FYI.

This story is over 5 years old.

Interviews

Parkway Drive würden sich eine Kugel durch den Kopf jagen

Sänger Winston McCall spricht mit uns über die Folgen des Metalcore-Hypes der letzten Jahre.

Foto © Epitaph Records

Der Metalcore-Hype kam und ging. Doch wie ein weißer Hai seine Beute umrunden Parkway Drive aus Australien immer noch die Welt. Schon ihr 2005 veröffentlichtes Debüt Killing With A Smile wurde von Fans und Kritikern gebührend gefeiert und bescherte den Jungs die Flugtickets weg von der Insel. Die Bühnen wurden größer, die Touren länger, Alben wurden angekündigt und veröffentlicht. 2014 gehören Parkway Drive unbestreitbar zur Speerspitze des Hybrid-Genres.

Anzeige

Anlässlich ihrer Co-Headlining-Tour mit Heaven Shall Burn sind die Surfer von der Byron Bay auch in Berlin zum Kurzbesuch, eine perfekte Möglichkeit, sich mal mit Sänger Winston McCall zu unterhalten. Er sitzt mir im Backstage der Location gegenüber und ist nervös, ob heute Abend alles klappt. Die beiden Bands hätten sich nämlich ein paar Überraschungen einfallen lassen. Wenn er darüber redet, wirkt er wie ein Schuljunge vor seinem großen Streich und nicht wie der Typ, dessen Schreie deinen Brustkorb erzittern lassen. Wir reden über die Versuchung des Alkohols auf Tour, die Folgen des Metalcore-Hypes und natürlich das kommende Album, dass Parkway Drive neu definieren soll.

Noisey: Wir dürfen uns hier zurzeit über den Wintereinbruch freuen, während bei dir Zuhause in der Byron Bay Sommeranfang ist. Wie gut gehst du mit dem Heimweh um?
Winston McCall: Es nervt, das kann ich echt nicht leugnen. Aber selbst wenn dort gerade beschissenes Wetter wäre, hätte ich Heimweh. Das ist halt unser Zuhause. Auf der anderen Seite ist es natürlich trotzdem schön rauszukommen, coole Shows zu spielen und coole Menschen zu treffen. Das Heimweh wäre stärker, wenn uns die Leute wie Scheiße behandeln würden, aber glücklicherweise ist jeder freundlich.

Gab es denn schon mal eine Tour, wo ihr schlecht behandelt wurdet?
Nein, nein, Europa war schon immer fantastisch. Es gab andere Orte, die dagegen echt übel waren. Dann sitzt du echt da und denkst dir: „Fuck, warum tun wir uns das hier an?“ Schon auf unserer ersten Tour, als wir noch ein Haufen Loser-Kids ohne Geld waren, die auf dem Boden schliefen, haben uns die Leute in Europa mit Respekt und Liebe behandelt.

Anzeige

In jedem Backstage wartet ein Kühlschrank voller Bier auf euch. Wie schafft ihr es, euch nicht jeden Tag hemmungslos zu besaufen?
(lacht laut) Nun, ich habe seit dreizehn oder vierzehn Jahren kein Bier mehr getrunken. Für mich ist das also kein Problem. Ich hasse Bier, verdammt (lacht). Wenn du mein 16-jähriges Ich gefragt hättest, wäre das komplett anders. Ich würde innerhalb von 15 Minuten kotzend auf dem Boden liegen. Die anderen Jungs mussten Mäßigung auf die harte Tour lernen. Wir haben ein paar Tour-Geschichten über Körperkontrollverlust und Flüssigkeiten, die aus jeder verdammten Körperöffnung austreten (lacht). Auf der letzten Tour gab es ein paar krasse Nächte. Wir sind eigentlich keine wilde Band, doch einige hatten nach sechs Jahren Abstinenz wieder angefangen zu trinken. Als ob du Kindern dabei zusiehst, wie sie zum ersten Mal Alkohol probieren. Ich saß da, lachte sie aus und dachte: „Ihr verdammten Loser, ich werde euch morgen an jedes Detail erinnern“ (lacht).

