Auf eine Partie Scrabble mit Morlockk Dilemma

Anfang 2015 ist Morlockk Dilemma auf Platz 1 gegangen. Das mögen einige nicht mitgbekommen haben, es handelte sich schließlich nicht um eine übliche Erst-Platzierung in den deutschen Album Charts. Morlockk Dilemma ist aber auch kein üblicher Rapper. Nicht zuletzt weil er diesen einen ersten Platz in dem Ranking des Jugendsenders des Bayrischen Rundfunks Puls belegte, in dem Rapper nach der Größe ihres Wortschatzes bewertet wurden. Es stellte sich heraus, dass Morlockk Dilemma in seinen Texten ein größeres Repertoire an Worten vorzuweisen hat als Deutschlands lyrisches gutes Gewissen Johann Wolfgang von Goethe höchstpersönlich.

Es war also an der Zeit, das Können des Battle-Poeten auf die Probe zu stellen—nicht etwa im Rap-Battle, das kann ja jeder und wir sowieso, sondern natürlich bei einer Partie Scrabble. Neben delikaten Wortkreationen, die Goethe ins Schwitzen gebracht hätten, entstand darüber hinaus ein Gespräch über das am 11. September erscheinende Mixtape Der Eiserne Besen II, den Kitsch von Liebesliedern und die große Kunst des Punchline-Schmiedens.

Noisey: Bist du ein schlechter Verlierer?
Morlockk Dilemma: Ich habe meine Freundin, die ich wirklich geliebt habe, beim Mensch ärger dich nicht-Spielen das erste Mal als Fotze beschimpft. Und da habe ich mich direkt, während ich das gesagt habe, schon selber gefragt, was eigentlich mit mir los ist.

Na, dann kann das ja nur gut werden. Wer fängt an?
Ladies first.

(Er hält mir den Sack mit den Buchstaben hin, bevor er selbst hineingreift. Nach kurzem Überlegen und Diskutieren über die Spielregeln, von denen beide wenig Ahnung haben, fängt Morlockk Dilemma an.)

Morlockk: Ich lege dann schon mal mein erstes Wort. Ich habe nämlich ein gutes Händchen für…

(legt das Wort „Huren“ auf das Feld).

Das ist so HipHop von dir. Von jemand, der angeblich einen größeren Wortschatz als Goethe besitzt, hätte man jetzt vielleicht etwas mit mehr Substanz erwartet.
Aber Goethe hat ja auch nach dem Essen gesagt: „Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmeckt?“ Ach nein, das war Luther. Ich habe auch schon das nächste.

Bier?

(Es ist leider nur „bei“).

Nun ja, wie fühlt man sich denn als der Bezwinger Goethes?
Ach Blödsinn, das muss man alles in den Kontext setzen. Ich habe mich dazu natürlich erkundigt, weil ich mir das nicht vorstellen konnte. Ich kleiner Ossi-Junge werde jetzt hier so belobigt! Vor allem habe ich mich natürlich gefragt, warum so viele geschätzte Kollegen da nicht aufgetaucht sind. Es ist so: Die haben dazu nur die Texte aus Faust I und II einbezogen, nicht Goethes Gesamtwerk. Bei den Rappern wiederum musste eine gewisse Wortanzahl vorhanden sein, um berücksichtigt zu werden. Wer also noch nicht so viel releast hat, tauchte da nicht auf. Lange Rede, kurzer Sinn: Das hat das Ganze relativiert. Ist ein netter Gag, den man mal auf Facebook postet, aber nichts, was mich besonders adelt.

Hast du denn schon Gedichte geschrieben?
Also nicht, sofern ich nicht in der Schule dazu gezwungen wurde. Aber ich erinnere mich—das hat man damals noch nicht battlen genannt—aber so jemanden runterzuputzen und das in Reime zu verpacken, das habe ich schon in der Grundschule gemacht.

Keine netten Gedichte? Für Mädchen oder so?
Nein. Also einmal so ein Geburtstagslied. Das war also nicht so schleimig und schmalzig.

Ist es denn schleimig und schmalzig, für Mädchen Lieder zu schreiben?
Kommt drauf an. Liebe ist ja so ein Thema, das immer aktuell bleibt. Es wäre also dumm zu sagen, Liebeslieder wären schwul (allgemeines Gekicher). Aber es gibt schon ganz furchtbare Liebeslieder. Die sind teilweise sogar sehr erfolgreich und das sagt wohl einiges aus über mein Menschenbild.

Warum ist das so?
Weil Menschen denken, dass Liebeslieder so zu klingen haben. Man hat da so ein kitschiges Klischeebild im Kopf, so Sachen wie „Wir laufen bei Mondschein und ich hab ne rote Rose“.

