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Reptar ist wie die Mafia

Reptar sind so ziemlich das Gegenteil aller amerikanischen Klischees. Auch deshalb lieben wir sie.

Andrew und Ryan von Reptar. (Fotos Aljoscha Redenius)

Graham, William, Andrew und Ryan aus Athens, Georgia sind genau die Sorte Typen, an die man nicht denkt, wenn man mal wieder auf Amerika-Klischees herumreitet. Sie sind die Sorte von jungen Menschen, die nicht blind durch das Leben gehen, noch an echte Werte glauben und sich stundenlang über Politik unterhalten könnten, besonders über die im eigenen Land. Aber Reptar können noch ganz andere Sachen. Zum Beispiel können sie exzellent Zelda und Pacman spielen und haben auch sonst noch einige Nerd-Qualitäten, die wir sehr sympathisch finden. Wir haben uns mit Bassisten Ryan und Schlagzeuger Andrew in einem schattigen Hinterhof von Berlin getroffen und mit ihnen über Gott und die Welt gequatscht (Amerika haben wir aber ausgelassen, das hätte wohl zu lange gedauert). Und nur um euch schon mal vorzuwarnen, die Hälfte von dem, was ihr gleich lesen werdet, ist gelogen. Eventuell.

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Ryan: Kommst du von VICE?

Noisey: Im Prinzip ja.
Andrew: VICE war immer sehr nett zu uns.

Wir sind ja auch sehr nett.
Ryan: VICE war nice.

Auf eurer Show gestern habt ihr alle synchron geheadbangt. Sehr beeindruckend.
Andrew: Das haben wir heute schon öfter gehört.

Ihr könnte auf jeden Fall eine Sportdisziplin daraus machen: Synchron-Headbangen.
Ryan: Das werde ich auf jeden Fall dem olympischen Komitee vorlegen. Vielleicht können wir ja antreten. Aber ehrlich gesagt ist mir das bis gestern Abend noch nie aufgefallen. Ich glaube gestern sah das so extrem aus, weil die Bühne so klein war und William und ich direkt nebeneinander standen. Aber wir haben das definitiv nicht geübt.
Andrew: Wir mussten erst nach Deutschland kommen, um unser Headbangen synchronisieren zu können.

Eure Homepage gefällt mir sehr gut. Sie ist sehr futuristisch.
Ryan: Danke. Das Design basiert auf dem Windows-Betriebssystem von 1995. Wir wollen die Vergangenheit wieder in die Zukunft bringen.

Also verweigert ihr auch iPhones und das ganze Zeug, ja?
Andrew: Ja, absolut.
Ryan: Ich habe ein iPhone. Ich will nicht lügen, ich bin Apple-User.
Andrew: Wir müssen die Credits für die Homepage aber an unser Label in den USA geben. Sie haben ein Web-Designer, der die Idee dazu hatte. Und wir sagten nur „Ja, das klingt fantastisch“. Wir wollen das.
Ryan: Wir haben auch ein paar Ostereier auf der Seite versteckt.

Allerdings war ich von dem Spiel enttäuscht. Ich hab irgendein cooles Super Mario Spiel oder wenigstens Snake erwartet.
Andrew: Wir arbeiten daran.
Ryan: Geh in einem Monat nochmal auf die Seite.

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Was ist euer absolutes Lieblingsspiel auf dem Computer?
Andrew: Oh mein Gott, Zelda natürlich. Lass mich gar nicht erst davon anfangen.
Ryan: Er hat alle Zelda Spiele durchgespielt.
Andrew: Nein, habe ich nicht. Und es tut weh das zu sagen. Körperlich. In einer Band zu sein trägt nicht gerade dazu bei alle Zelda Spiele durchzuspielen. Aber eines Tages werde ich es schaffen.
Ryan: Ich bin mehr so der Puzzle-Typ, so etwas wie Bejewled. Wenn wir von Oldschool Spielen reden, muss ich sagen, dass ich ziemlich gut in Pacman bin. Miss Pacman ist auch cool. Es ist fast das Gleiche, aber hat mehr Handlung. Es wird schwieriger mit jedem Level. Und dann kommt ein Schnitt und man sieht Miss Pacman und Mister Pacman, wie sie sich ineinander verlieben. Und dann laufen sie zusammen vor den Geistern davon…
Andrew: …und dann küssen sie sich.Wir haben ganz offensichtlich viel Zeit in Bars verbracht.
Ryan: …in denen es Videospiele gab.