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Warped Tour ein ungünstiger Ort ist, nüchtern zu bleiben.
Ja, wenn du es eigentlich genießt, besoffen zu sein, aber jetzt endlich mal klarkommen willst, ist das eine sehr harte Situation. Die Leute zwingen dich zwar nicht, aber die Tour-Rider in Europa sind krank. Eben so viel Alkohol wie du willst. Das ist fantastisch, wenn du damit umgehen kannst. Wir sind mit so vielen Bands getourt, die vorher meinten: „Mal schauen, ob wir die komplette Tour besoffen sein können“. Das kann sich aber schnell über einen Monat erstrecken. Nach ein paar Monaten siehst du die Typen wieder und die sind im Gesicht um zehn Jahre gealtert. Körperlich total abgefuckt. Das siehst du und denkst: „Wow, das passiert also, wenn du alles in dich reinkippst.“ Zum Glück war das nie ein Problem für mich.

Anzeige

Seit dem letzten Album Atlas sind inzwischen zwei Jahre vergangen. Im April hattet ihr einen Nachfolger für diesen Herbst angekündigt, was dann aber wieder auf nächstes Jahr verschoben wurde. Was war der Grund dafür?
Ich glaube, es gab nie eine richtige Ankündigung. Folgendes ist passiert: Wir haben ein paar Bilder von uns im Proberaum gepostet und gesagt, dass wir neue Songs schreiben. Daraufhin sind die Leute ausgerastet: „Die sind im Studio! Wann kommt die Platte? Gebt uns was zum Hören!“ Dabei hatten wir noch nichts aufgenommen. Das Schreiben geht aber sehr gut voran. Wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, wird das ein sehr interessantes Release.

Kannst du jetzt schon sagen, ob ihr den düsteren Stadion-Sound von Atlas weiterentwickeln werdet?
Es wird wie Parkway Drive klingen, aber es wird viel Kram geben, den du noch nie zuvor von uns gehört hast. Definitiv düster, aber wir wollen Charakteristiken, Variationen und Sounds in einer sehr viel größeren Reichweite einbringen als jemals zuvor. Die Unterschiede zwischen dem Weichen und dem Harten, dem Düsteren und dem Schweren werden auf dieser Platte nur eine kleine Distanz voneinander entfernt sein. Ich glaube, die Entwicklung von Killing With A Smile zu Atlas ist viel kleiner, als der Schritt von Atlas zu diesem Album.

Ihr habt die Formel des melodischen Metalcore mittlerweile nahezu perfektioniert, ohne Clean Vocals zu benutzen. Stand das nie zur Debatte?
Dankeschön (lacht). Die Idee kam uns nie wirklich in den Sinn. Auf dem neuen Album wird es aber andere Vocals geben. Ich würde das nicht Clean-Gesang nennen. Ich habe Instagram Fotos von mir gepostet, bei denen ich rumprobiert habe und sofort kamen die Leute: „Oh, Clean-Gesang, mach das nicht!“ Dabei wird niemand die Vocals erwarten, die auf der Platte zu hören sein werden. Wir versuchen definitiv einen einzigartigen Sound zu kreieren. Bei Atlas haben wir musikalisch alles erreicht, was wir im Rahmen von Metalcore erreichen konnten. Jetzt wollten wir Dinge probieren, die sich nicht mehr in dieses Konzept pressen lassen, eben auch gesanglich. Das wird… yeah (lacht). Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, ohne zu viel zu verraten. Nachher stehe ich im Studio, verkacke alles und klinge wie immer.

Anzeige

Ich werde es aber 2015 hören?
Ja, das ist der Plan. Ich weiß aber noch nicht genau, wann. Erst wenn wir sicher wissen, dass alles klappt, werden wir es ankündigen. 2015 steht aber.

