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Interviews

Raf Camora und Chakuza scheißen auf Alles

So gut ‚Hoch 2’ und ‚Magnolia’ auch waren, eigentlich haben wir uns doch immer gewünscht, dass Raf und Chakuza mal wieder auf die Kacke hauen. Jetzt tun sie es.

2013 war ein gutes Jahr für Raf Camora und Chakuza. Raf knackte mit Hoch 2 die Spitze der Albumcharts und auch Chaks Magnolia wurde von Kritikern und Fans gleichermaßen akzeptiert. Der Schweiß und die Tränen, die die beiden Österreicher in ihre Projekte steckten, haben sich also gelohnt. Nach dem Album ist bekanntlich vor dem Album, doch was tun, wenn man gerade künstlerisch alles gegeben hat? Natürlich, erst mal eine Runde abspacken. Da Raf und Chakuza trotzdem Vollblutmusiker sind und beide es schon immer verstanden haben, raptechnisch gehörig in die Vollen zu gehen, war der Entschluss schnell gefasst, ein Streetalbum zu machen.

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Dass das gemeinsame Projekt Zodiak nicht mit Beats und Rapparts von der Resterampe bestückt war, dürfte jedem Rapfan klar sein. Schon die ersten Videoauskoppelungen bestätigten den Eindruck, dass Zodiak den musikalischen Mittelfinger herausholen, den man sich von Raf und Chakuza insgeheim immer gewünscht hat.

Noisey: Hättet ihr so ein Streetalbum wie Zodiak auch alleine machen können?
Chakuza: Ich glaube, Camora hätte es eher noch gemacht, aber ich auf jeden Fall nicht. Wir haben das aus einer reinen Laune heraus gemacht. Als wir ins Studio gegangen sind, wussten wir ja überhaupt nicht, was wir da zaubern. Nach ein paar Tagen und viel Alkohol sind wir dann in die spaßige Richtung abgerutscht, weil wir immer wahnsinniger geworden sind und nur noch Bock auf Spaß hatten.
Raf: Ich war in der Booth und habe gerappt, bis mir schwarz vor Augen geworden ist, weil ich mich so sehr in den Scheiß reingesteigert habe. Wir haben sowas jahrelang nicht gemacht—einfach nur zu rappen. Da sind teilweise Fehler drin. Für jemanden wie Chakuza und mich ist das krass, weil wir unsere Alben schon fast glatt gebügelt durchproduzieren.

Wie viel Mühe muss man sich bei einem „hingerotzten Album“ machen?
Chakuza: Das verstehen wir perfekt. Wir haben uns insofern Mühe gegeben, weil wir geile Rapparts hinlegen wollten. Am Ende bestand der Wettbewerb darin, wer die größere Scheiße erzählt.
Raf: Trotzdem haben wir uns bei der Produktion was gedacht und saßen da lang genug dran. Da sind Arrangements drin, da sind Breaks drin, das ist nicht wie bei einem Mixtape, bei dem richtig reudig nur ein Loop durchläuft.
Chakuza: Deswegen haben wir es über Skizzen oder Beats, die wir uns schnell runtergeladen haben, aufgenommen, um den Rotz beim Rappen beizubehalten und um es dann im Nachhinein auszuproduzieren.

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Habt ihr es zu zweit gemacht, um euch die Verantwortung zu teilen, falls das Projekt am Ende in die Hose geht?
Wenn wir gedacht hätten, dass es schlecht ist, dann hätten wir es ja nicht rausgebracht. Mittlerweile haben die Leute auch begriffen, worum es geht. Die dachten, wir würden das gleiche machen wie vorher, oder ich würde wieder meinen Style von früher fahren, aber das ist ja nicht so.
Raf: Andere Rapper machen ja nur sowas, und bei diesem Album würden sie auf ihre Musikalität gelobt werden. Trotzdem ist es rough und geil.

Aber warum gerade jetzt ein Streetalbum?
Raf: (überlegt) Um zwölf Uhr auf der Suche nach der Metapher des Todes: Das ist, wie wenn du Profiradfahrer bist und immer auf Zeit fährst, dann verlierst du irgendwann die Lust am Radfahren. Deswegen musst du auch mal in die Berge und BMX fahren.

Mir macht es auch mehr Spaß, ein Streetalbum von Leuten zu hören, die es auch anders können.
Chakuza: Es war uns wichtig, dass die Leute merken, dass es uns Spaß macht…
Raf: …aber auch, dass wir rappen können. Wir schrauben das bei unseren Albumproduktionen ja immer ein bisschen runter. Krasse Wie-Vergleiche oder Metaphern würden bei einem 3.0-Album einfach nicht reinpassen. Aber so etwas ist auch spannend. Die Künstler, die ich immer gefeiert habe, waren die, die sich immer entwickelt haben. Wenn du acht Alben lang das Gleiche machst, dann wird es irgendwann stinklangweilig.

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Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Damals in Österreich gab es nur ein großes Tape, HipHop-Connection, und mit Tape meine ich Kassetten. Musik und Internet gab es nur in Form von Gästebüchern von diversen Bands. Nur durch das Tape konnte man erfahren, was in Österreich gerade geht. Für uns als Wiener Gruppe gab es nur das „Verbale Stylekollektiv“ aus Linz, bei denen wir dachten „Die sind geil, für die braucht man sich nicht zu schämen.“ Das waren damals DJ Stickle, Chakuza und Jay MC. Die hatten geile Beats und haben krass gerappt. Aber kennengelernt habe ich ihn erst 2005 bei einem Auftritt, als Chakuza schon bei Ersguterjunge war. Er hat uns sofort gefeiert und meinte, dass wir nicht mehr in Österreich rumeiern sollten. Das war wirklich eine richtige Zeitverschwendung.