Sind in eurer Band vier oder fünf Mitglieder? Das ist ein bisschen verwirrend.
Ryan: Im Moment fünf. Vier von uns haben das letzte Album aufgenommen und diese vier sind auch die Gründungsmitglieder, quasi die Gründungsväter.
Andrew: Gründungsväter passt wohl besser.
Ryan: Das sind Graham und William, die gerade nicht hier sind, und wir zwei. Dann haben wir noch einen Gitarristen, der gerade mit uns auf Tour ist, namens Jace. Und dann gibt es noch jemanden, der nicht mit auf Tour ist. Poof Daughnty ist sein Name und er spielt Keyboard und Schlagzeug. Ursprünglich waren wir zu viert. Aber zu sagen, dass Jace kein Bandmitglied ist, wäre eine Lüge. Wir sind auch nicht auf vier Leute beschränkt. Wir haben eine große Familie und alle Familienmitglieder, die mit auf Tour gehen können, kommen mit. Wenn man einmal in der Familie ist, ist man immer in der Familie, ein bisschen wie bei der Mafia.
Andrew: Reptar ist in vielen Punkten wie die Mafia.
Ryan: Du kannst uns auch sagen, dass wir die Klappe halten sollen oder einfach gehen.

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Auf gar keinen Fall. Ihr habt was an die Berliner Mauer geschrieben, behauptet Facebook.
Ryan: Ich habe eine Nachricht drauf geschrieben. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich irgendwas mit Liebe…

Warst du besoffen oder warum kannst du dich nicht mehr erinnern?
Ryan: Es war schon spät. Ich war müde. Ich habe auch getrunken. Wir haben irgendwas geschrieben und mit Ratar unterschrieben. Unser englischer Tour-Managar nennt uns Ratar, weil er sagt, wir sind ein Haufen Ratten, die durch die Welt laufen und sie verschmutzen.
Andrew: Er liebt uns.
Ryan: Auf seine Art liebt er uns. Auf jeden Fall habe ich ein Herz auf die Berliner Mauer gemalt. Sehr kitschig.

Niedlich. Und du?
Andrew: Ich hab nichts drauf geschrieben.
Ryan: Aber er war sehr bewegt.

Von deinem Herzen?
Ryan: Ein bisschen, aber hauptsächlich von der Mauer und der Geschichte dazu. Es ist schon unglaublich, dass man dort stehen kann und daran denkt, wie radikal die ganze Welt und vor allem Berlin sich in den letzten 20 Jahren verändert hat.
Andrew: Ich hab mich nicht würdig genug gefühlt, etwas an die Mauer zu schreiben. Ich glaube nicht, dass ich fähig gewesen wäre zusammenzufassen, was ich in diesem Moment gefühlt habe.
Ryan: Eine Freundin von uns aus Athens, Georgia ist nach Berlin gezogen, um Au-Pair zu sein. Ihr Freund kommt aus Berlin und lebt schon sein ganzes Leben hier. Er hat uns erzählt, wie er im Kindergarten war und eines Tages der Boden wackelte. Alle sind auf die Straße gerannt, um zu sehen, was passiert. Die amerikanischen Panzer sind gerade von West-Berlin nach Ost-Berlin gefahren. Amerika unterstreicht den Frieden nämlich damit, dass sie einen Haufen Panzer in die Stadt stellen. Gut gemacht, Amerika.
Ryan: Lass uns nicht damit anfangen. Du wärst sonst noch den ganzen Tag da.
Andrew: Ja, ich kann sehr lange über Amerika reden. Lass uns das nicht tun.

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Ok, reden wir über Graham, der gerade nicht da ist. Er singt auf eine sehr spezielle Art und verzieht sein Gesicht dabei ziemlich stark.
Ryan: Als wir anfingen zu spielen, hatten wir immer nur Auftritte in Häusern. Dort gab es entweder keine Anlage oder ziemlich miese Anlagen. Damals waren wir auch noch nicht so konzentriert und jeder hat immer irgendein Zeug auf seinen Instrumenten gemacht. Wir haben ständig übereinander gespielt. Graham als Sänger musste natürlich ein bisschen mehr auf sich aufmerksam machen. Und dann hat er einfach seine Art zu singen entwickelt. Er denkt gar nicht darüber nach. Jeder Musiker hat seine Art zu spielen. Es gibt viele verschiedenen Techniken, Schlagzeug oder Gitarre oder sonst was zu spielen. Und wie Graham sein Gesicht bewegt ist einfach Teil seiner Technik. Das hat einen sehr drastischen und interessanten Effekt für seine Stimme.

Es ist sehr leidenschaftlich.
Ryan: Ja, ist es. Er ist auch ein sehr leidenschaftlicher Mann.
Andrew: Für uns als Band ist es auch sehr interessant, die Stimme als ein weiteres Instrument zu nutzen. Und zwar zusätzlich zu den Lyrics als musikalische Qualität. Ich weiß auch, dass er oft Texte schreibt und währenddessen daran denkt, wie sich die Wörter anhören könnten. Er denkt viel an die Phonetik. Es ist nicht so, dass er absichtlich diese Grimassen zieht, es ist einfach ein übertriebener musikalischer Weg zu singen.
Ryan: Ich hab mit ihm auch schon darüber geredet und es ist nichts, das er absichtlich durchziehen will. Manche Wörter spricht er eben so aus.