Als ihr 2006 das erste Mal durch Deutschland getourt seid, wurde Metalcore noch total gehypt. Wenn du jetzt die Kids auf den Shows anschaust und mit den Leuten redest, was hat sich in der Szene in den letzten acht Jahren geändert?
Alles wurde größer. Wir waren 2006 gerade am Anfang der MySpace-Ära. Deswegen konnte Parkway Drive aus Australien auch in Europa touren. Wir kamen hierher, weil uns ein paar Leute auf MySpace gehört hatten. Jetzt sind so viele Menschen involviert, die nicht mal unbedingt aus diesen Szenen kommen müssen. Plötzlich gibt es Millionen von Bands, die gleich klingen. Jemand mixt Metal mit Hardcore, eine Band hört das, macht es nach und am Ende gibt es viel zu viele Bands die eine Imitation der Imitation sind. Die Originalität der Ursprungsidee ist daher inzwischen… ich will nicht sagen tot, aber für mich ist es heutzutage schwer, die Seele aktueller Musik zu spüren. Der Grund, warum ich Metalcore geliebt habe, waren die Hardcore-Wurzeln. Die Musik bedeutete etwas, die Texte sagten etwas aus. Dann kamen irgendwann die Keyboard-Samples und dieser verdammte Neon-Merch. Ich kann mich mit dieser Scheiße nicht mehr identifizieren (lacht).

Irgendwann gab es den Punkt, an dem es nur noch darum ging, möglichst harte Breakdowns zu schreiben.
Ja, genau. Das ist halt so, wenn etwas populär wird. Durch das Internet werden Trends so viel schneller durch die Welt gefeuert. Während Metalcore lange gebraucht hat, um den eigenen Sound zu kreieren, hast du heutzutage Musiktrends, die innerhalb von Monaten aufkommen und wieder aussterben. Die Leute werden davon nicht berührt, sie machen einfach den nächsten Trend mit.

Anzeige

Trotzdem seid ihr konstant auf Tour. Das sagt schon was aus.
Ich bin nicht sicher, warum diese Band das alles überlebt hat. Das Gleiche kann ich über Heaven Shall Burn sagen. Es ist unglaublich, dass die Leute sich für uns entschieden haben und wir durch die Welt touren konnten, egal welche Trends gerade angesagt waren. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir uns durch nichts manipuliert lassen haben, was gerade cool und angesagt war. Wir haben immer das gemacht, was wir wollen. Cool, dass es so gut geklappt hat. Das gibt mir Hoffnung.

Zumal ihr von der Band auch leben könnt.
Wir sind sehr glücklich, erfolgreich genug zu sein, um von der Musik zu leben. Besonders, weil unsere Heimatstadt unter massiver Arbeitslosigkeit leidet. Als wir das erste Mal in Europa waren, saßen wir alle zusammen und mussten entscheiden, ob wir konstant touren wollen, um Essen auf dem Tisch zu haben. Andernfalls hätte es mit der Band nicht geklappt. Es war eine schwere Sache, unsere Jobs zu kündigen, aber es hat sich letztendlich gelohnt.

War 2014 ein gutes Jahr für Parkway Drive?
Es ist schwer für mich, in Jahren und nicht in Touren zu denken (lacht). Wir waren auf der Warped Tour, das war sehr cool. Außerdem haben wir viel geschrieben. Das ist das erste Mal seit zehn Jahren, dass wir uns bis zu diesem Grad herausgefordert haben. Wir waren nicht mehr so kreativ, seit wir die Band gegründet haben. Alles danach war nur ein Arbeiten mit dem, was wir schon kennen.

Welche Ziele habt ihr für 2015?
Ich bin sehr glücklich, wie es gerade ist. Wir setzen uns keine Ziele, aber wir pushen uns, das alles zu genießen. Wir fühlen uns immer noch wie eine junge Band. Obwohl wir das schon so lange machen, fühle ich immer noch die gleiche Freude, wenn ich auf der Bühne stehe oder wir Musik schreiben, die ich noch genauso wie früher liebe. Wir haben immer gesagt: Der Tag, an dem wir nicht mehr genießen, was wir machen, wird der Tag sein, an dem wir eine Kugel durch den Kopf von Parkway Drive jagen. Es ging nie um das Geld oder die verfickte Aufmerksamkeit, sondern um Kids, die zusammen Musik spielen.

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.