Wie würde denn ein Liebeslied von Morlockk Dilemma klingen?
Ich habe ja tatsächlich schon mal einen Song für die AK 47, die Lady unter den Massenvernichtungswaffen gemacht (allgemeines Gelächter). Ich habe auch eine Ode an die Frau geschrieben, in der es im weitesten Sinne um Liebe geht. Immer wenn ich mir Frauen so wundervoll vorstelle, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie auch…

…so scheiße sein können?
Nein, dass sie auch scheißen. Dann stelle ich immer fest, dass sie genauso schmutzig und verachtenswert sind wie Männer.

„Schmutzig und Verachtenswert“—Das ist wirklich kein klischeehaftes Liebeslied.
Ja, was man lieben kann, muss man auch verachten. Wo Licht ist, ist auch Schatten.

(Er legt „Tunte“ aufs Brett.)

Bei Worten wie „schmutzig“ oder „verachtenswert“ in Bezug auf Liebe: Wie wichtig ist dir Sprache? Oder ein kreativer Gebrauch von Sprache?
Ich rede im Alltag nicht geschwollener als jeder andere auch. Ich finde es schon wichtig, bei gewissen Themen in Raptexten viele Worte zu benutzen und vor allem nicht immer dieselben. Das ist eben das Metier. Wenn du Rapper bist, dann arbeitest du mit Worten, dann solltest du auch—um jetzt mal bei so einem Handwerker Vokabular zu bleiben—ziemlich viele Werkzeuge besitzen und sie auch beherrschen können. Nicht immer alles nur mit einem Hammer beklöppeln. Es kommt auch auf das Thema an. Ich finde, bei Battle-Texten muss es jetzt keine hochgestochene Sprache sein. Ich habe ja auch ein Battlerap-Album gemacht und da war es mir nicht wichtig, dass sich jeder Satz wie ein Gedicht lesen sollte. Da geht es um andere Qualitäten, indem man Wortspiele einbaut und Bilder baut.

(Legt das Wort „Seenot“.)

Gibt es eine Lieblingspunchline?
Oh, das werde ich oft gefragt, das ist schwierig zu sagen.

Ein Vater liebt jedes seiner Kinder gleich viel?
Das ist eine gute Punchline! Nee, ich habe keine. Ich hatte jetzt eine Phase, wo ich sehr viel geschrieben und produziert habe. Ich habe für das Album viel mit Reimketten gespielt und bis auf zwei Tracks zum Beispiel auch alles selbst produziert. Ich bin da in diesem Nerd-Ding drin. Ich kann mir stundenlang Reimketten einfallen lassen, so wie jetzt auch auf der Der Eiserne Besen II, da geht es weniger um Inhalt. Das ist ein reines Battlerap-Album. Am Ende waren auch ganz viele Sachen dabei, die ich sehr lustig fand, wenn ich was getrunken hatte, und das war ja auch so der Auftrag: es sollte so ein richtig verballertes Ding werden. Ein Battlerap-Epos in 80 Minuten Länge.

Ein Epos mit Mixtape Flavour?
Ja, es soll schon so einen Flow haben wie ein Mixtape, aber nicht im Sinne der Kurzlebigkeit von Mixtapes. Die haben ja immer so eine minderwertige Wirkung und dafür habe ich viel zu lang daran gesessen. Ich habe viel mehr ausproduziert, deswegen hört es sich für mich mehr wie ein Batllerap-Album an.

(Nach sehr langem Überlegen und ein paar Schlücken Wein auf beiden Seiten legt Morlockk Dilemma das Wort „Hit“)

Alkohol macht das Spiel irgendwie noch schwieriger. Hilft er denn beim Musik machen?
Manchmal kann’s schon helfen, aber total besoffen geht nichts. Ich habe bei dem Album viele Hooklines betrunken geschrieben. Aber ich wollte ja auch albernen Scheiß haben.

(Er legt „Dissa“)

Tatsächlich gibt es beim Rappen auch Parallelen zum Scrabble, weil man auch immer mit Worten und Silben rumschieben und gucken muss, dass alles hinhaut. In dem Sinne ist Rappen auch ein ziemliches Nerd-Spiel, so wie Scrabble ja auch das Mutterspiel der Nerds ist. Oder wie ein Kreuzworträtsel. Am Ende geht alles auf.

(Und als ob es nicht passender sein könnte, ist das letzte Wort, das gelegt wird: „Ende“)

Der Eiserne Besen II erscheint am 11. September bei MOFO Airlines. Bestellt euch das Mixtape hier.

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