War das die Zeit, als du mit Dreadlocks französischen Reggae gemacht hast?
Damals habe ich nur Hooks gemacht. Chakuza hat immer gesagt, ich wäre wie der deutsche Akon.
Chakuza: Die Hookschlampe.
Raf: (lacht) Genau, Captian Hook. Das war alles, was die Leute von mir wollten.

Und dann bist du nach Berlin.
Genau, ich hatte dann einen Kooperationsvertrag mit Beatlefield. Ich habe damals Beats für Chakuzas Alben gemacht. Die haben mir geholfen, mein Album rauszubringen.

Aber irgendwann habt ihr euch aus den Augen verloren?
Ja, aus einem dubiosen Grund, über den wir heute nicht mehr reden. (lacht) Nach zwei Jahren haben wir uns wieder getroffen und uns sehr gefreut. Da ging es mir und Chakuza auch besser, wie waren beide viel weniger gestresst und kopfgefickt als damals. Deswegen war diese Albumproduktion auch so einfach, weil die Dinge, die uns belastet haben, nicht mehr da sind.

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Wer hatte die Idee für das gemeinsame Projekt?
Chakuza: Er hatte sein Zeug draußen, ich hatte mein Zeug draußen. Dann dachte ich mir, was mache ich den ganzen Sommer? Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob wir nicht mal ein Mixtape machen wollten. Mein Label Four war da auch sofort dabei, was ich ihnen hoch anrechne.

Habt ihr den Namen Zodiak wegen des Films gewählt?
Raf: Ja, ganz einfach.
Chakuza: Er rief mich an und meinte: Ich habe den Namen—Zodiak! Alles klar, ist mir egal, mach einfach.
Raf: Ich wollte es zuerst „Yes, fi cken“ nennen. (lacht) Wir sollten ein Exclusive machen, oder ein T-Shirt mit „Yes, fi cken“ und unseren Gesichtern. Geil. Das muss ich mir aufschreiben.

Aber bei dem Namen Zodiak habt ihr euch nicht viel gedacht?
Nee, überhaupt nichts.

Hat eure österreichische Herkunft bei dem Projekt eine Bedeutung gehabt?
Chakuza: Bei mir hatte das nie eine Bedeutung, wo jemand herkommt. Wir sind ja auch beide schon extrem lange weg aus Österreich—nicht ohne Grund.

Warum eigentlich?
Raf: Wir haben natürlich viele Fans in Österreich und sind dort auch gut gechartet. Aber die Medien dort scheißen einen dicken Wiener Krapfen auf uns.

Wisst ihr, warum das so ist?
Chakuza: Weil HipHop da noch ziemlich Underground ist. Denen ist es auch zu schwierig, mit Leuten zu sprechen, die nicht aus einer Casting-Show stammen und denen man nicht den Mund verbieten kann.
Raf: Wenn du dort nicht mit irgendwem aus einer Drecks-Societyshow befreundet bist, dann berichten die auch nicht über dich. Aber wir wollen sowieso nicht in eine Dreckssociety-Show.

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Glaubt ihr, die sind sauer auf euch, weil ihr eure Musikkarrieren in Deutschland verfolgt habt?
Chakuza: Bei mir war das am Anfang voll das Thema.
Raf: Weil du damals auch viele gedisst hast mit sowas wie „Der Adler fliegt jetzt rückwärts“

Wie wird dann dort jemand wie Money Boy aufgenommen?
Chakuza: Ich glaube, mittlerweile hat jeder begriffen, dass der nicht echt ist.
Raf: Ist er nicht?
Chakuza: Ich glaube, dass er es am Anfang gespielt hat und die Rolle mittlerweile so vercrackt ist, dass er es sein Leben lang durchzieht. Das Projekt ist ein bisschen schiefgegangen.
Raf: Mein DJ war auch sein DJ und er meinte, dass er das nicht spielen würde.

Regt es euch auf, wenn so jemand in Österreich vielleicht bekannter ist als ihr?
Ich kann darüber lachen, aber anfangs habe ich mich ein bisschen über ihn geärgert. Und zwar aus folgendem Grund: HipHop wird noch immer verarscht. Viele Leute nehmen Deutschrap immer noch nicht ernst. Ein Money Boy verstärkt es, dass ein behinderter Oliver Pocher mit seinem „Jojojo“ ankommt. Wenn ich mir eine Eigentumswohnung kaufen will und der Typ, nachdem ich ihm sage, dass ich Rapper bin, mir „Jojojo“ sagt, habe ich Bock, ihm auf die Fresse zu hauen.

Wäre es schlimm für euch, wenn Zodiak viel erfolgreicher wird, als eure Solo-Projekte, bei denen ihr euch immer das Hirn zermartert?
Dann müssten wir für unsere ernsten Alben viel weniger Zeit investieren, also in einem Jahr sieben Alben machen und sie dann über sieben Jahre verteilen. (lacht) Aber mal im Ernst—durch Zodiak habe ich wieder Lust, etwas zu erschaffen, was es nicht gab. Ich will mich aber nicht hetzen, das sage ich jetzt offiziell. Ich will nicht in den nächsten zwölf Monaten releasen. Denn ich will was Großartiges schaffen, erst jetzt habe ich die Energie dazu gefunden.
Chakuza: Bei mir ist es genauso. Ich saß vor Zodiak wieder an meinem nächsten Album und es kam nur Scheiße raus. Ich war eingesperrt in mir selber und Zodiak hat das wieder weggewischt. Jetzt habe ich wieder Energie!

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