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Könnt ihr mir die Geschichte zu dem Lied „Sebastian“ erzählen?
Ryan: „Sebastian“ ist ein Lied über sexuelles Erwachen. Es geht darum, sich in jemanden zu verlieben, in den man sich eigentlich nicht verlieben sollte, wenn es nach der Gesellschaft geht. Es geht darum ein Mann zu sein, seine ersten Erfahrungen mit einem anderen Mann zu haben und zu merken, dass es dieses Element der Sexualität gibt. Ich persönlich denke, dass es in uns allen steckt, auch wenn man es nicht bemerkt. Sexualität ist eine sehr dynamische und unklare Sache, die sich in uns allen ständig verändert. Das Lied kam aus Grahams Frustration heraus, aus der Verwirrung und dem Hin und Her, was auch förmlich in der Musik zu hören ist. Alle Texte sind von Graham geschrieben und deswegen sind sie meistens direkt mit seinem Leben verknüpft. Das ist etwas, wo ich absolut mitfühlen kann. Ich weiß, dass es eine sehr weite sexuelle Diversifizierung gibt und das sehr frustrierend und verwirrend sein kann. Und die Gesellschaft macht es einem nicht leicht damit, vor allem die amerikanische Gesellschaft und vor allem die in Georgia.

Wir kommen schon wieder auf Amerika zu sprechen.
Ryan: Ich weiß, ich weiß. Themawechsel.

Wisst ihr, Reptar von The Rugrats kann sich in verschiedene Sachen verwandeln, z.B. in ein Boot. Dann ist er Wasser-Reptar.
Ryan: Wow. Das wusste ich nicht. Peinlich.
Andrew: Das zwingt mich definitiv dazu, mal wieder meine Kindheitserinnerungen aufzufrischen. Aber ich kann mich daran erinnern.

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Könnt ihr Reptar auch in irgendwas Cooles verwandeln?
Andrew: Ja, können wir. Weil wir so viel Zeit mit den gleichen Leuten verbringen, ist diese Band nicht nur eine Band. Manchmal verwandeln wir die Band in eine Supportgruppe für einander oder einfach in etwas viel Tieferes und Zwischenmenschlicheres. Reptar hat auf jeden Fall viele Gesichter, wenn man bedenkt, dass wir dauernd aufeinander sitzen.
Ryan: Wir verwandeln unsere Gruppe auch oft in Space-Reptar, wenn wir uns Astronomie-Podcasts im Auto anhören. Oder wir verwandeln uns zu Trinktar, das ein oder andere Mal. Wir sind alle jung, wir können nichts dafür. Vielleicht ist das ein Problem. Oh Mann, das klingt echt so, als hätten wir alle schrecklich Probleme.

Wie seid ihr denn zu eurem Plattenlabel Vagrant Records gekommen?
Ryan: Wir waren eigentlich total zufrieden damit, selber Musik zu machen und unser Ding so lange wie möglich durchzuziehen. Dann fingen wir an mit anderen Bands zusammenzuarbeiten und die Aufnahmen, die wir machten, klangen ziemlich gut. Aber so etwas benötigt eben viel Unterstützung von einem Label. Wir waren vor zwei Jahren beim SXSW und haben dort anscheinend viele Leute begeistert. Dabei haben wir nur das gemacht, was wir immer machen. Wir waren wohl sehr isoliert von jeglichem Hype, den wir hatten oder auch nicht hatten. Aber Vagrant Records hat uns dann beim SXSW gesehen und es hat ihnen gefallen.
Andrew: Das war auch ziemlich lustig, weil uns zu der Zeit verschiedene Labels beobachtet haben. Auch ein paar Major Labels, mit denen wir noch nie etwas zu tun hatten und auch nie werden. Vagrant, ein recht großes Independent Label, war dann ziemlich überrascht, als wir zu ihnen kamen. Sie meinten nur „Cool. Wir haben wirklich nicht erwartet, dass ihr euch überhaupt für uns interessiert.“
Ryan: Das gleiche ist auch bei Lucky Number, unserem UK-Label, passiert. Sie haben uns erzählt, dass sie auf unsere Konzerte gegangen sind und sie sahen so viele Leute von Sony und den anderen Labels.

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Und ihr würdet wirklich nie zu einem Major-Label gehen?
Ryan: Ich denke, wir haben viel lieber die Kontrolle über unser Leben, unsere Kunst und darüber, was wir tun. Und wenn das bedeutet, dass wir weniger Geld verdienen, dann ist das absolut ok. Mehr Geld bedeutet mehr Probleme.

Lügt ihr manchmal in Interviews?
Andrew: Nein, niemals.
Ryan: 50 % von dem, was wir gerade gesagt haben, war eine Lüge.

War das jetzt die Lüge?
Andrew: Ja.
Ryan: Jetzt erzeugen wir ein Paradoxon.

Ja, lass uns lieber aufhören. Danke euch!

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Reptars Body Faucet erscheint bei Lucky Number/Cooperative Music.
Für unser Foto haben sich Reptar übrigens noch in Natur-Reptar verwandelt.