.

Ich denke, sein Argument war, dass er ihr eine andere Bedeutung zuweisen will.
Und die Leute kaufen ihm das ab. Sie sind auch dämlich. Weißt du was? Es wird da draußen jemanden geben, der das nachmacht. Es wird hunderte geben, tausende. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich denke, eines Tages wird er abstürzen und sich selbst etwas antun oder jemand anderes tut ihm etwas. Es ist einfach verrückt. Aber das ist genau das, was ich meinte, über Geld und Ruhm, wie es die Leute verändert. All diese Musiker streiten sich. Sie machen einfach weiter. Es ist so dumm. Es gibt genug Musik und genug Leute und es gibt genug für jeden. Warum muss man die anderen runtermachen, um Erfolg zu haben? Sogar ich mache das gerade. Ich will Kanye nicht runtermachen. Wenn mir etwas nicht gefällt, kaufe ich es nicht. Ich höre es mir nicht an. Mit mir ist es das gleiche. Wenn jemandem meine Sachen nicht gefallen, soll er sie nicht kaufen. Hör es dir nicht an, aber fang nicht an, irgendwelchen Mist zu erzählen und es niederzumachen. Kanye ist ein Spinner und er wird merken, was läuft und was nicht. Ich würde nie ein T-Shirt von ihm kaufen. Aber es wird genug geben, die das tun.

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Eric Sundermann ist leitender Redakteur bei Noisey US. Er ist bei Twitter — @ericsundy

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